Der Sender Freies Berlin (SFB) war neben dem RIAS die bekannteste Rundfunkanstalt der Mauer-Stadt. Vor vier Jahren | beendete die Institution ihren traditionellen Betrieb.
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Schaut man von der Berliner City in Richtung Westen, bilden einige charakteristische Bauten die Skyline: Die futuristische Star-Wars-Maschine des Internationalen Congress-Centrums, die Rundtürme der alten Messehallen, der 150 Meter hochragende Funkturm - ein aus den Zwanzigerjahren stammender "Eiffelturm für Arme" - und nicht zuletzt das 1971 fertig gestellte Fernsehzentrum mit dem 14-geschoßigen Hochhaus in Aluminium-Umkleidung.
Viele Jahre prangten an der Spitze dieses Hochhauses weithin sichtbar Signet und Logo des SFB, des Senders aus dem freien westlichen Teil Berlins. Der Ost-Rundfunk stand unter staatlicher Kuratel der DDR, der RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) unter US-Regie.
Als im Jahr 1953 die ostdeutschen Arbeiter wagten, gegen die Arbeiterpartei und deren Stachanow-Normen aufzumucken, und als sie blutig zurückgeschlagen wurden, verhielt sich der RIAS in den Augen vieler West-Berliner viel zu zahm. Bald wurden Rufe nach einer eigenen unabhängigen Rundfunkanstalt laut, und so trat noch im gleichen Jahr das Gesetz über die Errichtung einer Rundfunkanstalt Sender Freies Berlin in Kraft. Am 1. Juni 1954 war es dann so weit: Der SFB ging ans Netz. Während der RIAS reines Hörfunkprogramm blieb, lieferte der neue Berliner Sender schon bald auch Fernsehbilder aus der Teilstadt.
In den folgenden Jahrzehnten sollte er nicht nur die Silhouette, sondern auch das Lebensgefühl West-Berlins entscheidend mitprägen. Sein Beitrag für die bundesweite ARD blieb zwar - als kleiner Regionalsender mit stets knappem Budget - ziemlich bescheiden, wenngleich manche Serien wie "Praxis Bülowbogen" oder "Drei Damen vom Grill" größere Bekanntheit erreichten.
Doch das Flaggschiff des Senders war und blieb die lokale Nachrichtensendung "Berliner Abendschau". Ihre Signets gehörten zu den Symbolen und Icons des Alltags, ihre Moderatorinnen und Moderatoren waren tägliche Gäste in den Wohnstuben der Spree-Athener. "Machts jut, Nachbarn", das Wort, mit dem sich der füllige Abendschau-Präsentator Hans Werner Kock zu verabschieden pflegte, wurde zur stehenden Phrase und machte ihn zu einer Kultfigur auch bei den "Ossis", die sich einbezogen fühlten. Und im Westen verstärkte er damit das Wir-Gefühl in der Inselstadt. Auch ein Wiener gehörte dazu: Professor Wilfried Rott gestaltete und moderierte zahllose Kultursendungen und machte seiner Sehergemeinde die eigene Stadt schmackhaft.
Der Sender - und vor allem seine tägliche Nachrichtenschau - brachten das oft brisante Geschehen der Metropole, von den Krawallen und Hausbesetzungen bis zum Bau und zum Fall der Mauer, in ein handliches, überschaubares Format. In Pantoffeln und Schlafrock konnten die Berliner am Weltgeschehen teilhaben. Was in der "Abendschau" nicht vorkam, hatte nicht stattgefunden.
Am 30. April 2003 - fast ein halbes Jahrhundert nach seiner Gründung - fusionierte der Sender aus finanziellen Gründen mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg zum "Radio Berlin-Brandenburg" (rbb).
Zwar gibt es die Abendschau noch immer; sie wird nun zeitgleich mit den Regionalnachrichten aus dem umliegenden Brandenburg ausgestrahlt. Aber insgesamt hat sich die Klangfarbe des Senders doch stark verändert. Ein bisschen Metropole und ein bisschen flaches Land, großstädtisches Treiben und ländliche Idylle, Welttheater und Trachtentanz - das Profil zerfleddert. Die Kultfiguren sind weg. Aus "Nachbarn" sind Konkurrenten geworden.
Opa Krauses Patschenkino ist tot, das letzte Stück West-Berlin verschwunden. "Jute Nacht, Nachbarn."