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Das Ende eines Kriegsherrn

Von Ronald Schönhuber

Politik
Taylor war in elf Punkten angeklagt: Die Liste reichte von Mord bis hin zu Kriegsverbrechen.

UN-Sondertribunal in Den Haag spricht Liberias Ex-Präsident Taylor schuldig.


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Den Haag. Der Mann auf der Anklagebank, der die fast zweistündige Urteilsverlesung gefasst und ohne merkliche Regung über sich ergehen ließ, wirkte eher wie ein Wirtschaftskrimineller: ein eleganter dunkelblauer Anzug mit Krawatte, teuere Manschettenknöpfe und dazu die goldumrandete Brille. Doch Charles Taylor ist kein auf die schiefe Bahn geratener Geschäftsmann oder jemand, der ein paar Millionen an Kundengeldern veruntreut hat, sondern einer der berüchtigsten und blutrünstigsten Warlords Afrikas. In den vergangenen 20 Jahren hatte Taylor zunächst als Rebellenführer und dann als Präsident von Liberia unsägliches Leid über die Region gebracht, die Unterstützung der RUF-Rebellen im bürgerkriegsgeplagten Nachbarland Sierra Leone kostete zehntausende Menschen das Leben.

Doch nicht nur deswegen wird Taylor in die Geschichtsbücher eingehen. Seit Donnerstag ist der 64-Jährige auch das erste afrikanische Staatsoberhaupt, das von einem internationalen Gericht zur Verantwortung gezogen und wegen Kriegsverbrechen verurteilt wurde. Das Gericht sei zweifelsfrei zu dem Schluss gekommen, dass der Angeklagte "strafrechtlich verantwortlich ist für Hilfe und Begünstigung" bei den ihm vorgeworfenen schweren Verbrechen, erklärte Richard Lussick, der vorsitzende Richter des UNO-Sondertribunals zu Sierra Leone. Allerdings konnte die Anklage keinen vollständigen Sieg einfahren. Anders als erhofft sah das Gericht die unmittelbare Täterschaft Taylors in einige Bereichen nicht als zweifelsfrei bewiesen an.

Blutdiamanten und Waffen

Taylor war in insgesamt elf Punkten angeklagt gewesen, die Aufstellung der ihm vorgeworfenen Verbrechen gleicht dabei einer Liste aus dem Horrorkabinett: Sie reicht von Mord, Vergewaltigung, Versklavung bis hin zur Rekrutierung von Kindersoldaten. Vor allem war es beim Prozess in Den Haag darum gegangen, wie Taylor seine Position als Liberias Präsident missbrauchte, um in Sierra Leone einerseits den Bürgerkrieg zu schüren und andererseits die dort operierende, extrem brutale RUF-Rebellengruppe mit Waffen auszurüsten. Das Markenzeichen der Truppe, die unter dem Kommando des bizarren Foday Sankoh stand, war es, Zivilisten Arme oder Beine abzuhacken. Bezahlt wurde Taylor für seine Dienste mit sogenannten Blutdiamanten. Nach Ansicht des Gerichts verdiente Taylor auf diese Weise hunderte Millionen Dollar, ehe westafrikanische Friedenstruppen den 120.000 Tote fordernden Konflikt im Jahr 1999 beendeten.

In Den Haag hatte sich Taylor allerdings stets als Unschuldslamm präsentiert. "Alles Lügen, Lügen und nochmals Lügen", machte er vor laufenden TV-Kameras seinem Ärger Luft. Kein brutaler Verbrecher sei er, sondern ein gütiger Vater von rund einem Dutzend Kindern. Ein Patriot, der ohne Strom und fließendes Wasser in einer Lehmhütte aufwuchs und nur das Beste für sein Volk gewollt habe.

Zu den 94 von der Staatsanwaltschaft befragten Zeugen hatten auch Topmodel Naomi Campbell, die US-Schauspielerin Mia Farrow und der südafrikanische Ex-Präsident Nelson Mandela gehört. Campbell hatte zugegeben, 1997 nach einem Benefiz-Dinner in Kapstadt Diamanten geschenkt bekommen zu haben, die "angeblich" von Ex-Diktator Charles Taylor stammten. Allerdings hat Campbell erklärt, sie könnte nicht mit Sicherheit sagen, ob die "schmutzig aussehenden Steine" tatsächlich vom damaligen Präsidenten Liberias in ihr Zimmer geschickt worden seien.

Das Strafmaß gegen Taylor soll nun in den kommenden Wochen verkündet werden, es wurde aber damit gerechnet, dass der 64-Jährige in jedem Fall Einspruch erheben wird. Im schlimmsten Fall droht Taylor eine lebenslange Haftstrafe.