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Das Ende eines langen Stromkriegs

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Der jahrelange Stromkrieg zwischen dem Verbund und der EVN (Energieverwertung Niederösterreich) gilt seit gestern Vormittag als offiziell beendet. Denn da wurde endlich die Grundsatzvereinbarung über die österreichische Stromlösung, die zwischen dem Verbund und den EnergieAllianz-Partnern getroffen wurde, präsentiert. Bis zum 2. Juli müssen dann die Verträge unterschriftsreif vorliegen, und mit Anfang 2003 sollen die zwei neu zu gründenden Gesellschaften für Stromhandel und -vertrieb ihr operatives Geschäft aufnehmen.


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Mit der Annäherung des "Ostkonsortiums" EnergieAllianz (EA), bestehend aus Wienenergie, EVN, Energie AG Öberösterreich, Linz AG und Bewag/Begas, an den Verbund entsteht die achtgrößte Stromhandelsgesellschaft Europas. Die Gesellschaft wird zu einem Drittel der EA und zu zwei Drittel dem Verbund unterstellt sein. Salzburg und die Steiermark wollen vorläufig nicht ins Österreich-Boot einsteigen.

Das prognostizierte Handelsvolumen beträgt 100 Terrawattstunden (TWh) pro Jahr, die Eigenproduktion aber nur 40 TWh. Die Handelsplattform ist aber nicht nur für einen regen Stromhandel am österreichischen wie internationalen Markt verantwortlich, sondern soll auch die gemeinsame Steuerung der Kraftwerke übernehmen. Damit wollen die Partner vermeiden, dass zuviel überschüssige Energie erzeugt wird. Einen gemeinsamen Kraftwerkepark, wie er zu Verhandlungbeginn von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein angeregt wurde, wird es allerdings nicht geben. Die Verbund-Vorstände Michael Pistauer und Johann Sereinig, die im Verhandlungsteam saßen, sehen darin aber kein großes Manko: "Wesentlich wird sein, dass wir die Energieproduktion koordinieren." Eine gemeinsame Produktionsgesellschaft sei derzeit nicht vordringlich. Leo Windtner, Generaldirektor der Energie AG, kann sich vorstellen demnächst die Ennskraftwerke in die Verbund-Tochter Austrian Hydro Power einzubringen. "Wir sind auf gutem Weg", sagt er auf Anfrage der "Wiener Zeitung".

Eine weitere Vorgabe des Wirtschaftsministers wurde ebenfalls nicht erfüllt: Die gesellschaftliche Zusammenlegung der Höchstspannungsnetze des Verbundes mit den Übertragungsnetzen der Landesgesellschaften. Während der Verbund keine Angst vor einem Netzwerk hat, zeigen sich vor allem die regionalen Versorger einig, dass eine solche Gesellschaft nicht unbedingt den großen Einsparungseffekt bringen würde. Anders sieht dies der deutsche Konkurrent EnBW (bei der Energie Baden-Württemberg ist die EdF Hauptaktionär), der sich jetzt als "einzige Alternative für Großkunden zur ostösterreichischen Lösung" versteht. EnBW-Austria-Geschäftsführer Christian Call betont gegenüber der "Wiener Zeitung": "Mich wundert, dass der Netzbereich nicht angetastet wurde, hier gäbe es das größte Einsparungspotential. Aber das Netz ist die Cash-Cow, die keiner aus der Hand geben will." Er vermisst die echte Liberalisierung. Bedauern zeigt Call vor allem aus Eigeninteresse: Die Verhandlungen mit vielen Netzbetreibern sind ein Problem für jeden revierfremden Stromanbieter.

Auch Heinz Högelsberger, Engergieexperte von Global 2000, sieht das Nichtantasten der Netze als vertane Chance: "Die Netze gehören in eine Hand und müssen öffentliches Eigentum bleiben." Mit einer solchen Gesellschaft hätten die Verhandler zeigen können, dass man die EU-Vorgabe des Unbundlings - die Trennung von Netzen und Vertrieb - tatsächlich ernst nehme. Kritik übt Högelsberger auch am "Etikettenschwindel atomstromfrei": "Die neuen Partner produzieren nur 40 TWh pro Jahr. Das heißt aber, dass der Rest von rund 60 TWh aus dem Handel auch mit schmutzigem Atomstrom kommt."

Der zweite gelungene Wurf ist die gemeinsame Vertriebsgesellschaft für Großkunden mit einem Jahresverbrauch von über 4 Gigawattstunden. Hier sind die Mitspracherechte gerade umgekehrt verteilt: Ein Drittel bekommt der Verbund, zwei Drittel die EA. Der Kleinkundenmarkt bleibt den Landesversorgern vorbehalten. Der Verbund konnte sich ein Stromzuckerl verschaffen: Für saubere Wasserkraft müssen die EA-Partner künftig einen internen Aufschlag von 1,1 Euro je Megawattstunde zusätzlich zahlen. Dieser Zuschlag gilt nur für Kleinkunden, der Verbund erwartet sich aus der Wasserkraftvergütung 12 Mill. Euro pro Jahr. Die Mehrkosten sollen nicht an die Kleinverbraucher weitergegeben werden, heißt es. Den verbleibenden Rest des Wasserstromes, den die EA nicht braucht, will der Verbund ebenfalls mit dem Spezialzuschlag an Dritte verkaufen.