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Das Ende eines Überlebenskünstlers

Von Klaus Huhold

Politik

Die Tage von Jacob Zuma als Südafrikas Präsident sind gezählt. Seine eigene Partei, der ANC, hat sich von ihm abgewandt.


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Pretoria/Wien. Es gab Zeiten, in denen konnte Jacob Zuma die Massen begeistern. Da sang er sein ebenso berühmtes wie berüchtigtes Lied "Bring mir mein Maschinengewehr" - ein Anti-Apartheid-Song, in dem zur Jagd auf Buren aufgerufen wird -, und ganze Hallen tanzten mit. Als er 2007 zum Vorsitzenden der Regierungspartei African National Congress (ANC) gewählt wurde, hatte er den Großteil der Provinzen, die Jugend- und Frauenliga der Partei sowie einflussreiche Gewerkschafter hinter sich.

Nun, zehn Jahre später, ist es einsam um den 75-Jährigen geworden. In der Öffentlichkeit ist er in den vergangenen Tagen nur noch sehr selten aufgetreten, er hat sich großteils hinter die eigenen vier Wände zurückgezogen. Dort bekam der Staatschef immer wieder Besuch von Parteikollgen, die ihm wenig erfreuliche Nachrichten überbrachten: Sie forderten Zuma dazu auf, als Präsident zurückzutreten. Am Dienstag hat der ANC dieses Ansinnen, das bisher parteiintern besprochen wurde, auch öffentlich gemacht: Der Staatschef müsse im Interesse des Landes rasch seinen Amtsverzicht erklären, verkündete Generalsekretär Ace Magashule bei einer Pressekonferenz.

Auch Zumas Nachfolger steht schon fest: Der ANC hat offenbar bereits beschlossen, dass Vizepräsident Cyrill Ramaphosa das Präsidentenamt übernehmen soll. Der frühere Gewerkschaftschef, der später als Unternehmer einer der reichsten Männer Südafrikas wurde, ist beim ANC-Kongress im Dezember bereits zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Zuma hatte damals Nkosazana Dlamini-Zuma - die langjährige Politikerin ist eine der vier Ehefrauen des polygamen Zuma - für seine Nachfolge in Stellung gebracht. Doch diese unterlag bei der Abstimmung Ramaphosa.

Seitdem war klar, dass Zuma viele Unterstützer und damit seine Machtbasis in der Partei verloren hatte. Die Frage lautete seitdem eigentlich nicht mehr, ob, sondern wann er abtreten muss.

Großer Druck aus der Partei

Nun ist es so weit. Doch Zuma sträubt sich offenbar. Südafrikanischen Medien zufolge hat er sich zwar bereit erklärt zurückzutreten. Doch will er sich damit noch drei bis sechs Monate Zeit lassen. Zuma habe gesagt, dass er nicht gleich weichen wolle, weil er nichts Falsches gemacht habe, berichtete die Zeitung "Mail & Guardian" unter Berufung auf ein hochrangiges ANC-Mitglied. Die Partei fordert jedoch, dass er sofort geht.

Ob der (Noch-)Präsident tatsächlich um sein Amt kämpfen oder nur den Preis für seinen Rückzug in die Höhe treiben will, blieb vorerst unklar. Jedenfalls spielt Zuma mit dem Feuer. Denn die Opposition will am Freitag einen Misstrauensantrag gegen Zuma stellen. Wenn es so weit kommt, könnten auch ANC-Mitglieder gegen Zuma stimmen und den eigenen Präsidenten stürzen, was eine Blamage für diesen wäre. ANC-Generalsekretär Ace Magashule sagte, dass die Partei den Abgang Zumas "mit größtmöglicher Würde" gestalten wolle. Und dass er erwarte, dass sich Zuma am Mittwoch zu seiner Zukunft äußere.

Die Tage Zumas als Präsident sind jedenfalls gezählt, seine letzte Schlacht hat der frühere Anti-Apartheidskämpfer verloren. Dabei war er lange Zeit ein politischer Überlebenskünstler. Schon vor seinem Amtsantritt war er mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Zudem wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, ob Zuma, der kaum Schulbildung genoss, nicht zu ungebildet für das höchste Amt im Staat sei.

Doch der Mann, der während der Apartheid politischer Gefangener war und später im Exil den Geheimdienst des ANC angeführt hatte, erwies sich als schlauer Taktiker. Geschickt verstand er es, im ANC Bündnisse zu schmieden. Zuma, der selbst als armer Hirtenbub aufgewachsen war, präsentierte sich als lautstarker Vertreter der Benachteiligten. Und er hatte großen Rückhalt in seiner eigenen Ethnie, den Zulu.

Doch mit der Zeit hatte es Zuma viel zu weit getrieben. Er ließ sein privates Anwesen mit Staatsgeldern luxuriös ausstatten - wobei er einen Teil der Ausgaben nach einem Gerichtsurteil zurückzahlen musste. Mit ihm befreundete Unternehmer unterwanderten den Staat - die steinreiche Familie Gupta soll zeitweise gar über die Ernennung von Ministern bestimmt haben.

ANC zittert um seine Position

Viele im ANC sehen den einstigen Stimmbringer mittlerweile als Hauptverantwortlichen für Wahlniederlagen. Seit dem Ende der Apartheid war es für den ANC eine Selbstverständlichkeit, dass er, und nur er, Südafrika regiert. Doch bei der Regionalwahl 2016 hat er wichtige Städte wie Port Elizabeth oder Johannesburg an die liberale Democratic Alliance verloren. Die einstige Partei der Weißen hat mit dem Theologen Mmusi Maimane jetzt einen schwarzen Vorsitzenden und zieht nun auch die schwarze Mittelschicht an. Von links wird der ANC von dem Populisten Julius Malema und seinen Economic Freedom Fighters angegriffen.

2019 stehen wieder Parlamentswahlen an, die Volksversammlung wählt in der Folge den Präsidenten. Der ANC will nun offenbar Zuma möglichst schnell loswerden, bevor er noch mehr Schaden anrichten kann.

Ramaphosa soll das neue Gesicht des ANC werden. Der geschickte Verhandler agiert ruhiger und überlegter als Zuma und wurde bereits von Nelson Mandela sehr geschätzt. Nur mit dem Personalwechsel wird es aber nicht getan sein, der ANC muss wohl auch einige prinzipielle Korrekturen vornehmen. Dass nämlich die Schwere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, Gelder immer wieder unterschlagen werden, während die ärmeren Bevölkerungsschichten immer ungeduldiger mit der einstigen Befreiungsbewegung ANC werden, ist nicht allein Zuma anzulasten. Und das kann auch Ramaphosa alleine nicht ändern.