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"Das Epizentrum des Terrorismus"?

Von Georg Friesenbichler

Politik
Neue Freunde (v.l.): Die Präsidenten Karzai (Afghanistan), Abdullah Gül (Türkei), Zardari (Afghanistan). Foto: ap

Karzai und Zardari beraten über Kampf gegen Extremisten. | Selbstmordanschlag in Kandahar. | Ankara/Wien. Der indische Regierungschef Manhoman Singh ist sich sicher: "Wir alle wissen, dass das Epizentrum des Terrorismus heute Pakistan ist", sagte er in einem Interview mit der "Financial Times". Wenn US-Präsident Barack Obama am Freitag beim Jubiläumsgipfel der Nato spricht, wird er allerdings - mit den angefügten Bitte um Unterstützung der USA - wohl vor allem den Terror in Afghanistan ansprechen.


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Von dort kommen täglich Meldungen über Anschläge und Kämpfe. Am Dienstag entging in Kandahar der Vorsitzende des Provinzrates und Bruder des Staatspräsidenten, Ahmad Wali Karzai, nur knapp einem Selbstmordanschlag, bei dem mindestens zwölf Menschen umkamen. In anderen südafghanischen Provinzen wurden bei Kämpfen rund 60 Aufständische getötet, hieß es.

Aber immer stärker rückt das Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan ins Zentrum der Bemühungen, die Radikalislamisten zu besiegen. Und immerhin räumte Obama in seiner neuen Strategie für Afghanistan, die er vergangene Woche vorstellte, Pakistan einen bedeutenden Stellenwert ein und versprach Islamabad Unterstützung.

Die beiden Länder begrüßten den regionalen Ansatz Obamas. Am Dienstag trafen einander die Staatschefs Hamid Karzai und Asif Ali Zardari in Ankara, um unter türkischer Vermittlung über gemeinsame Sicherheitsfragen zu reden. Kabul wirft dem pakistanischen Nachbarn seit langem vor, auf seinem Gebiet nicht genügend gegen die Terroristen zu unternehmen. An dem dritten derartigen Treffen der Präsidenten nahmen diesmal auch Militär- und Geheimdienstexperten teil - denn es geht auch um den besseren Austausch von Informationen. Gegenüber der Vergangenheit ist das ein deutlicher Fortschritt. Karzai und Zardaris Vorgänger, Ex-Militärmachthaber Pervez Musharraf, wollten 2006 bei einem von George W. Bush einberufenen Treffen in Washington einander nicht einmal die Hand schütteln.

Wieder US-Raketen auf pakistanischem Gebiet

Zardari hat die USA indes immer noch nicht davon überzeugen können, dass er wirkungsvoll gegen die Verbindungen seines Geheimdienstes ISI zu den Islamisten vorgehen kann. Erst jüngst forderten ranghohe US-Militärs einen "grundsätzlichen strategischen Wandel" der ISI.

Deshalb greift die US-Armee zur Selbsthilfe und attackiert mit Hilfe von Drohen - unbemannten Flugzeugen - immer wieder mutmaßliche Stellungen der Taliban auf pakistanischem Gebiet, was von der Regierung in Islamabad stillschweigend geduldet wird. Auch am Dienstag gab es wieder einen solchen Raketenangriff. Mindestens zehn Menschen, angeblich Aufständische, kamen dabei ums Leben.

Solche Attacken passen durchaus zu dem militärischen Sieg über Al Kaida und die Taliban, den Obama vergangene Woche als Teil seiner Afghanistan-Strategie verkündete. Die pakistanischen Taliban wiederum nehmen diese Angriffe als Begründung etwa für den jüngsten Anschlag von Lahore. Demnächst könnten sich die islamistischen Kämpfer allerdings verstärkt von Aktionen in Pakistan ab- und solchen in Afghanistan zuwenden.

GrenzübergreifendeKooperation gegen USA

Wie die "New York Times" berichtete, hätten sich auf Initiative afghanischer Taliban die drei wichtigsten pakistanischen Taliban-Führer darauf geeinigt, die Differenzen untereinander zu begraben. Dies soll dazu dienen, die Glaubenskämpfer des Nachbarlandes mit einer gemeinsamen Offensive gegen die neu ankommenden US-Truppen in Afghanistan zu unterstützen. Bisher hatte sich die Hilfe darauf beschränkt, logistische Unterstützung und Unterschlupf zu gewähren oder den Nachschub für die internationalen Truppen in Afghanistan durch Anschläge zu behindern.

Ein Motiv für die Haltungsänderung der pakistanischen Islamistenführer, die vor allem in der halbautonomen Region Waziristan operieren, könnte der Versuch sein, ihre eigene Sicherheitslage gegenüber den US-Angriffen zu verbessern. Offizielle in Islamabad fürchten indes, dass gerade die grenzübergreifende Taliban-Kooperation dazu führen würde, dass die USA noch stärker die Stammesgebiete im Nordwesten Pakistans angreifen. Das würde wiederum die Position von Zardaris Regierung im eigenen Land schwächen.

Die ist ohnehin labil genug. Die Opposition erstarkt, und der Geheimdienst kooperiert laut US-Angaben weiterhin mit Islamisten, sowohl mit jenen im Nordwesten als auch mit jenen in Kaschmir, die für die Anschläge in Bombay (Mumbai) verantwortlich gewesen sein sollen. Indiens Premier Singh beschreibt dies so: Islamabad sei entweder "unfähig" oder "unwillig", gegen den Terror vorzugehen.