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Das Erbe der Pflugscharbewegung

Von Gerhard Oberkofler

Gastkommentare

Die Friedensidee ist im Formalen und Nur-Politischen steckengeblieben.


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Die beiden katholischen Friedensaktivisten Philip Berrigan und Daniel Berrigan SJ, die von US-Gerichten für mehrere Jahre weggesperrt wurden, waren zu Anfang der 1980er Jahre in den USA Organisatoren einer Pflugscharbewegung, die sich auf den Propheten Jesaja berief: "Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg." Papst Franziskus lädt die Christen in seiner Enzyklika "Fratelli tutti" ein, sich an diese Verkündigung aus dem Buch Jesaja zu erinnern. Das lässt sich in der Bibel mit dem Propheten Joel freilich auch inversiv lesen: "Schmiedet Schwerter aus euren Pflugscharen und Lanzen aus euren Winzermessern! Der Schwache soll sagen: ‚Ich bin ein Kämpfer.‘"

Die westdeutsche Friedensbewegung hatte über die grüne Politikerin Petra Kelly Kontakt mit den Berrigans. Seit Ende 1980 wurden Unterschriften zur Unterstützung des "Krefelder Appells" (15./16. November 1980) gesammelt, der den Nato-Doppelbeschluss als Kriegssignal für die Sowjetunion infrage stellte. Bis Sommer 1981 unterzeichneten mehr als eine Million BRD-Staatsbürger diesen gegen die Gefahr eines atomaren Erstschlags gerichteten Appell. Auf dem Evangelischen Kirchentag rund um die 40. Wiederkehr des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion (17. bis 21. Juni 1981) erklärte Petra Kelly die aggressive Aufrüstung der Nato mit dem Hintergrund der dem deutschen Wesen angemessenen Blick nach dem Osten. Die Sowjetunion war sicher kein Paradiesland, aber im Rückblick doch ein den Frieden stabilisierender Faktor, insbesondere in Osteuropa.

Die deutsche Pflugscharbewegung startete achtbare und gewaltfreie Aktionen nach dem Vorbild der US-Friedensbewegung. Über ihre Begegnung mit den Berrigans notierte Kelly, diese seien der Auffassung, ihre Aktionen hätten nicht nur eine Funktion, sondern seien zugleich eine Aussage: "Die große Sünde ist für die Berrigans die Abstraktion. Über das Leben und seine mögliche Zerstörung wollen sie konkret sein. Alles, was man sagt, soll man auch bezeugen können. Also keine folgenlosen Reden, Worte, Papiere." Und weiter: "Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt für uns hier in Europa, in der BRD." Der Bundestag billigte am 22. November 1983 die Aufrüstung. Bis 1987 wurde in vier Nato-Staaten - Belgien, BRD, Großbritannien und Italien - das Raketensystem Pershing II aufgestellt.

Illegale Nato-Kriege

Was ist von der Utopie der Pflugscharbewegung geblieben? Bombardements der Demokratien der Reichen gegen die Armen stehen am Beginn der illegalen Nato-Kriege, von denen die bekanntesten jene gegen Afghanistan, den Irak, Libyen oder Syrien sind. Syrien etwa hat zwar im Vergleich zu Katar oder Saudi-Arabien eine bescheidene Erdöl- und Erdgasförderung, ist aber ein wichtiges Transitland für Erdöl und Erdgas-Pipelines. Im Übrigen geht es auch um die Vereinnahmung von menschlichen Ressourcen.

In die Vergessenheit gedrängt werden Drohnenangriffe wie 2009 durch die USA auf den Jemen. Seit 2014 forciert die Nato ihren Aufmarsch in der Ukraine. Deutschland als Zentrum der EU führt wieder Kriege. Es sind Aggressionskriege unter dem Vorwand, friedliche Bürger zu schützen. Kelly gehörte den Grünen an, einer Partei, die, wie sie 1991 klagte, "zuallererst menschlich gescheitert ist". Grüne gehörten zu den treibenden Kräften, die deutsche Tornados zur völkerrechtswidrigen Nato-Bombardierung von Belgrad (24. März 1999) aufsteigen ließen. Die (Eigentums-)
Regeln am Balkan werden seither von den politischen Eliten der USA und Europas im Interesse ihrer Geldgeber festgelegt.

Wenige Wochen vor ihrem Tod 1992 schrieb Kelly in einem Brief: "Ich bin gegen den militärischen Einsatz - schon gar nicht für einen Einsatz der deutschen Soldaten. Deutsche Soldaten haben nichts im Ausland verloren! Wir brauchen gewaltfreie Konfliktlösungen und pazifistische Denk- und Lebensweisen! Eine Bundesrepublik ohne Armee!"

Ursachen bekämpfen

Mit ihrer Friedensidee und den daraus resultierenden Aktionen blieb die Pflugscharbewegung im Formalen und Nur-Politischen stecken, sie hoffte allzu sehr, durch ihr Tun eine mögliche Veränderung im Geiste zu erreichen. Es gilt aber, die Ursachen des Unfriedens zu bekämpfen, deren letzter Grund in der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufgrund der Eigentumsverhältnisse zu suchen ist. Bertolt Brecht forderte 1935 auf dem Pariser Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur: "Kameraden, sprechen wir von den Eigentumsverhältnissen!"

Die Kriege des Imperialismus sind Kriege nach innen und außen um Eigentum, Profit und große und kleine Geschäfte. Sie begründen die Herrschaft von Menschen über andere Menschen. Die Armut aufgrund der Eigentumsverhältnisse ist die nachhaltigste Form der Gewalt und "die Form der Gewalt mit der größten Straffreiheit", wie es Jon Sobrino SJ formuliert hat. "Nach einem Holocaust oder nach Massakern gibt es - manchmal - ein Nürnberg, das gibt es aber nicht für die Ausplünderung des lateinamerikanischen oder des afrikanischen Kontinents. Welches Tribunal soll man wegen der 35 oder 40 Millionen Menschen anrufen, die jährlich wegen Hungers oder dadurch verursachten Krankheiten sterben? Und das Bitterste ist: Es wäre heute möglich, den Hunger auszumerzen."