Politik-Experte Hamilton sieht Donald Trump als Vertreter der Denkschule der Jacksonians.
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Washington/Wien. US-Präsident Donald Trump zerschlägt regelmäßig Porzellan. Aber sind es unkoordinierte Wutausfälle oder steckt ein Plan dahinter?
Es ist ein bisschen was von beidem, urteilt Daniel Hamilton, ehemals leitender US-Diplomat und nunmehriger Professor der Marshall Plan Jubiläumsstiftung und Direktor am Washingtoner Center for Transatlantic Relations. Hamilton war auf Einladung der US-Botschaft in Wien.
Der renommierte Politikexperte versuchte vor einer Runde von Journalisten, die Persönlichkeit Trumps zu erklären, und rief immer wieder in Erinnerung, dass Trump ein Manager sei, dem bisher ein großes Geschick bei Verhandlungen nachgesagt wird.
Dabei lässt sich inzwischen ein roter Faden erkennen. Teil eins der Strategie: das Gegenüber in Unruhe versetzen. "Das haben wir gesehen mit China, mit Taiwan, mit Europa, mit der Nato und mit Mexiko." Zur Erinnerung: Trump hat kurz nach seinem Wahlsieg mit Taiwans Präsidentin telefoniert, und damit vier Jahrzehnte der "Ein-China-Politik" der US-amerikanischen Spitzendiplomatie über den Haufen geworfen. Europa richtete er aus, dass es künftig für die Verteidigung selbst aufzukommen habe, das transatlantische Verteidigungsbündnis Nato sei überholt. London gratulierte er zur "großartigen Entscheidung", die EU zu verlassen, und Mexiko muss für die Mauer zahlen.
Während Trumps Gegenüber dadurch in eine Mischung aus Ungläubigkeit und Schock versetzt wird, folgt Schritt zwei: dem Schmerz den Stachel ziehen, mit überschäumenden Botschaften der Anerkennung. Trump setze dann ein "‚Ich liebe euch‘" hinterher, fasst es Hamilton zusammen. Im Bezug auf die Nato war es etwa das Bekenntnis, dass sie zwar obsolet sei, aber ihm "persönlich sehr wichtig". Nachdem Trump so den Boden für Verhandlungen bereitet habe, geht es erst ans Eingemachte. Und nachdem Trump bisher "noch nicht zur Sache gekommen ist", werde man erst sehen, wie seine Verhandlungserfolge in Zukunft aussehen. Die Mauer, glaubt Hamilton, wird Trump tatsächlich errichten lassen - aber auf Kosten der USA.
In Sachen Brexit positionieren sich die USA als Krisengewinner, schon jetzt würden laut Hamilton Schattenverhandlungen mit London über bilaterale Partnerschaften geführt - Verhandlungen, die erst in ein offizielles Stadium treten können, wenn London seinen Austritt aus der EU finalisiert. Hamilton warnt, dass es "sehr leicht ist, Europäer gegeneinander auszuspielen."
Um Donald Trumps innenpolitisches Programm zu verdeutlichen, holt Hamilton weiter aus. Das politische Selbstverständnis der USA definiere sich über vier Hauptströmungen. Zwei Strömungen legen ihren Fokus nach Außen: Die "Wilsonians" (benannt nach dem 28. Präsidenten Woodrow Wilson) wollen eine neue Weltordnung errichten - und sehen es als Pflicht, das US-Verständnis von Demokratie und Menschenrechten hinaus tragen. Die Vertreter der "Hamiltonians" (deren Name sich ableitet von dem quasi ersten Finanzminister Alexander Hamilton) legen dagegen den Fokus auf eine "starke offene Weltwirtschaft".
Der Blick nach innen
Dem gegenüber stehen zwei nach innen gewandte Denkrichtungen, die während des Kalten Kriegs fast in Vergessenheit geraten waren, aber inzwischen Einfluss gewinnen: Die Jeffersonians (nach dem 3.US-Präsidenten Thomas Jefferson) halten nicht besonders viel davon, sich nach außen zu engagieren, sondern wollen "das US-Experiment besser machen". Die USA sollen ihre Strahlkraft aus den Lebensumständen im Landesinneren entwickeln. US-Präsident Barack Obama zählte zu den Jeffersonians - in diesem Fahrwasser kann man seine Bemühungen für Obamacare sehen.
Trump hingegen gehört der vierten Strömung an, den Jacksonians. Die sich ebenfalls nach innen richtet, aber sich "nicht an Werten, sondern an Nationalismus orientiert", erklärt Hamilton. Namensgebend war hier Andrew Jackson, 7. Präsident der USA, "und der erste populistische", formuliert es Hamilton: Jackson wäre dafür verantwortlich gewesen, dass die elitäre, aus der Kolonialzeit stammende Politik zerstört wurde. Er erweiterte den Kreis der Wähler, indem er das Wahlrecht vom Landbesitz entkoppelte. Zudem war er "ein brutaler General im Kampf gegen die Engländer, und im Kampf gegen die Indianer". Die Vorgabe für Jacksonians wie Trump: das US-Volk schützen, für Wohlstand sorgen, und Freiheiten so wenig wie möglich beschneiden, daher so wenig staatliche Eingriffe wie möglich.
Doch, schränkt Hamilton ein, kein Präsident hat jemals mit nur einer einzigen dieser Strömungen alleine regieren können. "Deswegen versucht er jetzt auch zu den Jeffersonians zu sprechen und so seine Basis zu verbreitern."
Sein Lehrstück in Sachen Jeffersonian wird Trump wahrscheinlich schon bald abliefern müssen. Nachdem er per Erlass Obamacare abgeschafft hat, müsse er nun binnen drei Monaten eine Ersatzlösung finden. Schließlich habe sich Trump für eine Versicherung für alle Amerikaner ausgesprochen.