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Egal, ob man Radio hörte oder in den Fernseher schaute, ein Thema überflutete in der vergangenen Woche die Programme: das Hochwasser. Interessant schien mir vom linguistischen Standpunkt her, dass alle zu Wort kommenden Experten vom "Hochwasserereignis" sprachen.
Ob Meteorologe, Wasserrechtler oder Kraftwerksbetreiber, alle sagten "Hochwasserereignis", als ob Hochwasser allein nicht genügte. Ich vermute, all diese Experten haben einst bei einem Uni-Professor studiert, der für seine Theorie der Unterscheidung von Hochwasser und Hochwasserereignis nur knapp am Nobelpreis vorbeigeschrammt ist. Wie nicht anders zu erwarten, fingen auch die Politiker wenig später damit an, vom "Ereignis" zu sprechen. Jeder Fachbegriff, jede Worthülse wird dringend benötigt. Was soll man schließlich sonst sagen?
Wenn wir schon bei Politikern und Rhetorik sind, fällt mir noch ein anderes Phänomen auf, das letzte Woche - zu bemerken in einem Ö1-"Mittagsjournal"-Interview mit Rudi Anschober - auch bei den Grünen Einzug gehalten hat, nämlich die Verwendung der Phrase: "Es kann doch nicht sein, dass . . ." (und je nach Couleur darf man dann ein beliebiges Skandalon einsetzen). Die Seuche begann, wenn ich mich richtig erinnere, bei einem blauen Spitzenpolitiker, dann breitete sie sich unter den Schwarzen aus, Anfang letzter Woche wurde Alfred Gusenbauer befallen, und nun hat es also auch Rudi Anschober erwischt.
"Es kann doch nicht sein" heißt: "Es ist, aber es sollte nicht sein", wobei der Subtext wichtiger ist, der da lautet: "Es sollte nicht sein, aber schuld sind die anderen, und ich kann sowieso nichts daran ändern."