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Das erste Mal seit 65 Jahren

Von WZ-Korrespondent Frank Nordhausen

Politik

Nach langer Zeit stattet ein türkisches Staatsoberhaupt wieder seinem Nachbarn Griechenland einen Besuch ab.


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Ankara/Athen. Das Treffen gilt bereits als historisch, bevor es stattgefunden hat. Zum ersten Mal seit 65 Jahren besucht ein Staatsoberhaupt der Türkei wieder den Nachbarn Griechenland. Am Donnerstag wird Präsident Recep Tayyip Erdogan zu zweitägigen Gesprächen mit der griechischen Führung in Athen eintreffen. Erdogan folgt einer Einladung des griechischen Staatspräsidenten Prokopis Pavlopoulos und wird auch mit dem Ministerpräsidenten Alexis Tsipras zusammentreffen. Es wurde allerdings zunächst keine konkrete Agenda von Athen veröffentlicht, was manche als Hinweis auf Probleme mit dem Besuchsprogramm interpretieren.

Während türkische Ministerpräsidenten immer wieder zu Gast in Griechenland waren, fand der letzte Besuch eines Staatschefs 1952 statt. Der enorme Zeitabstand spiegelt das angespannte, von Misstrauen geprägte Verhältnis der beiden Ägäis-Nachbarn wieder. Umso größer ist die symbolische Bedeutung. "Auf der Tagesordnung werden Themen stehen, die beide Länder beschäftigen - Spannungen in der Ägäis, die Flüchtlingskrise, wirtschaftliche Beziehungen mit Fokus auf Energie, Handel und Transport", so der griechische Regierungssprecher: "Wir erwarten eine substanzielle Verbesserung unserer Beziehungen zur Türkei."

Etwas verhaltener war aus Ankara vom "gemeinsamen Willen zur Lösung einiger Probleme" zu hören. Erdogan macht es den Griechen nicht einfach. Er plant nach Angaben griechischer Medien zunächst einen Besuch der rund 100.000 Menschen starken türkischen Minderheit in Westthrazien, deren Diskriminierung Ankara beklagt. Griechische Kommentatoren befürchten, dass der türkische Präsident dort ethnische Spannungen anheizen könnte. Eine offene Versammlung Erdogans in der Stadt Komotini sei nicht genehmigt worden, nachdem der türkische Vizepremier Hakan Cavusoglu dort bei einem Besuch der Minderheit vor einem Monat Bemerkungen gemacht hatte, die in Athen als höchst provozierend empfunden wurden: "Wir, als das Mutterland, als die Türkei, werden euch nicht aufgeben, und haben das nie getan."

Athens Hoffen auf vornehme Zurückhaltung des Besuchers

Für Alexis Tsipras, dessen Regierung wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck steht, wäre eine "unerwartete" Erklärung Erdogans in dieser Richtung politisches Gift. Die nächste Hürde: Erdogan wird in Athen wohl auch die Auslieferung von acht türkischen Armeeoffizieren fordern, die nach dem Putschversuch vom Juli 2016 mit einem Hubschrauber nach Griechenland flüchteten und dort im Jänner politisches Asyl erhielten. Ankara betrachtet die Männer als Terroristen; der Fall belastet die Beziehungen ebenso wie die Tatsache, dass inzwischen mehr als tausend türkische Bürger in Griechenland Asyl beantragt haben. Dass die griechische Polizei letzte Woche neun kurdische Linksextremisten aus der Türkei festnahm, die angeblich ein Bombenattentat auf Erdogans Autokolonne in Athen planten, kann als Geste verstanden werden, dass man den Kampf gegen den Terror ernst nimmt.

Während des Besuchs werden 2800 Polizisten, Spezialkräfte und Scharfschützen Erdogan beschützen. Gleichwohl reist der türkische Präsident mit 200 eigenen Sicherheitsleuten an. Ein andauerndes Ärgernis zwischen den beiden Nato-Partnern sind die militärischen Probleme zu Wasser und in der Luft, weil die Türkei griechische Grenzlinien nicht anerkennt. Immer wieder überfliegen türkische Jets unbewohnte Inseln, die Ankara für sich beansprucht. Doch auch die Griechen verletzen die türkische Souveränität. Fast wöchentlich kommt es zu Abfangjagden über der Ägäis, weshalb die Modernisierung der griechischen F16-Kampfjets für 2,4 Milliarden Dollar, die Tsipras im Oktober bei einem Besuch in Washington vereinbarte, Ankara alarmiert hat.

Türkei sucht Verbündete in zunehmender Isolation

Während Tsipras dort erklärte, die Beziehungen seines Landes zu den USA seien "seit dem Zweiten Weltkrieg nie besser gewesen", ist das türkisch-amerikanische Verhältnis auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Aufgrund der zunehmenden internationalen Isolation könnte die Türkei jetzt deutlich stärker an der Zusammenarbeit mit Griechenland interessiert sein. Alexis Tsipras könnte für die Türkei ein Partner sein, um die Spannungen zwischen der Türkei und der EU zu verringern. Der griechische Premier hat zuletzt mehrfach erkennen lassen, dass er eine solche Mittlerrolle einnehmen könnte.

Im Vordergrund des Besuchs dürften aber Infrastrukturprojekte stehen: eine neue Grenzbrücke über den Evros in Thrakien, eine Trasse für Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Istanbul und Thessaloniki und die Ausweitung der Fährverbindungen in der Ägäis, vor allem zwischen den Metropolen Izmir und Thessaloniki. Es wird außerdem um den zuletzt wieder angestiegenen Flüchtlingsstrom aus der Türkei gehen und um eine verbesserte Zusammenarbeit bei der Terrorabwehr.