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Das etwas andere Geschichtsbuch

Von Alexandra Grass

Politik

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Das etwas andere Geschichtsbuch, das einen satirischen Bogen über historische Fakten spannt, wurde am 15. März im Parlament präsentiert. Unter dem Motto "Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht

ernst" darf in dem Werk "Von Ötzi bis Big Bruno" nach Herzenslust gelacht werden, verspricht der Verlag Ueberreuter. Nationalratspräsident Heinz Fischer hob hervor, daß die Illustration durch den

Karikaturisten Dieter Zehentmayr "sicher eine Erhöhung der Auflage und des Lesevergnügens" zur Folge habe.

"Die Geschichtsstunde, welch ein Quell allerhöchsten Amüsements! Zumeist vorgetragen von einem vertrockneten und verstaubten Greis, gleichsam ein Zeitzeuge der von ihm so wort- und geistreich

beschriebenen Epoche, reihte sich Datum an Datum", schreiben die Autoren Helena Verdel und Andreas P. Pittler in ihrem Vorwort. Und weiter: "Geschichte kann soviel spannender sein, als man nach

Generationen von beamteten Historikern anzunehmen gewillt wäre. Wie Geschichte eben auch erzählt werden kann, wollen wir mit diesem Büchlein beweisen."

Witzig, aber detailgetreu, gehen die beiden Autoren an Fragen heran, auf deren Antworten wir alle gespannt sind. Oder wissen Sie vielleicht, was die ersten Österreicher in die Alpen verschlagen hat,

wo es noch keine Hotels, keine präparierten Schipisten, ja nicht einmal Jagatee und Glühwein gab · nur Schnee und Eis und sehr viel Gegend?

Oder wie es die Habsburger 600 Jahre in Österreich ausgehalten haben · und wie hielt das Österreich aus?

Schon bei den Schulbüchern habe er sich immer gefragt, "wie groß ist die Gähn-Gefahr wirklich?", erklärte Andreas Pittler bei der Präsentation · bei dem vorliegenden Werk stellt sich diese Frage

keinesfalls. "Wenn der Leser nur halb so viel Spaß hat, wie wir am Schreiben", wünscht sich Helena Verdel.

Für Lesekostproben bei der Buchpräsentation konnte Erwin Steinhauer gewonnen werden. Dem zahlreich erschienen Publikum gefiel's.

Untenstehend finden Sie einen kurzen Ausschnitt über "Das kulinarische Jahrhundert". Viel Spaß beim Lesen und · unbedingt kaufen!

Andreas P. Pittler/Helena Verdel: Von Ötzi bis Big Bruno. Österreichs Geschichte heiter betrachtet, Illustriert von Dieter Zehentmayr, Verlag Carl Ueberreuter, 206 Seiten, 291 Schilling.

XIII.

Das kulinarische Jahrhundert

(1815-1914)

Fiakerfahrten in Wien

Die Zeit des napoleonischen Camembert war vorbei, die Völker Europas konnten aufatmen. Endlich durften die Käseglocken wieder in der Speisekammer eingemottet werden, Abwechslung am Speiseplan war

angesagt. Doch nach über einem Jahrzehnt Baguette mit Brie waren die Küchenchefs ein wenig eingerostet, die alten Rezepte schienen vergessen, neue noch nicht kreiert. Was lag also näher, als eine

internationale Fachmesse für Gastronomie zu besuchen? Und welcher Ort wäre dafür geeigneter gewesen als Wien, der Schnittpunkt so vieler unterschiedlicher Stilrichtungen in Sachen Gaumenfreude? Auf

Einladung von Kaiser Franz I. (vormals dem II.) kamen sie also aus aller Herren Ländern in die Residenzstadt, um Rezepte auszutauschen und neue Gerichte zu erfinden.

Doch die Köche waren in die Jahre gekommen. Der Mut zu Neuem war nicht sonderlich ausgeprägt. Man einigte sich daher rasch darauf, auf Bewährtes zu setzen, änderte nur hie und da eine Zutat,

probierte bei den Beilagen ein wenig herum und holte ansonsten die Speisekarten aus dem 18. Jahrhundert wieder hervor. Die Deutschen behielten ihre Dutzenden und Aberdutzenden Weißwurstfabriken, die

Italiener blieben aufgesplittert in unzählige Pizzerien und Cafés, wobei nicht wenige österreichische Geschäftsführer besaßen, und in Frankreich sperrte das "Bistro Bourbon" wieder auf, Ludwig

XVIII., der Bruder Ludwigs XVI., war nun für den Kognak-Ausschank zuständig. Lediglich nördlich von Frankreich gab es eine kleine Änderung. Die Brüsseler Schokolade wurde nicht länger mit Wiener

Topfenstrudel zusammengespannt, sondern war ab sofort der zweite Gang nach holländischem Gouda.

Wenn die vielen Köche in Wien gerade nicht an ihrem Brei herummanschten, dann gönnten sie sich ausführliche Blicke auf die Sehenswürdigkeiten der Metropole. Jeden Abend gab es stattliche Redouten,

wurde getanzt bis zum Morgengrauen, und unter Tags ließen sich die Chefs mit dem Fiaker durch Wien kutschieren. Dabei hatte sich bald schon herumgesprochen, daß ein hagerer Graukopf die besten

Geschichten zu erzählen wußte, weshalb sich alle diesen Mann am Kutschbock wünschten. Er bekam reichlich Schmattes und nannte sich ob seiner internationalen Kundschaft bald "Kutscher Europas". Diesen

Beruf sollte der Mann, Metternich geheißen, 33 Jahre lang ausüben, ehe sein Gespann in der Revolution von 1848 ausrangiert wurde.

Zunächst aber bestimmte Metternich nach dem Ende der Messe, die bald als "Wiener Kongreß" bekannt wurde, für die Innung der Meisterköche, die sich selbst "Heilige Allianz" getauft hatte, die

Geschicke der internationalen Menüpläne. Und eigentlich gelang ihm das im Sinne der Innung auch ganz passabel, wenn es auch von allem Anfang immer wieder störende Korrekturen bei den Tagestellern zu

konstatieren galt.