Rettungsschirme helfen Problemländer wohl nicht genug. | Fragezeichen hinter Umsetzung der Reformen. | Brüssel. Fieberhaft haben die Strategen der Mitgliedstaaten und EU-Institutionen auf den EU-Gipfel vergangenen Freitag hingearbeitet. Der ganz große Wurf zur dauerhaften Stabilisierung der Gemeinschaftswährung sollte es werden. Ein bisher nicht da gewesenes Signal an die Märkte, dass die Euroländer den Ausweg aus der Schuldenkrise schaffen werden. Doch mehr als ein wichtiger Zwischenschritt wird es am Ende wohl nicht gewesen sein - schon der Fall Portugal zeigt, dass die Probleme noch nicht zu Ende sind.
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Dabei haben die Staats- und Regierungschefs weit reichende Beschlüsse gefasst, die noch vor einem Jahr völlig unmöglich gewesen wären. Deutschland hat sich nach einem zähen Rückzugsgefecht de facto von der sogenannten No-Bailout-Klausel im EU-Grundvertrag verabschiedet, wonach Euroländer nicht für die Schulden anderer einstehen dürfen. Bis dahin war das für Berlin eine heilige Kuh. Dem Grundfehler der Eurozone, dass die gemeinsame Währungspolitik nicht von einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik flankiert wird, versuchen die Mitgliedstaaten nun auf den Leib zu rücken.
Dafür wurde ein ziemlich umfangreiches Gesamtpaket verabschiedet: Auf Dauer sollen Rettungsschirme Euroländern mit ernsten Zahlungsschwierigkeiten mit bis zu 500 Milliarden Euro unter die Arme greifen können, wenn es nicht mehr anders geht. Deutschland ist als größte Wirtschaftsnation naturgemäß finanziell am stärksten engagiert. Bis zu 250 Milliarden Euro steuert der Währungsfonds bei, der volle Umfang der Rettungsschirme beträgt 750 Milliarden Euro.
Abgestimmte Politik
Ein "Euro-Plus-Pakt" soll künftig zudem für eine stärkere Abstimmung der Wirtschaftspolitik und so für mehr Wettbewerbsfähigkeit sorgen. Deutschland hatte ihn für seine verstärkte finanzielle Beteiligung bei den Rettungsschirmen verlangt. Alle EU-Länder außer Großbritannien, Schweden, Tschechien und Ungarn machen mit. Doch hat der Pakt einen großen Schwachpunkt: Von den beteiligten Staats- und Regierungschefs vereinbarte Ziele für eine besser abgestimmte Sozial-, Steuer- und Lohnpolitik sind bloß politische Willenserklärungen und werden am Ende nur von ihnen selbst überprüft. Die Kommission kann säumige Länder zwar an den Pranger stellen. Doch dieses Instrument hat sich schon bisher beim Euro-Stabilitätspakt nicht wirklich bewährt. Fast alle Euroländer verstoßen gegen seine Auflagen, die ein Haushaltsdefizit von höchstens drei Prozent und eine Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung vorschreiben.
Deshalb ist die Verschärfung des Stabilitätspakts eine weitere Maßnahme, welche der EU-Gipfel vorbehaltlich einer Einigung mit dem EU-Parlament auf den Weg gebracht hat. Nicht nur bei Verletzung der Drei-Prozent-, sondern auch der 60-Prozent-Grenze sollen EU-Strafverfahren drohen. Schon bei Verfahrenseröffnung müssten bis zu 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung in Brüssel hinterlegt werden. Das entspricht für Österreich einem Betrag von rund 580 Millionen Euro. Kann das betroffene Land seine Schulden auf Dauer nicht rasch genug abbauen, droht am Ende der Verlust der Einlage als Bußgeld. Auch bei wirtschaftlichen Schieflagen soll die Kommission künftig frühzeitig warnen. Werden ihre Empfehlungen wiederholt nicht befolgt, winken ebenfalls hohe Geldstrafen.
Das schaut auf dem Papier ziemlich hart aus. Doch zweifeln viele, ob es tatsächlich je so exekutiert wird. Immer noch haben die Finanzminister faktisch das Entscheidungsrecht über die Ein- und Fortführung der Verfahren. Dass sich ein großes Land wie Deutschland oder Frankreich zu Milliardenstrafen verdonnern lässt, ist ziemlich unwahrscheinlich. Schon 2005 haben die beiden die Regeln geändert und den Stabilitätspakt abgeschwächt, als Sanktionen in Sichtweite gekommen waren.
Die Pakte müssen also erst beweisen, dass sie halten, was sie versprechen. Zudem bezweifeln Ökonomen sehr, dass schwankenden Euroländern wie Griechenland, Irland und demnächst wohl Portugal mit den Rettungsschirmen am Ende geholfen ist. Die Mittel reichen gerade zum Stopfen der akuten Budgetlöcher, aber nicht für Zukunftsinvestitionen. Der Weg zurück zur eigenständigen Finanzierung auf dem Markt ist kaum absehbar, wie die horrenden Zinsen belegen, welche diesen Ländern abverlangt werden.
Schuldennachlass nötig
Beim EU-Gipfel versuchten die Staats- und Regierungschefs die Dramatik für Portugal herunterzuspielen. Die Bonitäts-Talfahrt spricht freilich eine andere Sprache. Über kurz oder lang ist ein Hilferuf an den Rettungsschirm wohl unvermeidbar, für die Portugiesen ist noch komfortabel Platz. Doch ohne Umstrukturierung von Schulden inklusive Teilerlass wird es wohl am Ende für manche Länder nicht gehen. Doch damit wollen sich die EU-Strategen erst in zwei Jahren beschäftigen. Vorläufig haben sie einen Zwischenschritt gemacht.