Politik-Experten Hajek und Hofer über den Rückzug des "Volkstribuns". | "Nicht die Partei wurde gewählt, sondern die Person." | Wien/Graz. Zwar wählt die Steiermark erst im Herbst 2010 einen neuen Landtag, doch schon heute zeichnet sich ab, dass dann die Karten neu gemischt werden. Nachdem KPÖ-Klubobmann Ernest Kaltenegger am Montag seinen Rückzug angekündigt hat, gilt es nämlich als sehr wahrscheinlich, dass die KPÖ - derzeit noch drittstärkste Kraft im steirischen Landtag und mit vier Mandaten vertreten - aus dem Landesparlament fliegen könnte.
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Es ist der hohe Blutdruck, der den 59-jährigen Kaltenegger nach fast 30 Jahren aus der Politik zwingt. Einen weiteren stressigen Wahlkampf will er sich und seinem Körper nicht antun. Doch der volle Einsatz hatte sich in der Vergangenheit gelohnt: Unter Kaltenegger errang die KPÖ 2003 bei den Grazer Gemeinderatswahlen 20,75 Prozent und wurde drittstärkste Kraft. Fünf Jahre zuvor hatte er es bereits in die Stadtregierung geschafft. 2005 dann die Sensation: Die KPÖ zog mit 6,3 Prozent der Stimmen in den steirischen Landtag ein und lag sogar noch vor den Grünen. Erstmals seit 1970 war die KPÖ wieder in einem Landtag vertreten.
Dieses Zwischenspiel dürfte nach fünf Jahren wieder beendet sein. Kalteneggers Rückzug bedeutet das Aus für die KPÖ, ist sich Politik-Experte Peter Hajek sicher: "Das Fell wird verteilt." Das Problem der steirischen KPÖ sieht der Politik-Experte in der One-Man-Show, die die Partei in der Vergangenheit bestimmte: "Kaltenegger war die KPÖ in der Steiermark. Ich wüsste nicht, wer die Nachfolge antreten sollte."
Diese Einschätzung teilt auch Politikberater Thomas Hofer: "Nicht die KPÖ wurde gewählt, sondern Kaltenegger." Er geht davon aus, dass die Kommunisten "ganz massive Probleme" haben werden, wenn die Galionsfigur weg ist".
Was die Nachfolge Kalteneggers als Klubchef angeht, so haben sich seine drei Landtagskollegen Renate Pacher, Claudia Klimt-Weithaler und Werner Murgg bereits in Stellung gebracht. Die Entscheidung soll Ende April fallen. Sein Landtagsmandat will Kaltenegger bis Ende der Legislaturperiode behalten. Dass er seinen Rücktritt als Nummer eins schon jetzt bekanntgegeben habe, sei "ein Gefallen an die Partei", glaubt Hajek. Diese habe nun genügend Vorlaufzeit.
Kaltenegger hat Image über Jahre aufgebaut
Das sieht Hofer allerdings anders. Um sich sein Image als "Volkstribun" aufzubauen, habe Kaltenegger "Jahre oder Jahrzehnte" gebraucht. Seit 1981 saß der KPÖler, der seine Wurzeln in der Sozialistischen Jugend hat, im Grazer Gemeinderat und begann sich ein Image als "Nothelfer" und "Engel der Armen" aufzubauen. Ohne ihren Frontmann stürzt die KPÖ "zurück in die Bedeutungslosigkeit", ist sich Hofer sicher.
Und wer profitiert davon? Am naheliegendsten wäre natürlich, wenn Grüne und SPÖ gewinnen. Allerdings zeigen die Wählerstromanalysen der letzten Wahl, dass ÖVP und FPÖ wesentlich mehr Wähler an die Kommunisten verloren als etwa die SPÖ. "Es gibt Luft für alle Parteien", sagt Hofer, gibt allerdings zu bedenken, dass Kaltenegger "viel Protestpotenzial abgefangen" hat. Das könnte bei der nächsten Wahl FPÖ und BZÖ zugute kommen.
Und wie geht es mit der KPÖ weiter? Droht ihr nun das Ende? Hajek sieht - österreichweit - kein Ende, "weil es keinen Anfang gab". Die KPÖ sei trotz der Erfolge in der Steiermark auf jenem Stand, den sie in den letzten Jahrzehnten immer hatte. Die Erfolge in Graz sind für den Politik-Experten Ausreißer und nicht auf die Partei, sondern auf die Person zurückzuführen. Daher werde sich auch hier die KPÖ dem österreichweiten Trend anpassen. Ein erstes Anzeichen dafür waren die Grazer Gemeinderatswahlen 2008, wo die KPÖ ohne Kaltenegger fast die Hälfte ihrer Stimmen verlor.
Auch Thomas Hofer sieht die KPÖ in einer "Schlacht, die sie nicht gewinnen kann". Ohne ihre Galionsfigur werde es für die Kommunisten sehr schwierig. Die entscheidende Frage für die nächste Wahl in der Steiermark ist, so Hofer, ob und wie sehr sich Kaltenegger noch in den Wahlkampf einbringt.