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Das Fell des Eisbären wird verteilt

Von Stefan Melichar

Wirtschaft
Durch die Klimaerwärmung schmilzt das Eis in der Arktis. Dadurch werden Bodenschätze abbaubar.
© © M. Hirsch

Russland braucht westliche Technologie zur Erschließung von Rohstoffvorkommen. | Britische BP muss schwere Niederlage hinnehmen. | Fünf Länder ringen rund um den Nordpol um die Vorherrschaft.


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Wien. Die Eisdecke rund um den Nordpol wird von Jahr zu Jahr dünner, wer bei der kommerziellen Nutzung der Arktis die Nase vorne haben will, muss jetzt die richtigen Schritte setzen. Das gilt sowohl für jene Staaten, die gerne einen möglichst großen Teil des Territoriums für sich beanspruchen würden, als auch für Unternehmen, die sich eine Vormachtstellung erhoffen.

Ein am Dienstagabend publik gewordener Deal zwischen der staatlichen russischen Öl- und Gasfirma Rosneft und dem US-Energierisen Exxon Mobil könnte nun eine neue Ära im Wettlauf um die Arktis einläuten. Exxon und Rosneft haben vereinbart, 3,2 Milliarden US-Dollar in die gemeinsame Erschließung von Öl- und Gasvorkommen zu investieren - in erster Linie in der arktischen Karasee (siehe Grafik).

Rosneft fehlen die technischen Voraussetzungen, um die Rohstoffvorkommen im Alleingang zu erschließen, weshalb das russische Unternehmen seit geraumer Zeit einen westlichen Kooperationspartner sucht. Ursprünglich hätte das der britische Ölkonzern BP sein sollen, der Versuch einer Kooperation scheiterte jedoch vor ein paar Monaten. Nun fügt Exxon dem europäischen Konkurrenten eine herbe Niederlage zu.

Russland schickt Militär

In der Arktis werden - laut Deutscher Presseagentur - mehr als zehn Prozent der bisher nicht entdeckten Ölvorkommen und sogar bis zu 30 Prozent der noch unbekannten Gaslagerstätten vermutet. Doch auch andere Rohstoffe wie Kohle, Eisen, Silber, Gold und Zink wecken nicht nur das Interesse von Firmen, sondern vor allem auch jenes der fünf Anrainerstaaten USA, Russland, Kanada, Dänemark und Norwegen.

Offiziell setzt man im Rahmen des sogenannten Arktischen Rats zwar auf Dialogbereitschaft. Tatsächlich nimmt der Wettlauf um den Pol jedoch immer schärfere Züge an. Mehrere Staaten versuchen, ihre Hoheitsgewässer auszudehnen, indem sie behaupten, ihr Festlandsockel würde entsprechend weit reichen. Russland hat nicht nur im Jahr 2007 in einem symbolischen Akt am Nordpol mit einem Mini-U-Boot seine Flagge in den Meeresgrund gerammt, sondern vor wenigen Wochen die Stationierung zweier Arktis-Militärbrigaden angekündigt. "Ganz klar werden wir unsere eigenen geopolitischen Interessen hart und konsequent verteidigen", so Regierungschef Wladimir Putin, der sich in der Vergangenheit auch schon einmal demonstrativ beim Eisbären-Forschen in Szene gesetzt hat.

Die geopolitische Bedeutung der Arktis beschränkt sich dabei nicht auf Bodenschätze. Von zunehmender Bedeutung dürfte auch der Fischfang sein.

Neue Transportwege

Laut "Financial Times" erwarten Experten, dass mit der zunehmenden Erwärmung die Zahl der Meeresbewohner massiv zunimmt. Da gleichzeitig in anderen Regionen viele Fischgründe überfischt sind, könnten kommerzielle Interessen bald die Oberhand gegenüber jetzigen Fangrestriktionen gewinnen.

Dass die Eisausdehnung in der Arktis im Sommer mittlerweile beständig unter dem jahrelangen Durchschnittswert bleibt, eröffnet nicht nur den Zugang zu Rohstoffen, sondern auch zu neuen Transportwegen. Eine Schifffahrtroute von Rotterdam nach Tokio direkt über den Pol wäre um rund 7000 Kilometer kürzer als die jetzigen Routen. Ebenfalls wirtschaftlich interessant könnte die Nutzung der Nord-West-Passage an der Nordküste Kanadas und einer weiteren Route entlang der sibirischen Küste sein. Von 2006 bis 2010 fuhren zwar nur 69 Schiffe durch die Nord-West-Passage - das waren aber genauso viele wie insgesamt in den hundert Jahren davor.