Alpbach-Geschäftsführer ruft zu "Occupy Alpbach" auf.
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Wien. Ideentankstelle. Intellektueller Rückzugsort. Experimentierfeld, Innovationslabor - das sind die Zuschreibungen, die dem Europäischen Forum Alpbach gerne verpasst werden. Seit 1945 findet dieses Festival der Ideen in den Tiroler Bergen bereits statt, die Liste der prominenten Denker, Intellektuellen und Wissenschafter, die dabei waren ist lang: von Theodor W. Adorno bis Friedrich August von Hayek, von Werner Heisenberg bis Peter Sloterdijk, von Friedrich Dürrenmatt bis Erwin Schrödinger.
Rund 4000 Menschen aus über 60 Staaten werden ab kommender Woche dabei sein.
Lange Jahre war Alpbach als Spielwiese für ÖVP-Politiker verschrien, doch schon unter der Alpbach-Präsidentschaft von Erhard Busek begann sich das Forum nach und nach zu öffnen. Was den konservativen Kommentator Andreas Unterberger zur Aussage hinreißen ließ, Alpbach sei "eine ziemlich provinzielle Veranstaltung geworden und zeigt letztlich den geistig ausgedünnten Zustand der Republik und das Fehlen spannender intellektueller Kontroversen".
Dabei hatte der Präsident des Europäischen Forums Alpbach, Franz Fischler, in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Presse" dargelegt, dass eines der Anliegen des Forums eine noch stärkere Internationalisierung des Forums sei und darauf verwiesen, dass dieses Jahr auch das aktuelle Thema Überwachung des Cyberspace oder der Arabische Frühling debattiert werden soll.
Das Faktum, dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso oder der US-Starökonom Jeffrey Sachs dieses Jahr in Alpbach auf der Gästeliste stehen, deute ebenfalls nicht gerade darauf hin, dass Alpbach "provinziell" geworden sei, wie ein Alpbach-Mitarbeiter meint.
Doch was soll, was kann ein sommerliches Debattier-Forum in den Alpen leisten? Die "Wiener Zeitung" traf fünf junge Alpbacher, um von ihnen mehr über Alpbach "backstage" zu erfahren.
Philippe Narval, Geschäftsführer des Europäischen Forums Alpbach erklärt den gesellschaftlichen Mehrwert von Alpbach so: Alpbach werde immer wieder als Quatschbude oder Diskurs-Schuppen abgetan. Die Funktion von Alpbach in einer Welt, in der das Silodenken überwiegt, sei es, Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenzubringen und einen Blick aufs Ganze zu ermöglichen. "Das Aufbrechen der Silos ist eines unserer Kernanliegen." Was Narval damit sagen will: Die zunehmende Spezialisierung der Wissenschafter und Experten steht dem Fachdiskurs immer mehr im Weg, weil die Experten oft genug nur mehr über ihr Spezialgebiet bescheid wissen. Narval plädiert hingegen für fachübergreifende Debatten.
Entschleunigung und Rauschunterdrückung
Was Alpbach zusätzlich leisten kann: In einer Zeit der 24 Stunden pro Tag - sieben Tage die Woche Kommunikation über Email, Twitter und andere Soziale Netzwerke und dem rastlosen Info-Bombardement sollen Orte wie Alpbach für "Entschleunigung" und "Rauschunterdrückung" sorgen. Wie sonst sollen Akademiker, Politiker und Manager sich auf das Wesentliche konzentrieren?
Zudem wolle Alpbach ein "Brückenbauer" zwischen Ost und West sein.
Was in Worten abstrakt klingt, passiere dann in Alpbach ganz natürlich, berichten die Alpbach-Mitarbeiter: In Alpbach leben junge Studenten aus ganz Europa während der drei Wochen der Veranstaltung zusammen und besuchen die verschiedensten Seminare. "Sie kommen als Kosovaren, Serben oder Albaner und fahren als Freunde heim", meint Luise Fischer, Projektmanagerin der sogenannten "Seminarwoche", dem akademischen Herzstück des Europäischen Forums Alpbach, das vor allem für die Studentinnen und Studenten, die in Alpbach teilnehmen, maßgeschneidert ist.
Das Alpbach-Team versucht sich dieses Jahr in neuen Formaten, etwa einem sogenannten Barcamp - was man am besten als intellektuelles Speed-Dating erklären könnte. Bei dieser ursprünglich aus San Francisco stammenden Veranstaltungsform gibt es keine Vortragenden und Zuhörer, sondern es geht um Dialog und Interaktion. Jeder Teilnehmer ist Vortragender und Publikum zugleich.
Im Pop-Up-Kaffeehaus "Vollpension" im Hallenbad in Alpbach backen Seniorinnen aus Alpbach ihre Lieblings-Mehlspeisen und servieren sie den Gästen.
Die Sponsoren aus der Wirtschaft begrüßen die Mordernisierungsbemühungen: Ein Vertreter eines großen Unternehmens meinte, klassische Podiumsdiskussionen seien nicht mehr zeitgemäß: "Oft genug sitzen im Publikum genauso schlaue Menschen wie auf dem Podium. Dem müsse man durch andere Diskussionsformate Rechnung tragen."
Alpbach-Geschäftsführer Narval ruft zum "Occupy Alpbach" auf: Interessensgruppen, Universitäten, Think Tanks, Medien - sie alle könnten sich hinkünftig in in Alpbach präsentieren. Narval geht es um ein "Festival der Ideen", bei dem jeder Beitrag erwünscht sei.