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"Das Finanzsystem steht vor starken Veränderungen"

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft
Prämien für Firmenversicherungen werden nach Japan teurer: Günter Geyer,Generaldirektor der Vienna Insurance Group (Städtische Versicherung). Foto: Newald

Günter Geyer im Interview: Warum der Vorstand auf den Bonus verzichtete. | Atomunfälle sind nicht zu versichern. | "Wiener Zeitung": Sie haben die vergangenen zwei Jahre freiwillig auf Ihren Bonus verzichtet und dafür den Leitl-Preis für Partnerschaft in der Arbeitswelt erhalten. War das ein Tribut an die Krise?


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Günter Geyer: Viele Versicherungsnehmer kontaktierten uns 2009 für die Stundung von Prämien. Da haben wir uns gedacht, wir müssen ein Signal setzen, dass wir die Lage unserer Kunden verstehen. Ich habe das im Vorstand vorgeschlagen, und es waren alle sofort dafür - freiwillig. Ich habe das selbstverständlich empfunden, dafür einen Preis zu kriegen, war etwas Neues.

Wie hoch ist dieser Bonus eigentlich?

Wir reden von 40 Prozent der Jahresgage. Aber um es klar zu sagen: Es geht ja niemand von uns schlecht. Was mich sehr gefreut hat, war, dass so viele Führungskräfte, auch in Tochterunternehmen mitgemacht haben. Bei einigen habe ich es sogar abgelehnt, weil die ohnehin nicht so viel verdienen.

Wie viel sollte ein Top-Manager eigentlich verdienen?

Ich denke, zirka das 15- bis 20-Fache des Durchschnittsgehaltes eines Mitarbeiters im Unternehmen wäre eine vertretbare Größenordnung; bei besonderen Herausforderungen wäre auch mehr denkbar. Dass hier die Balance stimmt, darauf haben wir in der Vienna Insurance Group immer geachtet, das gehört zu unserer Kultur. Darum haben wir auch eine geringe Fluktuation bei Führungskräften auf allen Ebenen.

90 Prozent der Karenzierten kehren zurück, weil wir eine sechsmonatige Wiedereinstiegsphase ermöglichen. Bei den Führungskräften unterhalb des Vorstands kommen wir so auf eine Frauenquote von 40 Prozent.

Aber gerade in der Finanzwirtschaft zählt doch vor allem das Einkommen . . .

. . . Es ist nicht der Verdienst allein. So gehört es auch zu unserer Firmenkultur, dass wir sehr auf die Meinung der Mitarbeiter hören, nicht einfach verordnen. Das führt dazu, dass wir auch Vorstände kaum über Head Hunter suchen. Die kommen nahezu alle aus dem Unternehmen.

Die Vienna Insurance Group ist also ein Leuchtturm, während das Image der Finanzdienstleister im Keller ist?

Nein, sicher nicht. Wir sind nicht besser, vielleicht nur anders. Ich halte es übrigens für sehr zweifelhaft, Einkommen nur nach dem Aktienkurs zu richten. Es geht bei Manager-Gagen darum, extreme Auswüchse zu verhindern.

Wir erleben derzeit eine unheimliche Häufung von Krisen und Katastrophen. Oft reagieren die Finanzmärkte negativ verstärkend. Steht das Weltfinanzsystem vor dem Untergang?

Untergang nein, aber es wird starke Veränderungen geben. Beim Euro ist es noch am einfachsten, es bringt ja niemand was, die Eurozone zu verlassen. Also geht es darum, die Gemeinschaftsthemen zu stärken, sich auch steuerlich stärker zu akkordieren. Die arabische Welt ist ein instabiler Faktor, das Unglück in Japan zwingt uns, über Energiepolitik nachzudenken.

Der Atomunfall in Japan, schlägt sich der bei uns - über die Rückversicherungen - auf die Prämien nieder? Werden sie steigen?

Der Gesamtschaden ist bei einem Atomkraftwerk schwer abzuschätzen, mit all seinen Langzeitwirkungen. Meist sind diese Kraftwerke in einem nationalen Versicherungs-Pool, ab einer bestimmten Haftungsgrenze trägt die öffentliche Hand das Risiko.

Aber das Erdbeben und der Tsunami treffen uns wahrscheinlich mittelfristig. Die Rückversicherungen werden eventuell teurer, das könnte bei Betriebsversicherungen zu höheren Prämien führen.

Es ist ja gerade Thema: Wie macht denn die Vienna Insurance Group Lobbying?

Wir sind über den Versicherungsverband aktiv, der internationale Kontakte pflegt. Bei Problemen reden wir natürlich mit den jeweiligen Regierungen und Aufsichtsbehörden.