Pottwal, weißer Elefant, fliegende Knackwurst - die ersten Kosenamen hat der Riesenvogel, der seit vorgestern vor der Airbus-Fabrikhalle in Toulouse-Blagnac steht, schon bekommen. Offiziell vorgestellt wird der Airbus A 380, der größte Passagierjet der Welt, am kommenden Dienstag von Jacques Chirac, Gerhard Schröder, Tony Blair, Jose Luis Rodriguez Zapatero und der Creme de la creme der Luftfahrtbranche. Alle werden stolz sein - mit Recht. Denn der A 380 wird nicht nur den Jumbo Jet 747 des US-Erzrivalen Boeing als König der Lüfte entthronen. Europa feiert, zu welchen außerordentlichen Leistungen es fähig ist, wenn über die Grenzen zusammengearbeitet wird.
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Mit dem größten Passagierflugzeug aller Zeiten will Airbus eine neue Ära der Zivilluftfahrt eröffnen und den ewigen Rivalen Boeing dauerhaft auf Rang zwei verweisen. Der Airbus A380 für 481 bis 853 Passagiere setzt Maßstäbe von der Technik über die Fertigung und die Finanzierung bis zum Flughafenbau. Am 18. Jänner stellt der europäische Flugzeugbauer Airbus sein neues "Flaggschiff des 21. Jahrhunderts" in Toulouse der Weltöffentlichkeit vor.
Airbus bietet den A380 in fünf Passagierversionen sowie als Frachter für 150 Tonnen Nutzlast an. Für Charterflieger wurden Modelle mit nahezu 1.000 Sitzen angedacht. Die Grundversion mit 555 Sitzen in drei Klassen wird laut Liste 214 Mio. Euro (281 Mio. Dollar) kosten. Der Jungfernflug soll Ende März stattfinden.
So riesig wie das Flugzeug sind auch die Risiken für Airbus. Das begann vor acht Jahren, beim Startschuss zum 380-Programm mit der Frage: Wollen die Fluggesellschaften - und die Passagiere - überhaupt so große Maschinen? Boeing erschien das Risiko zu groß; der US-Konzern warf nach jahrelanger Vorplanung das Handtuch und blieb bei seinem seit fast 35 Jahren bewährten Jumbo 747, von dem inzwischen fast 1.300 Stück verkauft wurden.
Ein Blick auf die Weltflughäfen zeigt aber, dass die Airbus-Kalkulation aufgehen könnte: Von Frankfurt über Dubai bis zu den Drehkreuzen in Fernost bereiten sich die Flughäfen mit Um- und Neubauten auf den A380 vor. In fünf Jahren wollen 60 Flughäfen fit sein für das A380-Zeitalter, als erster meldete jüngst der Airport im kalifornischen San Francisco, bereit zu sein. Wien ist 2008 so weit.
Richtig Geld verdienen will Airbus mit dem Riesenvogel ab 2012. Dann soll mit dem Verkauf von 250 Maschinen die Gewinnschwelle erreicht sein. Noch vor dem Erstflug wurden bereits 149 Maschinen von 13 Kunden geordert - so viele, wie noch bei keinem anderen Flugzeug davor. Bis 2023 sollen es 750 sein - mindestens. Nach einer Airbus-Marktprognose werden bis 2023 weltweit 16.600 neue Verkehrsmaschinen gebraucht. Darunter sind nur 1.250 Großflugzeuge mit mehr als 450 Plätzen, doch die sollen wertmäßig ein Fünftel des Marktes ausmachen.
Boeing sieht dagegen Bedarf vor allem für Flugzeuge der heutigen Größenklassen. Wenn Boeing sich täuscht und die Airbus-Rechnung aufgeht, wird der A380 zum Goldesel, denn Boeing hat kein Konkurrenzmodell. Airbus würde seine Weltmarktführung im Verkehrsflugzeugbau betonieren - schon 2003 und 2004 hat man mehr Flugzeuge verkauft als die Amerikaner, auch 2005 wird Europa diesbezüglich die US-Konkurrenz überflügeln - und nebenbei Boeings Monopol im Bereich der Großfrachter knacken.
Ein großes Verkaufsargument für den A380 sind die Betriebskosten: Sie sollen um 17 Prozent niedriger sein als bei Boeings modernstem Jumbo 747-400. Der A380 hat fast 80 Meter Spannweite und damit knapp zehn Meter mehr als ein Jumbo, bei 73 Metern Länge und 24 Metern Höhe ist er zudem fast neun Meter länger.
Die Durchschnittsreichweite mit einer Tankfüllung gibt Airbus mit 15.000 Kilometern an - also etwa Frankfurt-Tokio nonstop. Wie bei Kreuzfahrtschiffen ist Platz für Spielkasinos, Fitnessräume und Konferenzräume. Die Standardversion des A380 soll auch in der Economy Class mehr Platz für die Beine bieten als ein Jumbo: Die Sitzfläche soll um die Hälfte steigen, die Zahl der Sitze nur um gut ein Drittel. Dank moderner Triebwerke der Hersteller Rolls-Royce und General Electric sowie teils neu entwickelter Baustoffe soll der Jet nur drei Liter Kerosin pro Passagier auf hundert Kilometer verbrauchen.
Über künftige Marktchancen im Segment für sehr große Jets sind sich Boeing und Airbus uneins: Der US-Konzern rechnet vor allem mit Wachstum auf Direktverbindungen - das bedeutet mehr Nachfrage für Flugzeuge bis zu 350 Sitzplätzen, zum Beispiel die Boeing 777 oder 7E7. Auf dem vergleichsweise kleinen Markt für Jets mit mehr als 400 Sitzplätzen sieht sich Boeing mit den aktuellen Versionen der 747 gut aufgestellt. "Der Markt wird zeigen, wer Recht hat", kommentierte Boeing-Vorstandschef Harry Stonecipher die Chancen des A380-Projektes.
Außerdem rechnet das US-Unternehmen mit mehr Frequenzen zwischen großen Drehkreuz-Flughäfen. Ein Blick auf die Flugpläne lässt Zweifel an diesem Argument aufkommen: Flugzeiten für Interkontinentalrouten richten sich wellenförmig vor allem nach der Tageszeit. So konzentrieren sich Abflüge zwischen Südostasien und Europa auf die Nachtstunden - mit Rücksicht auf Anschlussverbindungen und Nachtflugverbote. Zwischen London und Singapur starten am Abend mehrere 747 innerhalb weniger Stunden und fliegen fast in Formation - zu anderen Tageszeiten hebt kaum ein Jet aus Europa Richtung Südostasien ab.
Airbus prognostiziert dagegen Zuwachs sowohl für Strecken zwischen mittelgroßen Flughäfen als auch für Verbindungen zwischen Mega-Drehkreuzen mit 40 Millionen und mehr Passagieren pro Jahr. Seit dem Programmstart Anfang 2001 wurden 149 A380 fest bestellt, der Auftragsbestand bei der Konkurrenz in Seattle sei bis Ende Oktober 2004 hingegen auf nur noch 36 Boeing 747 zusammengeschrumpft.
Dass der Airbus A380 die 747 aus dem Markt drängen wird, glauben die Europäer ironischerweise auch auf Grund der Erfolgsgeschichte des amerikanischen Jumbo-Jets. "Wir werden den gleichen Effekt erleben wie beim Start des 747-Flugbetriebes Anfang der 70er Jahre", ist sich Airbus-Verkaufsdirektor Leahy sicher. Damals habe die 747 innerhalb von sechs bis 18 Monaten an Flughäfen wie London, Hongkong oder New York die 150-sitzige 707 auf vielen Routen verdrängt.
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