Zum Hauptinhalt springen

Das Flugzeug von morgen

Von Anita Ericson

Wissen
© © Eray - Fotolia

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Effizientere Turbinen und revolutionäre aerodynamische Konstruktionen in Kombination mit verfeinerten Flugtechniken sollen den Kerosinverbrauch von Flugzeugen in Zukunft deutlich reduzieren - während die Passagiere immer komfortabler unterwegs sind.

Ein feines 6-gängiges-Abendmenü mit Weinbegleitung, danach ein guter Film. Noch schnell den Liebsten angerufen, und ihm gute Nacht gewunschen - und dann ab ins Bett und mit einer Ganzkörpermassage in den Schlaf geknetet. So schön kann fliegen sein. War so ein Komfort in der Luft lange nur im Privatjet denkbar oder, mit Abstrichen, der ganz teuren First-Class vorbehalten, kann man sich neuerdings auch in der Business-Class quasi ins gemachte Bett legen. Als Beispiel für den neuen Luxus in the air sei hier die Linie Emirates erwähnt, die ihren Business-Passagieren Kojen mit maximaler Privatsphäre (und eigener Minibar!) bietet. Das Highlight ist der Sitz, der sich in vielen Varianten konfigurieren lässt, bis hin zum voll ausgezogenen, zwei Meter langen Bett. Integriert in den Sitz ist eine Massagefunktion, die sich wahlweise auf einzelne Zonen oder auf den ganzen Körper einstellen lässt. Die Wahl fällt schwer, ob man diesen Komfort maximal nutzen oder lieber doch aufbleiben und im ICE Inflight Entertainment Aystem in hunderten von Audio- und Videokanälen surfen möchte. Ganz klar geht der Trend bei allen Airlines in zwei Richtungen: Einerseits ist man bemüht, in der Economy Class möglichst günstige Tickets anzubieten - andererseits weiß man um die Bedürfnisse erstaunlich vieler Fluggäste, die gerne bereit sind, für den vollen Komfort tiefer in die Tasche zu greifen.

Ein neues Stichwort für alle Klassen heißt: Inflight-Connectivity. Das erste Mal auf einem Flug mit dem Handy telefonieren konnten Emirates-Passagiere im März 2008 auf ihrem Weg von Dubai nach Casablanca. Im alltäglichen Flugbetrieb eingeführt wurden Handy und Internet voriges Jahr bei Oman Air. Bei beiden Fluglinien ist das mittlerweile Standard und auch andere Airlines rüsten auf, wie beispielsweise die Lufthansa. Derzeit steht Internet auf zahlreichen Nordatlantik-Flügen zur Verfügung, bis Ende des Jahres soll der Service auf den Großteil des weltweiten Lufthansa-Langstreckennetzes ausgeweitet werden. Weiters wird demnächst auch das Handy nutzbar sein, allerdings nur um SMS und MMS zu senden und zu empfangen - die Möglichkeit mit dem Mobiltelefon tatsächlich zu telefonieren wird auf vielfachen Kundenwunsch technisch unterbunden.Inflight-Connectivity wird in den nächsten Jahren das Fliegen revolutionieren. Man muss man kein großer Prophet sein, um das vorherzusagen.

Sparen im Sinne der Umwelt.

Klimaerwärmung und Treibhausgase haben die Fliegerei in Verruf gebracht. Zudem wird Treibstoff immer teurer und so forschen Flugzeughersteller emsig an neuen Technologien zur Reduktion des Kerosinverbrauchs. Ziel der europäischen Luftfahrtvision 2050 ist es, die CO2-Emissionen um 75 Prozent, den NOx-Ausstoß um 90 Prozent und den Fluglärm um 65 Prozent gegenüber 2000 zu senken und zugleich jährlich 25 Millionen Flüge innerhalb Europas abzufertigen. Außerdem ist vorgesehen, bis 2050 rund 90 Prozent der Reisenden in Eu-

ropa innerhalb von vier Stunden ans Ziel zu bringen. Bei den geplanten Ankunftszeiten sollen Verspätungen von höchstens einer Minute pro Flug erreicht werden. Eine kühne Vision? Nicht, wenn es nach Tom Enders, Präsident und CEO von Airbus, geht: "Mit der Einführung der treibstoffsparenden Technologien in unseren Flugzeugen konnten wir das im letzten Jahrzehnt um 45 Prozent gestiegene Luftverkehrsaufkommen mit nur drei Prozent mehr Flugzeugkraftstoffen bewältigen. Wir werden weiter investieren und Maßnahmen setzen, um Europas führende Stellung im Bereich des nachhaltigen Luftverkehrs in einem sich verändernden wirtschaftlichen und politischen Umfeld zu festigen."

Boeing sowie Airbus setzen dabei aufs Naheliegende: Flugzeuge, die weniger Sprit verbrauchen. Boeings neuer 787 Dreamliner, der seit Dezember 2009 im Testeinsatz ist, wird ganze zwanzig Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als gleich große Flugzeuge - und das bei höchster Geschwindigkeitsleistung und ohne Komfortverlust für die Passagiere. Das ist im Wesentlichen vier Faktoren zu verdanken: neuester Triebwerkstechnologie, moderner Aerodynamik, effizienterem Einsatz von Systemen sowie dem verstärkten Einsatz von leichten Verbundwerkstoffen. So besteht etwa die Hälfte der Primärstruktur der B787 aus Verbundstoffen und alleine durch neue Konstruktionsweisen werden etwa in einer einzigen Rumpfsektion 1500 Aluminiumbleche und bis zu 50.000 Nieten eingespart - und weniger Gewicht bedeutet weniger Verbrauch.

Der Dreamliner ist ein mittelgroßes Flugzeug mit nunmehr großer Reichweite. Das bietet auch die Möglichkeit für mehr Direktverbindungen zwischen mittelgroßen Städten, die sich für Großraumflugzeuge wirtschaftlich nicht rechnen - durch Nonstopverbindungen können die energieaufwendigen Starts und Landungen reduziert werden. Allerdings verzögert sich die Auslieferung des Dreamliner noch bis ins Jahr 2013.

Das ist Konkurrent Airbus, der mit seinem A380 XWB ein neues Flugzeugmodell mit ähnlichen Features entwickelt hat, sehr recht: Dessen Fertigung startete diesen Jänner in Toulouse und die Auslieferung soll ebenfalls im Jahr 2013 erfolgen. Der neue Airbus wird auf hundert Kilometer weniger als drei Liter pro Passagier verbrauchen, eine beachtlich niedriger Wert. Man hat daran gearbeitet, dass das Flugzeug möglichst leise unterwegs ist, und auch sonst einige erstaunliche Features eingebaut. So spüren Sonden Windstöße auf, bevor sie den Flügel erreichen, woraufhin dieser seine beweglichen Teile flugeffizient stellt - genauso wie es viele Vögel tun, die ihre Federn einsetzen, um optimal im Wind zu navigieren.

Forschung für die Zukunft.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist ein wichtiger Partner für die Flugindustrie. Neben Grundlagenforschung wird hier vor allem anwendungsorientierte Luftfahrtforschung betrieben, immer mit dem Ziel vor Augen, den stark wachsenden Luftverkehr effizient, umweltfreundlich und nachhaltig zu gestalten.

Im Projekt OmniTURB etwa forschen die Wissenschafter gemeinsam mit Rolls-Royce an besseren Turbinen und in Zusammenarbeit mit der Technischen Uni Berlin werden Triebwerke auf ihre akustischen und strömungsmechanischen Eigenschaften komplex untersucht. Im institutseigenen Projekt iGreen (integriertes grünes Flugzeug) wiederum werden die aeroelastischen Auswirkungen verschiedener Bauteile für zukünftige treibstoffsparende, also "grüne", Flugzeuge untersucht. Dazu zählen große Triebwerke, schlankere Flügel mit Laminarprofilen sowie neue Steuerflächen. Die Vorab-Untersuchung ist deswegen so wichtig, weil neue Bauteile unvorhergesehene Wechselwirkungen bis hin zum gefährlichen Flattern mit der umströmenden Luft eingehen können. Etwa der Laminarflügel, der aufgrund seines Profils von der Luft gleichmäßig und enganliegend über fast den gesamten Flügel umströmt wird. Er verspricht geringeren Luftwiderstand und damit weniger Treibstoffverbrauch im Gegensatz zu normalen Flügeln, wo es bereits an der Vorderkante zu turbulenten Verwirbelungen kommt, die dessen Wirksamkeit beeinträchtigen. Aber die Vorteile in der Aerodynamik könnten unbekannte Auswirkungen mit sich bringen: "Das Schwingungsverhalten eines solchen Flügels in der Luft ist bislang noch nicht erforscht worden", sagt Dr. Ralph Voß vom Göttinger DLR-Institut für Aeroelastik. Darum untersucht man bei iGreen diese Effekte nun mittels Computersimulationen sowie im Windkanal.

Eine andere Forschergruppe beschäftigt sich derzeit mit einem weiteren vielversprechenden Konzept für künftige Luftfahrzeuge: den Nurflüglern. Sie ähneln optisch einem Rochen, was ihre Auftriebseigenschaften optimiert. Das verwendete Modell des Nurflüglers basiert auf einem Entwurf, der im Rahmen des EU-Projekts Nacre (New Aircraft Concepts Research) entwickelt wurde. Es handelt sich um ein Großraumflugzeug für lange Strecken mit Platz für bis zu 750 Passagiere. Bei einer Länge von 65 Metern, einer Spannweite von fast 100 Metern und einer Höhe von 19 Metern beträgt die maximale Abflugmasse etwa 700 Tonnen. Die vier Triebwerke sorgen für einen Schub von insgesamt 1425 Kilonewton. Getestet wird das von vielen als Passagierflugzeug der Zukunft gepriesene Modell bei DLR im Flugsimulator.

Flugtechnik.

Bessere Flugzeuge zu bauen ist aber nur eine Möglichkeit. Beim DLR bestätigt man eine Vielzahl an Optionen, die potenziell zu einer Minderung der Klimawirkung des Luftverkehrs führen können. Neben der Flugzeugkonstruktion selbst sind das vor allem Verbesserungen bei der Flugführung und Routenwahl. Regionen, die besonders zur Kondensstreifenbildung führen, können beispielsweise über- oder unterflogen werden. Überhaupt liegt in der variablen Reiseflughöhe ein gewisses Energiesparpotenzial: Winde in höheren oder tieferen Schichten könnten genutzt werden, genauso könnte die Reiseflughöhe dem Gewicht der Maschine angepasst werden, das ja im Laufe eines Fluges durch den Treibstoffverbrauch immer geringer wird; optimalerweise müsste das Flugzeug dann etwas höher fliegen. Das Problem dabei war stets, dass es vor allem über dem offenen Meer keine verfügbaren Radarsysteme gibt, die zuverlässige Daten über die anderen Flugzeuge liefern können, die im Umkreis gleichzeitig unterwegs sind. Vor zwei Jahren hat nun SAS Scandinavian Airlines gemeinsam mit Airbus eine neues Computersystem ausprobiert, das mit neuen Überwachungstechnologien dem Piloten die notwendigen Infos liefert.

Weiters hat man bei SAS ein neues kontinuierliches Sinkflugverfahren eingeführt, das bei einer einzigen Landung 150 Kilo Kerosin und damit rund 470 Kilo CO2 einspart. Beim sogenannten continuous descent approach (CDA) beginnt der Anflug bereits 42 Minuten vor der Landung. Statt wie bisher mit voller Geschwindigkeit zu sinken, nur um dann doch noch den Flughafen bis zur genauen Ankunftszeit zu umkreisen, wird beim CDA eine Art Gleitflug mit niedrigen Triebwerksumdrehungen und damit reduzierter Lärm- und Emissionsbelastung eingeleitet. Das funktioniert nur durch die erweiterte Kommunikation von Bordcomputer und Computer der Flugsicherung - so kann das Flugzeug im Idealfall die gesamte Strecke von der Reiseflughöhe bis zur Landebahn schweben.

CDAs sind jedoch nur dann wirklich effektiv, wenn während des Sinkfluges keine zusätzlichen Anweisungen der Flugsicherung befolgt werden müssen - was aber in Spitzenzeiten an großen Verkehrsflughäfen momentan nicht möglich ist. Daher werden die umweltfreundlicheren Landeanflüge bisher zu verkehrsarmen Zeiten, wie beispielsweise in der Nacht, durchgeführt. Allerdings arbeiten die Wissenschafter des DLR gerade an einem Assistenzsystem für Fluglotsen, das auch dieses Problem bald aus der Welt schaffen sollte.