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Das freie Spiel der Ideen

Von Alexandra Grass

Wissen
Der Weg zum Medikament dauert oft Jahrzehnte.
© Fotolia/PhotoSG

Gerade in der Krebsmedizin kommt der Grundlagenforschung eine besonders wichtige Rolle zu.


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Wien. Medizinische Innovationen haben ihren Ausgangspunkt im Labor, kommen allerdings erst am Krankenbett zum Tragen. Dieser oft Jahrzehnte in Anspruch nehmende Weg bis zu einem wirksamen Produkt ist aber häufig kein direkter. Viele Ideen von Grundlagenforschern landen in einer Sackgasse. Nicht so beim US-Immunologen James P. Allison. Er gilt als Vater jener Behandlungsmethode, die seit geraumer Zeit unter dem Begriff Immuntherapie eine viel zitierte Revolution in der Krebsbehandlung ausgelöst hat.

Ob sich aber aus einem Forscherleben ein Durchbruch ergibt, resultiert letzten Endes aus einem freien Spiel der Ideen, betonten am Mittwochabend Experten des Comprehensive Cancer Center (CCC) Wien der MedUni und des AKH in einem Hintergrundgespräch. Für dieses "freie Spiel der Ideen" der Grundlagenforscher bedarf es aber einer finanziellen Basis, die derzeit, wenn man sich die Entwicklung der heimischen Förderlandschaft anschaut, wegzubrechen drohe, präzisierte Walter Berger, Molekularbiologe am Institut für Krebsforschung. Dies gehe auf Kosten neuer Möglichkeiten für den einzelnen Patienten. Und gerade in seinem Fach, der Onkologie, sei die Grundlagenforschung die Basis für die Entwicklung neuer, wirksamer Therapien.

Unis forschen unabhängig

"Nur ein integrativer Ansatz, der die komplette Entwicklungsschiene von der ersten Idee bis zum fertigen Medikament umfasst, führt zum Erfolg", betonte der Experte. Um diesen breiten Bogen bewerkstelligen zu können, entstehen nach und nach neue Kooperationen. Die Errichtung eines eigenen Forschungscampus von Meduni Wien und AKH Wien könnte gute Voraussetzungen für die Übersetzung der grundlagenwissenschaftlichen Ergebnisse in die Klinische Forschung schaffen, betonte Bernhard Keppler, Dekan der Fakultät für Chemie der Uni Wien und Leiter der Plattform "Translational Cancer Therapy Research".

Die beiden Wissenschafter heben gerade die universitäre Forschung als große Kraft hervor. Denn die Industrie agiere anlassgebunden und werde sehr von kommerziellen Argumenten gesteuert. Die Universität biete im Gegensatz dazu Unabhängigkeit, die es ermöglicht, Nischenthemen aufzuschnüren, wie sie gerade in der Krebsmedizin von besonderer Bedeutung sind. Je spezifizierter Tumoren eingeteilt werden, umso kleiner werden die Patientengruppen. Während ein Lungenkrebs den Pharmafirmen in die Hände spiele, würden besonders seltene Tumoren im Kindesalter eher stiefmütterlich behandelt. Der Ausweg in der Klinik sind Studien mit vielversprechenden Off-Label-Präparaten - darunter fallen neue Wirkmechanismen aber auch der Einsatz außerhalb der Zulassung.

Gerade im Bereich der Phase-I-Studien sei die klinische Forschung gut aufgestellt, betonte Markus Zeitlinger, Leiter der Uniklinik für Klinische Pharmakologie - noch. Denn immer mehr Zentren würden aufgrund mangelnder Infrastruktur dafür nicht bereit stehen - wodurch sich die Patientenzahlen in möglichen Studien verkleinern und die Pharmaindustrie abwinke. Doch: "Wenn wir einmal von der Landkarte verschwinden, sind wir weg", warnt Zeitlinger vor einem Rückzug der Industrie in andere Staaten. Angestrebt wird ein Verbund von industrienaher Forschung und Entwicklung unter akademischer Leitung.