Die unmittelbare klimapolitische Bedeutung der G7-Erklärung sollte nicht überwertet werden. Doch sie zeigt: Das Ende des fossilen Zeitalters naht.
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2009, Erklärung des G8-Gipfels von Aquila: ". . . anerkennen die Notwendigkeit, dass die globale Durchschnittstemperatur um nicht mehr als 2 Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau ansteigen sollte."
2010, G8-Erklärung von Muskoka:
". . . bestätigen das 2-Grad-Ziel."
2015, G7-Erklärung in Schloss Elmau: ". . . im Einklang mit dem globalen Ziel, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur unter 2 Grad zu halten."
Ähnlich wie bei vielen UN-Klimakonferenzen wirken auch die Erklärungen der G7- beziehungsweise G8-Gipfel wie Déjà-vus. Schon vor dem großen Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 bekannten sich die G8 zum 2-Grad-Celsius-Ziel. Aber ein genauerer Blick zeigt, dass das jahrelange Scheitern in der Etablierung und Umsetzung verbindlicher Treibhausgasreduktionsziele immer tiefere Einschnitte in die Art des Wirtschaftens notwendig macht. Es geht um nichts weniger als - wie es die G7 heuer erstmals feststellten - eine "Dekarbonisierung der Weltwirtschaft".
Ungeachtet einer - im Gegensatz zu den Finanzierungsansagen der G7 - konkreten Evaluierung dieser Zielsetzung ist die Forderung nach "Dekarbonisierung" just in Zeiten, in denen Kapitalmärkte erstmals unmittelbar Teil der klimapolitischen Auseinandersetzung geworden sind, ein relevantes Signal. Denn parallel zum politischen Prozess im Vorfeld der Klimakonferenz Anfang Dezember in Paris sorgt die "Divestment"-Bewegung für neue Impulse. Immer mehr Institutionen - vom Norwegischen Pensionsfonds über die Rockefeller Brothers Stiftung bis hin zur Church of England oder der Stanford University - schließen sich dem Bestreben an, zumindest aus Teilbereichen der fossilen Energiegewinnung auszusteigen. Insbesondere auf Basis der treibhauswirksamen Ausbeutung der Kohlereserven wollen viele keine Profite mehr machen. Der Grundgedanke von "Fossil Divestment" baut auf der Erkenntnis auf, dass mehr gesicherte fossile Reserven verfügbar sind, als wir im Sinne des 2-Grad-Ziels verbrennen dürfen. Mindestens ein Drittel der Ölreserven, die Hälfte der Gasreserven und mehr als 80 Prozent der Kohlereserven müssen bis 2050 im Boden bleiben. Auch die Internationale Energie-Agentur verweist darauf, dass ohne massive Kurskorrektur das Ziel unerreichbar ist und wir auf eine verheerende Erwärmung um mindestens 3,6 Grad zusteuern.
Angesichts von Billionen-Summen, die aktuell auch in Europa in der weltweiten Ausbeutung fossiler Energiereserven angelegt sind, kann "Divestment" ein zentraler Hebel für eine stärkere Klimaschutzorientierung des Kapitalmarkts sein. Es braucht auch klare politische Signale, das Ende des fossilen Zeitalters einzuläuten. Insofern ist die G7-Erklärung ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen: etwa der konsequente Ausstieg aus öffentlichen Beihilfen für fossile Energie, ein klimagerechtes Steuer- und Preissystem und die schrittweise Transformation unserer Wirtschaft unter Berücksichtigung der ökologischen Tragfähigkeit und deren Grenzen. Viele andere Punkte in der ebenso stark wachstums- und freihandelsorientierten G7-Erklärung sind ein Indiz dafür, dass dies noch nicht vollständig verinnerlicht wird. Aber das wäre vielleicht auch zu viel erwartet gewesen.