Rund um den EU-Gipfel zur Gaskrise stauen sich LNG-Tanker vor den Häfen und können nicht entladen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das ist in der Tat skurril. Während die EU-Spitzen abermals um einen gemeinsamen Ausweg aus der Energie- und Gaskrise ringen, stauen sich die LNG-Tanker vor Spaniens und Portugals Küsten. Aber auch im Mittelmeer und vor deutschen und britischen Häfen warten die Schiffe darauf, anzudocken. Der Grund: Sie finden keine freien Terminals zum Entladen ihres Flüssiggases.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf Analystenberichte bezieht, lagen zuletzt mehr als 30 mit Flüssiggas beladene Schiffe vor Spanien. Andocken können sie aber nicht, weil die Entladeslots derzeit ausgebucht sind. Und auch, weil Spanien dieses Gas aktuell nicht braucht. Die dortigen Gasspeicher sind zu 93 Prozent befüllt, und die Industrie hat wegen der hohen Energiepreise die Fertigung in manchen Bereichen heruntergefahren. In andere EU-Länder kann das LNG aber auch nicht befördert werden.
Keine Leitung in den Osten
Spanien und Portugal sind nicht an das europäische Pipeline-Netz angeschlossen und beziehen traditionell LNG aus den USA, Algerien und Nigeria. Allein Spanien verfügt über ein Drittel aller EU-LNG-Terminals und verwaltet 44 Prozent der LNG-Speicher. Weil aber eine Verbindung in die restlichen EU-Staaten fehlt, kann das dort abgeladene Flüssiggas nicht weitertransportiert werden.
Deutschland, Belgien und auch Spanien drängen schon länger auf eine Gasverbindung mit Frankreich. Darüber könnte Spanien eigenen Angaben zufolge ein Drittel des europäischen Gasbedarfs decken. Frankreich ist allerdings dagegen, weil es selbst nicht zu einem Gasumschlagplatz und Gasimporteur werden möchte und im Energiemix Atomenergie und Erneuerbare setzt.
Deshalb stockt auch der Bau der Pyrenäen-Pipeline Midcat zwischen Spanien und Frankreich. Auf der spanischen Seite ist die Röhre - 106 Kilometer bis Hostalric - fertig. In Frankreich fehlen aber 126 Kilometer. Das Projekt wurde 2017 eingestellt - mit dem Argument, dass es nicht rentabel sei. Als Ausweichroute ist eine 700 Kilometer lange Leitung von Barcelona nach Livorno in Italien im Gespräch, die dort an das europäische Gasnetz angeschlossen würde.
Speicher sind überall voll
Aber auch im Rest Europas ist LNG derzeit nicht ganz so begehrt, wie es im August noch der Fall war. Die EU-Speicher sind zu 90 Prozent voll, in Österreich sind es laut dem am Donnerstag vorgestellten Energie-Dashboard 87 Prozent. Zudem ist der diesjährige Herbst sehr mild und die Industrie geht mit der knappen und teuren Ressource Gas in allen EU-Ländern äußerst sparsam um. Wie viel LNG nach Österreich gelangt, ist übrigens nicht bekannt. "Das Gas hat kein Mascherl", sagt Armin Teichert von der Gas Connect Austria. Das LNG kommt wieder in Gasform über die Pipelines etwa zusammen mit dem russischen Gas ins Land.
Das hat zuletzt auch den Gaspreis spürbar sinken lassen - trotz stark gedrosselter Gaslieferungen aus Russland (siehe Grafik). Derzeit kostet eine Megawattsunde Gas im Großhandel rund 74 Euro. Im August waren es zeitweise 350 Euro. Und auch der Strompreis ist von 780 Euro pro Megawattstunde Ende August auf 166 Euro im Großhandel gefallen.
Doch die Preise sind nach wie vor deutlich höher als vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und heizen weiter die Inflation an. Deshalb rechnen Ökonomen auch mit einer Rezession in der EU. Und auch für die europäische Industrie sind hohe Energie- und damit Fertigungskosten fatal.
Tanker warten nicht ewig
Deshalb beraten die EU-Länder nun weiter über einen verpflichtenden gemeinsamen Gaseinkauf aller EU-Länder, um sich am Energiemarkt nicht gegenseitig auszuspielen und die Preise hochzutreiben. Dafür fehlt es aber auch an Pipeline-Infrastruktur, die nicht nach Russland ausgerichtet ist, sondern in Richtung der westlichen EU-Häfen.
Dass es sich vor den EU-Küsten derzeit staut, könnte aber auch daran liegen, dass einige Tanker wohl noch mit dem Einbuchen von Slots auf einen etwas höheren Großhandelspreis und sinkende Temperaturen warten. Außerdem ist die LNG-Nachfrage in China deutlich zurückgegangen. Das Land bezieht einerseits immer mehr Gas aus Russland, anderseits ist das Wirtschaftswachstum für chinesische Verhältnisse deutlich zurückgegangen. Sollten die Schiffe aber bald keine Abnehmer finden, werden sie wohl andere Häfen - außerhalb der EU - ansteuern. Das wäre inmitten der Energiekrise kein gutes Signal.