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Europa blickt gebannt auf eigene Versorgung. | Moskau will Hegemonie sichern. | Brüssel/Moskau. Gleich zu Beginn der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist Europa mit einer Krise konfrontiert: Kommissar Andris Piebbalgs will am Mittwoch mit Energievertretern der 25 EU-Staaten über die Auswirkungen des russisch-ukrainischen Gas-Streits auf die europäischen Märkte sprechen.
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Vorläufig beschränken sich die Europäer auf mahnende Worte an beide Seiten. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner forderte die Streitparteien zu einer Einigung auf, die EU-Kommission zeigte sich "besorgt".
Westeuropa starrt dabei wie gebannt auf die eigene Gasversorgung, wie auch aus einem gemeinsamen Brief der Energieminister Österreichs, Italiens, Frankreichs und Deutschlands hervorgeht, in dem diese auf die Sicherstellung der Lieferungen drängen. Drohungen Richtung Moskau - immerhin kommen rund 80 Prozent aller Investitionen in Russland aus europäischen Ländern - wurden bisher vermieden.
Druck vor den Wahlen
Die guten wirtschaftlichen Kontakte sollen durch den Konflikt offensichtlich nicht gefährdet werden, auch wenn man nach der "orangen Revolution" unter Wiktor Juschtschenko die Hinwendung der Ukraine zum Westen mit Freude begrüßt hat. Genau diese Revolution war freilich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Dorn im Auge.
Der jetzige Kampf um den Gaspreis ist aber weit mehr als späte Rache, sondern ist in die Zukunft gerichtet. Im März stehen in der Ukraine Parlamentswahlen an. Die Regierung in Kiew soll diskreditiert werden, so die übereinstimmende Meinung von Beobachtern. Manche orten sogar eine neue Allianz zwischen Moskau und der ukrainischen Ex-Premierministerin Julia Timoschenko. Diese wurde - nicht zuletzt auf Druck Russlands - abgesetzt und will nun bei den Wahlen gegen Juschtschenkos Partei antreten.
Ein altes Ermittlungsverfahren gegen sie haben die Russen bereits eingestellt. Sie wollen nicht nur auf die Innenpolitik der Ukraine Einfluss nehmen, sondern auch ihre Beziehungen mit Europa torpedieren - sie sei ein unsicherer Partner, weil sie die Gaslieferungen gefährde.
Politik mittels Monopol
Darüber hinaus nutzt die die russische Regierung ihren 51-Prozent-Anteil an dem mächtigen Gazprom-Konzern aber auch für Hegemonialstreben in der gesamten Region. Auch der neuerdings westlich orientierten Republik Moldau wurde der Preis für Gaslieferungen auf 160 Dollar pro 1000 Kubikmeter verdoppelt, im autoritär regierten und moskau-treuen Weißrussland bleibt der Preis bei 47 Dollar. Dies verträgt sich nur wenig mit den Versicherungen der Gazprom, sich an marktwirtschaftlichen Kriterien zu orientieren.
Schon eher zu kapitalistischem Streben passt der Versuch, im Gebiet der ehemaligen Sowjetrepubliken eine Monopolstellung aufzubauen. Mit dem an der Grenze zum Iran gelegenen Turkmenistan wurde bereits umfangreiche Lieferverträge ausgehandelt. Auch die Ukraine hoffte zwar auf ihre Verträge über turkmenisches Erdgas, es ist aber unklar, ob durch die Lieferungen nach Russland noch genug für dessen Konfliktpartner über bleibt. Zudem führen die Pipelines in die Ukraine über russisches Gebiet. Gazprom hat bereits einen Stopp für das Transitgas bekannt gegeben.
Abhängigkeit der EU wächst
Dieses Streben nach einem osteuropäischen Gasmarkt in einer Hand müsste Europa - auch abseits von Fragen der Demokratiepolitik - bedenklich stimmen. Die jetzt schon große Abhängigkeit von Gazprom-Importen könnte noch weiter wachsen. Ungeachtet vieler Vorstöße hat es aber bisher nicht einmal zu einer gemeinsamen Energiepolitik innerhalb der EU selbst gereicht, die eine bessere Sicherung der eigenen Energieversorgung gewährleisten soll.
Stattdessen vertraut man Putin als Partner. Der hatte versprochen, in der Gruppe der acht wirtschaftsstärksten Länder, der G-8, für mehr Energiesicherheit zu kämpfen. Den G-8-Vorsitz hat Russland am 1. Jänner übernommen - dem Tag, als der Ukraine der Gashahn abgedreht wurde.