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"Ich war einer der letzten Live-Rock’n’Roller , jetzt kommt in allen Parteien die Playback-Generation." Mit dieser Selbstbeschreibung verabschiedete sich vor Jahren Joschka Fischer aufs politische Altenteil. Angesichts seiner Vita, die Fischer vom mit der Attitude der Straßenkämpfer kokettierenden 68er als ersten Grünen bis ins Amt des Vizekanzlers und Außenministers der Berliner Republik führte, ist der erste Teil durchaus treffend. Was das Zitat so bezeichnend macht, ist aber die mitschwingende Verachtung für die neue Generation. Die Geringschätzung von Nachfolgern durch ihre Vorgänger ist wohl unvermeidlich, bedenkt man, dass zum Beruf des Politikers auch ein gutes Maß an missionarisch unterlegter Eitelkeit gehört.
Verhältnismäßig neu ist dagegen die beinahe allgegenwärtige mediale Verachtung für die Demokratiefunktionäre. Dabei mag die Quantität der Sozialen Medien eine neue Qualität bieten, die Fundamente dafür wurden aber noch analog gelegt. Nicht von allen Medien und überall, aber eben doch von sehr vielen sehr häufig. Wer jetzt erschrocken um sich blickt und reihum nur noch Trump, Sanders, Orban, Strache, Le Pen, Wilders, Grillo oder Wagenknecht und Petry, also -bei allen sonstigen Unterschieden - allesamt wütende Agitatoren gegen den Status quo erblickt, sollte deshalb auch diese Entwicklung der Verächtlichmachung kritisch reflektieren.
Dass Politik ein einfaches Geschäft sei, ist eines der hartnäckigsten Fehlurteile. Das Gegenteil ist wahr. Und die Widerständigkeit gewachsener und in ihren Gesellschaften verankerten Demokratien gegen einfache und radikale Veränderungen ist, anders als derzeit so viele zu wissen glauben, keine Fehlkonstruktion, sondern ein beabsichtigter Entschleunigungsmechanismus. Bestehendes zu schützen, ist nicht zwingend reaktionär, Stabilität ein hohes Gut und Demokratie kein Mittel zum Zweck der Revolution.
Veränderungen müssen trotzdem sein. An ihnen zeigt sich, ob und wie sehr eine Gesellschaft bereit und fähig ist, auf Neues zu reagieren und den sozialen Zusammenhalt sicherzustellen.
In der Regel, man denke nur an die Petitesse der heimischen Gewerbeordnung, erweist sich das als mühsamer als erwartet. In solchen Fällen zahlt sich Hartnäckigkeit aus. Die beteiligten Politiker zu Versagern abzustempeln, niederzuschreiben und verächtlich zu machen, dagegen sicher nicht.