Ein SPÖ-Bürgermeister, der ein geplantes Mega-Casino geheim halten wollte, ein Grüner, der das Schweigen brach. Ein Lokalaugenschein nach dem "Tsunami" im Land der Windräder.
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Bruck a.d. Leitha. "Am Freitag ist ein medialer Tsunami über uns gezogen", sagt der Ortschef der Grünen, Roman Kral, während sich die Windräder in der Ebene um Bruck an der Leitha gemächlich drehen. Kral hat den Tsunami selbst losgetreten. Er hat in der "Wiener Zeitung" erstmals das Schweigegelübde gebrochen, das SPÖ-Bürgermeister Richard Hemmer seinen Gemeinderäten abnahm. Heute nennt Kral es "Maulkorb", den er nicht mehr bereit war, zu tragen. Was ist das Geheimnis von Bruck?
Leuchtturmprojekt mit viel Bling-Bling
Das Projekt: Kral hat Details eines Megacasinos der Novomatic-Tochter Admiral am Rande der 8000-Seelen-Gemeinde enthüllt. Lage: zwei Kilometer außerhalb des Brucker Stadtkerns in einer Wirtschaftsförderzone des Landes Niederösterreich (Eco-Plus). Die Kunden: Direkt gelegen an der A4 Ostautobahn soll es neben Wienern und Niederösterreichern jene Ungarn und Slowaken anlocken, die derzeit in großer Zahl vorbeidüsen und bestenfalls in Parndorf stehen bleiben, um ihr Geld loszuwerden.
Die Dimension: Novomatic plant 26 Spieltische, eine beträchtliche Anzahl an Automaten und ein Hotel mit 20 Stockwerken. Dieser mit leuchtenden Jetons verkleidete Hoteltower würde die Windräder und Raiffeisen-Silos, die bisher das flache Land dominieren, locker überragen: Egal ob vom Leithagebirge oder vom Flugzeug im Landeanflug auf Wien aus: Das "Admiral Casino Bruck" wäre das neue Wahrzeichen der Region. Dieses Leuchtturmprojekt im wahrsten Sinne des Wortes verhandelt Bürgermeister Hemmer mit Novomatic seit 1,5 Jahren hinter verschlossenen Türen. Mitte Mai weihte er die Gemeinderäte ein, verpflichtete sie aber zum Schweigen.
"Vertraulich ist vertraulich. Es gab bisher keine Notwendigkeit, die Bevölkerung zu informieren, weil die positiven Effekt auf der Hand liegen", sagt Hemmer zur "Wiener Zeitung". Bei der Vorabinfo des Gemeinderats seien über 90 Prozent für das Projekt gewesen. "Wir sind gewählte Repräsentanten der Bürger. Als solches sind wir nicht aufgerufen, alle Projekte mit der Bevölkerung abzustimmen. Das gilt auch für so weit reichende Projekte wie dieses." Wäre es nach ihm gegangen, hätte die Vertraulichkeit wohl bis zur Konzessionsvergabe für die neuen Casinos gegolten. Es ist nämlich noch ein heißer Poker, ob Bruck den Zuschlag für das Casino überhaupt bekommt. Um eine neue Bauerlaubnis für ein Casino in Niederösterreich rittern auch die Casinos Austria mit einem Projekt für Krems. Entscheiden wird die SPÖ-Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl im Finanzministerium - wenn Hemmer recht behält, am 27. Juni.
Die einen können es gar nicht mehr erwarten . . .
"Das Casino soll unbedingt kommen", kann es Ibrahim Ulusoy gar nicht mehr erwarten. Er betreibt einen Imbissladen im Eco-Plus. "Wenn die Leute von der Autobahn abfahren und hier spielen, fällt auch für uns etwas ab." Zehn Jahre hatte er sein Geschäft im Ortskern, aber seit fünf Jahren ist er im Wirtschaftspark und bedient die Kunden von New Yorker, Möbelix oder Spar. "Es zieht alles hier raus. Was soll ich machen, wenn die Innenstadt tot ist?" Genau diese Wirtschaftsbelebung erwartet sich Hemmer vom Casino. Einerseits erwartet er 200 neue Jobs direkt im Casino. Andererseits sollen die Hotelgäste die Region beleben. Doch das überzeugendste Argument bleibt am Ende immer das Geld. Und das soll reichlich fließen: Mindestens eine Million Euro Standortabgabe und 400.000 Kommunalsteuer verspricht sich die Gemeinde laut Kral. In 15 Jahren wäre das ein ganzes Jahresbudget der Gemeinde Bruck an der Leitha. "Die Steuer fließt ab dem ersten Tag der Inbetriebnahme", versichert Hemmer. Was haben die Leute davon?
. . . die anderen sind skeptisch
Sehr viel, meint Hemmer. Er will damit unter anderem den historischen Stadtkern mit der mächtigen Stadtmauer erhalten. Rita Fehringer und ihre Tochter Irene sind nicht so überzeugt wie Herr Ulusoy draußen im Ecoplus. "Wer dort spielt, fährt nicht in die Stadt." Frau Fehringer sieht drängendere Probleme in Bruck als ein Casino: "Das Leben als Alleinerzieherin ist nicht leicht hier." Sie stört es, dass es noch immer Sozialwohnungen mit Klo am Gang gebe, ihre Tochter stört, dass die Gemeinde noch immer keinen besseren Ort für das Jugendzentrum gefunden habe als einen Container. Mit dem Steuermillionen-Jackpot aus dem Casino wird alles besser, glaubt man den Bürgermeister aus dem Off zu hören. "Die nehmen das Geld doch ohnedies für etwas anderes", traut Frau Fehringer den Versprechungen nicht. Sie selber hat nie gespielt, obwohl sie gegenüber eines kleinen Spielsalons der Casinos Austria im Ort wohnt. "ich verdiene nicht sauer mein Geld, damit ich es ihnen hintrage".
Die ÖVP in Bruck an der Leitha ist eindeutig für das Projekt. Der ÖVP-Wirtschaftsstadtrat Alexander Petznek übt trotzdem Kritik an der Vorgangsweise. "Mich ärgert am meisten, dass man uns nicht von Anfang an eingebunden hat und dass der Bürgermeister alleine im stillen Kämmerlein verhandelt hat." Steuern müsste jeder zahlen, das seien keine Zuckerln eines Konzerns. Vielmehr hätte man zusätzliche Transferzahlungen für die Innenstadt ausverhandeln können. Nun könnte der Zug aber abgefahren sein. Oder doch nicht? Wer bei Novomatic nachfragt, bekommt garantiert keine Auskunft. Denn wenn es ums Glücksspiel geht, gilt von Bruck bis Bregenz noch immer: Reden ist Silber, schweigen ist Jackpot.