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Das geht uns alle an

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Schärfere Gesetze gegen "Hass im Netz" allein reichen nicht. Die Täter müssen Widerstand von allen spüren.


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Es gibt und gab sie gegen Integrationsministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer, der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer ist genauso betroffen wie Justizministerin Alma Zadic, Ibiza-Darsteller und Bin-wieder-da HC Strache sowie Bundeskanzler Sebastian Kurz. Und das ist nur eine höchst unvollständige Auflistung von Betroffenen aus der Spitzenpolitik.

Die Rede ist von Morddrohungen gegen Politiker, meist anonym versandt per Post oder via Social Media. Die allermeisten stellen sich bei Überprüfung als hirnloser Wutanfall ohne Tatabsicht heraus. Daraus ein "Alles ganz harmlos" zu konstruieren, ist aber unzulässig. Zu viele, die tatsächlich zu Attentäter werden, haben irgendwann zuvor bereits ihrer Aggression in Blogs, Postings, Briefen oder Videos freien Lauf gelassen. Und so sicher wie das Amen im Gebet folgt dann eine Debatte, warum bloß die Sicherheitsbehörden nicht rechtzeitig einschritten, um die Tat zu verhindern.

Die Verrohung der Sprache, die verbale und nonverbale Aggression, die nicht nur, aber eben doch vor allem auch Politikerinnen und Politikern entgegenschlägt, wobei die Branche selbst einen beträchtlichen Beitrag dazu leistet, ist beileibe kein neues Phänomen. Aber die Allgegenwart und unmittelbare Verfügbarkeit der Sozialen Medien erhöht die Chance, dass - unter direkter Ausschaltung jeder Vernunft - ein Wut-Impuls umgehend in ein Wut-Posting mündet: Emotion getriggert, Reaktion getwittert. Der öffentliche und parteiübergreifende Aufschrei dagegen ist in Wirklichkeit hartnäckig zu leise. Einfache Lösungen, die wirken, sind nicht in Sicht. Morddrohungen sind bereits strafbar. Weitere Verschärfungen (Stichwort: "Hass im Netz") wurden dutzende Mal angekündigt - unter anderem am Donnerstag -, im Sommer soll es endlich einen konkreten Gesetzesentwurf für eine bessere strafrechtliche Handhabe gegen rhetorische Amokläufer geben.

Das Strafrecht kann hier aber nur ein Instrument der Nothilfe, der gesellschaftlichen Notwehr sein. Es gibt leichtere Gratwanderungen in einem liberalen Rechtsstaat, als mit dem Recht gegen Worte vorzugehen. Weit wirksamer wäre es, wenn das eigene Umfeld den Verbal-Aggressoren mit Widerstand und Widerrede dagegenhielte. Von Angesicht zu Angesicht im Wirtshaus oder am Arbeitsplatz und im Netz in den öffentlichen Foren. Das hilft zugegeben nicht gegen gezielt vorgehende Aktivisten und Menschen, die sich mit ihresgleichen in eigenen Echokammern radikalisieren. Aber es zeigt hoffentlich allen anderen, dass ihr Tun nicht achselzuckend hingenommen wird.