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Das gelbe Monster

Von Uschi Schleich

Reflexionen

Er sitzt tief wie ein Stachel. Er kann giftig, zerstörerisch und quälend sein. Er ist eine Todsünde. Aber vor allem ist er ein hilfreiches Signal. Der Neid.


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Was haben Neid und Sex gemeinsam? Etwas gänzlich Profanes: Beide verkaufen sich gut. Die Titelseiten der Hochglanzmagazine beweisen das Woche für Woche und Monat für Monat. Da werden in regelmäßigen Abständen die zehn reichsten Österreicher portraitiert, da wird aufgezeigt, wie viel Ärzte verdienen oder wer in den chicsten Boutiquen des Landes Sonderstatus genießt. Da grinst dann vom Cover eines Nachrichtenmagazins irgendein zigarrerauchender Neu- und Erfolgreicher und sorgt mitsamt der Headline "Wie viel verdient dieser Mann?" für die erhoffte Auflage. So einfach geht das. Neid ist ein Gefühl mit extremer Wirkung und kaum jemand bleibt davon verschont. Sie meinen, Sie kratzt so was nicht? Sie haben noch nie die Luxuslimousine, das fette Gehalt oder den perfekten Waschbrettbauch Ihres Kollegen begehrt? Sie haben Ihrer Freundin noch nie den gut dotierten Job, die Modelfigur oder den intellektuellen und trotzdem gut aussehenden Mann geneidet? Dann sind Sie ein beneidenswerter Mensch. Und höchstwahrscheinlich sehr zufrieden.

Glück und Zufriedenheit. In Wirklichkeit wird dem Nachbarn gar nicht sein tolles Auto oder die Prachtvilla geneidet, weiß der Psychologieprofessor Rolf Haubl: "Wir neiden dem anderen das Ansehen, das Glück und die Zufriedenheit. Andere glücklich und zufrieden zu sehen, ohne es selbst zu sein, stellt unseren Neid auf die härteste Probe." In seinem Bestseller "Neidisch sind immer nur die anderen" appelliert Rolf Haubl an die Leser, Gefühle der Unzufriedenheit und des Neides nicht zu unterdrücken oder gar zu verteufeln, sondern sie als Chance zu begreifen, uns besser kennen zu lernen. "Der Neid liefert uns Aufschluss über unseren Selbstwert und er regt uns an, zu überprüfen, ob unsere Ziele, die wir im Leben verfolgen, angemessen sind. Er zeigt uns, ob wir nicht einen anderen Lebensentwurf ausprobieren sollten, der uns vielleicht glücklicher und zufriedener macht."

Wenn das denn so einfach wäre. Viele sind sich ihrer Neidreaktionen gar nicht bewusst, weil sie das unangenehme Gefühl verdrängen. Wer ist schließlich schon gern neidisch? Die Schweizer Psychologin und Psychotherapeutin Verena Kast hat untersucht, hinter welchen psychischen Phänomenen sich Neid verbergen kann. "Bei plötzlichen, nicht erklärbaren Stimmungsumschwüngen können verdrängte Neidgefühle eine Rolle spielen", schreibt sie in ihrem Buch "Neid und Eifersucht". Besonders dann, wenn Menschen von sich sagen, sie fühlen sich plötzlich so leer, lohne es sich, nach Neidgefühlen zu fragen, weiß die Psychotherapeutin.

Ein Stich von Missvergnügen. Neid ist ein Gefühlsmix aus Trauer, Wut und Hass. Unangenehm fühlt er sich in jedem Fall an. Neid wird als ein Stich von Missvergnügen erlebt, da, wo man sich eigentlich freuen möchte. Wenn die beste Freundin vom Friseur kommt und einfach nur wow! aussieht, wäre doch gemeinsame Freude angesagt, oder? Blöd nur, wenn ihr neuer Haarschnitt genau derjenige ist, den man selbst schon oft ausprobiert hat, der am eigenen Kopf aber immer nur megadoof aussieht, sie mit ihrem kleinen Po in jeder Jean einfach klasse wirkt, noch nie in ihrem Leben mit Pickeln im Gesicht zu kämpfen hatte und die Karriereleiter so leichtfüßig nach oben steigt, als würde sie mit dem Lift fahren. Sollte man deshalb gleich die Freundin wechseln? Wohl kaum.

"Es ist wenig sinnvoll, sich zu fragen, ob man ein großer Neider ist, es ist sinnvoller, sich zu fragen, in welchen Situationen man neidisch wird und wie sich dieser Neid anfühlt, was er von uns will", rät Verena Kast all jenen, die von Neidgefühlen geplagt werden. Dass es wichtig ist, den eigenen Neid nicht zu verleugnen, davon ist auch Rolf Haubl überzeugt: "Der Neider sollte sein quälendes Gefühl als Signal begreifen und darüber nachdenken, wie er seine Ziele mit seinen eigenen Möglichkeiten in Einklang bringen kann." Statt die Freundin zu wechseln, gibt es also Alternativen: im obigen Fall etwa, einen anderen Haarschnitt zu wählen. Statt den Waschbrettbauch des Kollegen zu neiden, hilft ein schon längst ausstehender Besuch im Fitnesszentrum. Sie werden staunen, wie positiv sich das über den Waschbrettbauch hinaus auf Ihr Wohlbefinden auswirken kann. Vielleicht sind Sie aber auch nur mit Ihrer Ehe unzufrieden, wenn Sie sich darüber ärgern, dass Ihr Nachbar sich schon wieder ein neues Auto geleistet hat. Seien Sie also froh, wenn sich der Neid bei Ihnen deutlich bemerkbar macht. Er will Ihnen schließlich nur zu mehr Zufriedenheit verhelfen. Neid, immerhin eine der sieben Todsünden, kann ganz schön hilfreich sein.

Selbstschädigendes Gefühl. Das gelbe Monster hat aber auch andere Seiten. "Neid ist ein extrem selbstschädigendes Gefühl", weiß der Psychologe Rolf Haubl. Besonders der depressiv-lähmende Neid sei für den Betroffenen sehr belastend, weil er aus dem Gefühl des eigenen Unvermögens nicht mehr herauskomme. Neid ist also nicht gleich Neid und jeder Neider neidet anders. Neidforscher unterscheiden vier Neidertypen. Die bewundernden Neider und Neiderinnen drücken in der Regel Freude und Begeisterung aus, stehen aber auch zu ihren eigenen Neidgefühlen. Das könnte dann im Fall der frisch vom Friseur gekommenen Freundin in etwa so aussehen: "Du siehst ja echt todchic aus mit den kurzen Haaren! Hätte ich doch bloß so eine Kopfform wie du, dann könnte ich mir meine Haare endlich auch so schneiden lassen." Bewundernde Neider erleben den eigenen Neid meist als Herausforderung, mehr aus ihrem Leben zu machen. Selbst wenn es nur um so einfache Veränderungen geht wie eine neue Frisur. Weil sie ihren eigenen Neid nicht verheimlichen, sondern sogar offen zugeben, neidisch zu sein, verringern sie auch die Distanz zu denen, die den Neid erregt haben. Das kann Freundschaften auch stärken, anstatt sie zugrunde zu richten.

Ganz anders die ambivalenten Neider: Sie haben das Problem, dass sie ihren Neid zwar erkennen, ihn aber nicht aushalten. Die Folge sind dann zweifelhafte Komplimente mit leicht zynischem Einschlag. "Naja, du mit deinen Pferdehaaren kannst dir ja jeden Haarschnitt leisten." Das kommt uns doch bekannt vor. Unter dem Deckmantel des Kompliments wird hier ordentlich zugestoßen und verletzt. Pferdehaare? Vielen Dank! Die Reaktion "Du bist ja nur neidisch!" weckt beim ambivalenten Neider übrigens noch mehr Neid und er fühlt sich zurückgewiesen. Neid ist für ihn ein beschämendes Gefühl, das gar nicht sein darf. Die Psychologin Verena Kast sieht in der Neidlosigkeit aber kein Ideal: "Ideal ist es, wenn der Neid zugelassen werden kann, er einen aber nicht ganz und gar beherrscht."

Das ist vor allem für aggressive Neidertypen gar nicht so einfach. "Aggressive Neider sind rachsüchtig, sie wollen verletzen, sie wollen entwerten und sie tun das auch", weiß Verena Kast. Alles, was Neid erregt, wird von ihnen entwertet und damit auch der Mensch, der den Neid erregt. Plötzlich wird nicht mehr der neue Haarschnitt der Freundin kommentiert, sondern ihr Aussehen attackiert: "Ich wusste gar nicht, dass du so einen flachen Hinterkopf hast." Das sitzt. Mit einem Schlag hat der Neider seinem Neidobjekt die Freude genommen und so den Auslöser für sein unangenehmes Gefühl beseitigt. Denn es ist ja nicht der Haarschnitt, der geneidet wird, sondern die Freude, die Schönheit, die Zufriedenheit. Und die ist mit einer so kurzen Bemerkung dahin. Die Freundin vielleicht aber auch.

Blanke Verleugnung. Nicht jeder Mensch äußert seinen Neid. Destruktive Neider sind zwar sehr neidisch, aber sie schweigen. Sie tun so, als wäre überhaupt nichts Besonderes geschehen. Neue Frisur? Nie gesehen! Blond statt schwarz? Gar nicht aufgefallen! "Wir haben es hier mit einer blanken Verleugnung zu tun", sagt Verena Kast. Selbst wenn jemand eine besondere Leistung erbracht hat, vermitteln destruktive Neider das Gefühl, er hätte etwas vollkommen Belangloses gemacht. "Die Bedeutung dessen, was Neid erregt hat, wird vernichtet", bringt Kast die eigentliche Intention der destruktiven Neider auf den Punkt. "Wer so destruktiv neidisch mit Menschen umgeht, steckt selber in einem ungeheuren Würgegriff von Anforderungen, die er nicht erfüllen kann."

Die heimliche Macht der Neiderinnen und Neider ist groß. Mit ihrer Aggression zerstören sie das Glück der anderen und verbauen sich die Möglichkeit, ihr eigenes Leben zufriedener zu gestalten. "Neid ist in seinem zerstörerischen Potenzial nicht zu unterschätzen", warnt der Psychologe Rolf Haubl. "Jeder Einzelne und jede Gesellschaft tut gut daran, den Neid der anderen zu besänftigen." Trotzdem ist es gut, sich vor Neidern auch zu schützen. Als klassische Besänftigungsstrategie wird oft Jammern empfohlen: Über die Schwierigkeiten, die Reichtum mit sich bringt, über das steigende Maß an Verantwortung in einer höheren Position, über die Zeit, die im Fitnesscenter verbracht wird anstatt im Kino, über den Verzicht auf Schokolade für die gute Figur. Jammern ist aber auch kein gutes Gefühl. Schließlich und endlich will niemand sein Glück bedauern müssen, um sich in Frieden mit anderen darüber freuen zu können. Der beste Schutz gegen Neider ist eine gesunde Haltung zur eigenen Leistung. Das weiß Rolf Haubl aus seiner Praxis: "Diejenigen, die stolz auf ihre eigene Leistung sind, haben die geringsten Probleme im Umgang mit Neidern."