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Die Nato fürchtet einen Totalkollaps Griechenlands - samt Austritt aus dem Verteidigungsbündnis.
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Der Totalkollaps des griechischen Staates ist jenes Szenario, das man in Washington und in der Nato bis zur vorläufigen Einigung am Montag befürchtet hatte, aber es bleibt die keineswegs abgewendete Gefahr, dass bei Neuwahlen eine Linksregierung an die Macht kommt, die nicht nur das gesamte europäische Einigungswerk zum Kippen bringt, sondern auch einen Austritt Griechenlands aus der Nato betreiben könnte. Immerhin gibt es bei einigen Proponenten der Syriza enge Kontakte nach Russland, und Griechenlands Premier Alexis Tsipras wurden solche auch zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt, was griechische Massenmedien auch bestätigten. Man wird das beobachten, auch "Gratisgas" und die "brüderlichen Beziehungen" samt jenen der beiden orthodoxen Kirchen.
Im Weißen Haus tagte seit Ende Juni zweimal der Nationale Sicherheitsrat mit Ashton Carter und General Martin E. Dempsey. Nato-Befehlshaber General Philip Breedlove, der ja auch das Europäische Kommando der USA führt, warnte vor unabsehbaren Entwicklungen am gesamten Balkan. Nach der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats am 6. Juli rief am Morgen des 7. Juli US-Präsident Barack Obama Tsipras an und drängte auf eine Einigung. Zudem gab es laufende Telefonkontakte mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande. Seitens der Nato wurden in einer offiziellen Aussendung am 8. Juli die engen und langen Beziehungen seit 1952 (das Beitrittsdokument datiert vom 17. Oktober 1951) betont, und der Nato-Generalsekretär unterstrich die strategische Lage Griechenlands.
Man kann im Hintergrund überall Bedenken wegen Russland erkennen, aber auch die Möglichkeit, dass Griechenland in der Nato wichtige Entscheidungen blockieren könnte. Man hat im Fall von Montenegro erlebt, wie Russland immer wieder versuchte, durch "Zuwendungen" an Abgeordnete (aller Parteien) das Abstimmungsverhalten zu beeinflussen, um so in den Besitz des Hafens Bar zu kommen.
Thomas Wright von der Brookings Institution, Leiter der Arbeitsgruppe Project on International Order and Strategy, warnte vor den geopolitischen Folgen eines griechischen EU- oder den geostrategischen Konsequenzen eines Nato-Austritts. Russland könnte dann versuchen, von Süden und Osten her Druck auf Bulgarien und Rumänien auszuüben, was letztlich auch Folgen für die Unabhängigkeit der Ukraine hätte. Zbigniew Brzezinski, externer Berater des Präsidenten, warnte vor den Folgen einer für Washington unberechenbaren Entwicklung im Südosten Europas, nachdem bereits die Türkei ein zunehmender Problemfall wurde: "A Moscow friendly Greece could paralyze Nato’s ability to react to Russian aggressions." Diese Ansicht vertreten auch polnische Politiker.
Ein Element jeder griechischen Stabilisierung sind Einschnitte beim Verteidigungshaushalt, denn die aktuellen Einsparungen laufen auf eine Halbierung des Budgets hinaus. Die Regierung der Türkei gilt derzeit für die USA als "quite unpredictable", und man befürchtet - vor allem bei einem Nato-Austritt Griechenlands -, dass sie eine militärische Besetzung einiger Inseln hart am türkischen Festland ("Modell Zypern") in Erwägung ziehen könnte.