Nach Tod des Vaters soll sich Angeklagter in Ausnahmesituation befunden und Mädchen am Po begrapscht haben. Verfahren vorläufig eingestellt.
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Wien. Der Angeklagte erscheint mit Plastiksackerl vor Gericht. Leise, schüchtern und etwas desorientiert beantwortet er die Fragen der Richterin. Er sei zum Tatzeitpunkt noch vom Tode seines Vaters irritiert und verwirrt gewesen, sagt er. Der 56-Jährige soll ein 14-jähriges Mädchen gegen ihren Willen in seinem Wohnhaus in den Lift gezogen und dann in seine Wohnung geschubst haben.
"Am Popo haben Sie ihr auch gegriffen?", will Richterin Petra Poschalko vom Angeklagten wissen. "Das Gesäß habe ich berührt", bestätigt er. Zwei Mal soll er sie begrapscht haben. Er habe dem Mädchen einfach unbedingt ein Bild seines verstorbenen Vaters zeigen wollen, erklärt er. Dieser sei vier Tage vor der Tat verunglückt. "Ich habe nicht gewusst, dass das Mädchen nicht mitgehen will", sagt der gerichtlich unbescholtene Mann. Zu weiteren Vorfällen kam es nicht, das Mädchen verließ die Wohnung.
Wegen des Vergehens der Nötigung und der sexuellen Belästigung hatte sich der Angeklagte am Dienstag vor dem Straflandesgericht Wien zu verantworten. Er zeigte sich zu sämtlichen Vorwürfen umfassend geständig.
"Es tut mir mehr als leid"
"Und es tut Ihnen leid?", fragt Poschalko nach. "Es tut mir mehr als leid", antwortet er. Seine Verteidigerin plädiert gleich zu Verhandlungsbeginn, man möge den Fall diversionell - also ohne Schuldspruch und formelle Verurteilung und gegen gewisse Auflagen - erledigen. Das Mädchen wird vor Gericht nicht mehr einvernommen.
Während der Tat soll der Angeklagte alkoholisiert gewesen sein. Das Opfer hätte vor der Polizei ausgesagt, dass der Angeklagte nach Alkohol gerochen habe und angegeben, eine "Flasche mit Marille" gesehen zu haben, sagt Poschalko. Wie stark er alkoholisiert war, kann der Angeklagte selbst aber nicht genau angeben.
Im Gerichtssaal übergibt er der Privatbeteiligten- und Opfervertreterin die geforderten 100 Euro als Schadenswiedergutmachung und entschuldigt sich aufrichtig. Am liebsten hätte er das Geld dem Mädchen persönlich übergeben, sagt er. Er erklärt sich auch bereit, einen Pauschalkostenbeitrag von 80 Euro für die Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.
Der Angeklagte habe sich in einer "Ausnahmesituation im Trauerzustand" befunden, ihn treffe "keine schwere Schuld", sagt Poschalko. Sie verweist auch auf das Geständnis und die Unbescholtenheit des Mannes. Unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren fällt sie den Beschluss auf vorläufige Einstellung des Strafverfahrens. Wenn innerhalb dieser Zeit nichts mehr passiere, werde das Verfahren endgültig eingestellt, klärt sie den Angeklagten auf. "Danke", sagt dieser, steht auf und nimmt sein Plastiksackerl.
Mit 1. 1. 2016 wurde der Tatbestand der sexuellen Belästigung (§218 Strafgesetzbuch) um einen neuen Absatz erweitert. Medial wurde die umstrittene Neuregelung auch als "Po-Grapsch-Paragraph" bezeichnet.
Nun ist es strafbar, "eine andere Person durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde" zu verletzen. Dazu zählen ungewollte körperliche Übergriffe wie das Grapschen am Gesäß.
Wissen:
Der Strafrahmen: eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. Der Täter ist von der Staatsanwaltschaft nur zu verfolgen, wenn die betroffene Person ihre Ermächtigung dazu gibt.