Pro Jahr werden 58 Millionen Tonnen Müll produziert. | Österreichweit gibt es 200 private Entsorgungsdienste. | Illegale Sammlung von Abfall stellt Problem dar. | Wien. Zunächst die bedenkliche Nachricht: Österreich produziert pro Jahr rund 58 Millionen Tonnen Abfall. Müsste man diesen Müllberg abtransportieren, wäre die Rail Cargo Austria der ÖBB mehr als ein halbes Jahr lang ausgelastet. Jetzt die beruhigende Nachricht: Trotz dieser Menge hat Österreich so gut wie kein Müllproblem. Die Abfallwirtschaft - öffentlich und privat - funktioniert, unterstützt von einer wahren Müllsammelleidenschaft der Österreicher.
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Außerdem: Wirklich zu entsorgen sind nur etwas mehr als 30 Millionen Tonnen, denn knapp die Hälfte der 58 Millionen Tonnen entfällt auf Aushubmaterial vom Bau, und es sind in dieser Summe auch Schlacken und Aschen aus der Müllverbrennung selbst enthalten.
40.000 Menschen für Abfallwirtschaft tätig
Abfallwirtschaft und Entsorgung wurden ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor. Josef Trummer, Unternehmensberater für Umweltmanagement und Abfallwirtschaft, schätzt die Zahl der Beschäftigten - kommunal und privat - auf mehr als 40.000 Menschen, vom Müllwagenfahrer bis zum Berater, und das jährliche Geschäftsvolumen auf mehr als 8 Milliarden Euro.
Die Organisation der österreichischen Entsorgungswirtschaft ist ein buntes Geflecht aus öffentlichen Körperschaften, Gemeinden, gemeindeeigenen Betrieben, rund 200 privaten Entsorgern, meist Kleinbetrieben, deren Kunden wiederum Gemeinden, regionale Abfallwirtschaftsverbände oder private Betriebe sein können. Schließlich gibt es noch einige PPP, also Private-Public-Partnership-Projekte.
Das Rückgrat der flächendeckenden Müllentsorgung sind die regionalen Abfallwirtschaftsverbände. Sie decken sich im Wesentlichen mit den Bezirken und umfassen sämtliche Gemeinden. Eine Sonderrolle spielt Wien mit der Magistratsabteilung 48. Sie ist ein Branchenriese und bildet in allen Bereichen ein Monopol, von der Müllsammlung bis zur Verbrennung von Sondermüll mit ihren teils ausgegliederten Betrieben, wie die Entsorgungsbetriebe Simmering (EBS) für Abwasser.
Die ARA, die Altstoff Recycling Austria, fällt auch etwas aus dem Rahmen: Sie organisiert als Non-Profit-Unternehmen die Sammlung und Verwertung sämtlicher Verpackungen aus Plastik, Papier, Karton oder Glas. Finanziert wird sie von Herstellern, Importeuren und Händlern. Gesetzliche Grundlage ist der jährliche Abfallwirtschaftsplan des Umweltministeriums.
Der Rohstoffboom der letzten Jahre hat das Geschäft mit Abfällen recht lukrativ gestaltet. Die Wirtschaftskrise hat die Entsorgungsfirmen aber zweifach getroffen: Der Rückgang der Produktion hat die Abfallmengen schrumpfen lassen, bei gleich hoch bleibenden Kosten der Entsorgungsanlagen.
Die Verbrennung von einer Tonne Hausmüll kostet zwischen 80 und 120 Euro, schätzt Unternehmensberater Trummer. Und wenn die Mengen nicht mehr stimmen, stimmt auch die Rentabilität nicht mehr. Gleichzeitig sind die Rohstoffpreise und damit die Verkaufserlöse für Altmetall oder Altpapier gefallen. Für Altpapier haben sich zeitweise überhaupt keine Abnehmer gefunden. Die ARA hat daher ihre Entsorgungsgebühren 2009 um 20 bis 35 Prozent erhöht, mit Anspringen der Konjunktur aber bald aber wieder gesenkt - zuletzt mit Jahresbeginn. Am 1. Juli folgt die nächste Runde der Tarifsenkung.
Müllgebühren sindunterschiedlich hoch
Stichwort Gebühren: Für die Haushalte hängen die Müllgebühren von den Verträgen ab, die die Gemeinde mit den Entsorgern abgeschlossen hat, und die können sehr verschieden sein. Aber die Müllabfuhr ist für die Gemeinde nicht immer ein gutes Geschäft: Kein Bürgermeister verkündet gern Gebührenerhöhungen. Oft werden sie auf die lange Bank geschoben zu Lasten der Gemeindekasse, in der ohnehin oft Ebbe herrscht.
Wien ist anders: 100 Millionen Euro Gebührenüberschuss aus der Abfallwirtschaft hat der Rechnungshof festgestellt. Er kritisiert, diese seien nicht in Investitionsrücklagen geflossen, sondern in den Allgemeinen Haushalt. Investitionen seien kreditfinanziert worden. Die Gebührenzahler hätten durch weniger Zinsendienst entlastet werden können. Die Stadt Wien hat die Kritik zurückgewiesen.
In den letzten Jahren hat die Konkurrenz erheblich zugenommen. Nach der Deponieverordnung von 2004, wonach kein unbehandelter Abfall mehr einfach abgelagert werden darf, sind immer mehr Müllverbrennungsanlagen entstanden. "Jetzt gibt es schon Überkapazitäten", sagt Trummer. "Als Erste könnten große Industrie- und Gewerbebetriebe profitieren", meint er, "denn sie schließen mit den Abfallverwertern kurzfristige Verträge ab, während Abfallverbände und Gemeinden eher langfristig gebunden sind und so den Entsorgern eine gewisse Grundauslastung garantieren." Sollte der Markt funktionieren, könnten in den nächsten zwei Jahren auch die Gemeinden und Haushalte billiger davonkommen.
Ein gewisses Problem stellen die illegalen, meist aus Ungarn kommenden Abfallsammler dar, klagt die heimische Abfallwirtschaft. Sie entziehen vor allem Holz, Altwaren und Elektroschrott aus den Haushalten im Ausmaß von mehr als 60.000 Tonnen pro Jahr dem heimischen Recycling-Kreislauf. Lösungen sind schwer zu finden, weil dies für die Menschen oft die einzige Einnahmequelle darstellt.
Die Entsorgungswirtschaft ärgert sich auch über Umweltminister Nikolaus Berlakovich: Die Zweckbindung von 50 Millionen Euro zur Altlastensanierung von stillgelegten Industrieanlagen oder Tankstellen wird bis 2015 aufgehoben, das Geld fließt in den allgemeinen Budgettopf des Ressorts.
Strenge Regeln bringen neuen Technologien
Die Großen der Branche sind indessen zu Exporteuren von Umwelttechnik, Verfahren und ganzen Abfallsystemen geworden: Die niederösterreichische EVN baut in Moskau eine Entsorgungsanlage, die oberösterreichische AVE, Tochtergesellschaft der Energie AG, macht die Hälfte ihres 425-Millionen-Euro-Umsatzes in Bayern und in Osteuropa. Die dem spanischen Umwelt-Mischkonzern FCC gehörende A.S.A. mit Sitz im niederösterreichischen Himberg ist in Osteuropa ebenso tätig wie die steirische Saubermacher AG.
Die strengen Regeln und Auflagen in der österreichischen Abfallwirtschaft zwingen zur Entwicklung neuer Technologien und haben so für die Unternehmen auch ihre guten Seiten, meint Trummer.