Das geplante Informationsfreiheitsgesetz könnte weniger Bürgerrechte bieten als die alte Gesetzeslage.
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Wien. Eurofighter-Gegengeschäfte, Buwog-Verkauf, Telekom-Parteienfinanzierung, Linzer Swap Deal. Die Liste jener Geschäfte der öffentlichen Hand, die letztlich in Untersuchungsausschüssen und/oder vor Gericht gelandet sind, ließe sich noch um einige Punkte verlängern.
Mit ein Grund für das unrühmliche Ende dieser Geschäfte: Sie fanden hinter verschlossenen Türen statt. Ein Gedankenexperiment: Was wäre gewesen, wenn die Öffentlichkeit von den Provisionszahlungen für den Buwog-Deal gewusst hätte? Oder man die Angebote hätte offenlegen müssen? Besondere Aufmerksamkeit des interessierten Bürgers hätte es nicht erfordert, sich damals über den auffällig knappen Unterschied zwischen den Bietern zu wundern.
Der Zugang zu staatlichen Dokumenten diene der Korruptionsbekämpfung, erklärt Josef Barth, einer der Gründer des Forums Informationsfreiheit. Das geplante Informationsfreiheitsgesetz, mit dem das Amtsgeheimnis abgeschafft und Zugang zu ebendiesen Dokumenten geschaffen werden soll, hingegen nicht. Denn wie sich beim Expertenhearing im Verfassungsausschuss am vergangenen Mittwoch herausgestellt hat, dürfte mit dem Entwurf, wenn er unverändert angenommen wird, die Gesetzeslage gegenüber der bestehenden sogar noch verschlechtert werden.
Der Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, Gerhard Hesse, habe auf die Frage der Grünen im Ausschuss, ob zum Beispiel die Kosten des Grenzzaunes in Spielfeld mit dem geplanten Gesetz offengelegt werden müssten, geantwortet: Nein, denn es gehe hier um die "wirtschaftlichen Interessen einer Gebietskörperschaft". Tatsächlich sind in dem Entwurf, der nun schon seit zweieinhalb Jahren in unterschiedlichsten Varianten zwischen Kanzleramt und Parlament hin- und hergeschoben wird, umfangreiche Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht vorgesehen - unter anderem eben dann, wenn dem "wirtschaftliche und finanzielle Interessen einer Gebietskörperschaft" entgegenstehen.
Damit könnte, so Barth, das aktuelle Auskunftspflichtgesetz, das ohnehin durch das Amtsgeheimnis sehr stark eingeschränkt ist, sogar noch weiter ausgehöhlt werden. Im Sommer 2015 - Jahre, nachdem sich die Abgeordneten im parlamentarischen Eurofighter-Untersuchungsausschuss über die geschwärzten Akten empört hatten - stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Wirtschaftsministerium die Eurofighter-Gegengeschäfte veröffentlichen musste. Barth glaubt, dass dies mit dem geplanten Informationsfreiheitsgesetz nicht mehr möglich wäre - das Ministerium könnte sich einfach auf "wirtschaftliche Interessen" berufen.
"Man könnte damit keine einzige Ausgabe des Staates mehr kontrollieren", sagt er und kritisiert, dass offenbar kaum einer der in die Genese des Gesetzes involvierten Politiker das Problem hinter Hesses Ausführungen verstanden habe. Auch habe in den dreieinhalb Jahren seit Gründung des Forums Informationsfreiheit "noch nie ein Abgeordneter der Kanzlerpartei mit uns gesprochen", sagt Barth. Und: "Die Politiker haben es den Verwaltungsjuristen überlassen, die Bürgerrechte zu definieren, mit denen die Verwaltung kontrolliert wird."
Auch der ehemalige Rechnungshofpräsident und langjährige Transparency-Beirat Franz Fiedler warnt vor einem Beschluss des Gesetzes in dieser Form: "Wenn eine ganz konkrete Frage nach den Kosten des Grenzzaunes unter einem Vorwand nicht mitgeteilt werden dürfen, dann ist das Gesetz ein Witz."
Journalistenorganisationen laden Drozda zu rundem Tisch
Dem Protest des Forums Informationsfreiheit haben sich am Freitag auch namhafte Journalistenorganisationen wie der Presseclub Concordia, die Vereinigung der Parlamentsredakteure, Reporter ohne Grenzen, die Journalistengewerkschaft und die Initiative für Qualität im Journalismus angeschlossen. Durch die Aussagen Hesses werde das Informationsfreiheitsgesetz zur Farce, hieß es. "Dem Journalismus würden dadurch Fakten entzogen. Die Kontrolle durch die Medien würde untergraben." Die Organisationen fordern einen runden Tisch mit Kanzleramtsminister Thomas Drozda, "um zu klären, was das künftige Informationsfreiheitsgesetz leisten soll".
Während ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl den Entwurf verteidigte und meinte, dass die Kosten des Grenzzauns auf der Website zu veröffentlichen wären, der Akt aber aus Datenschutz- und Wettbewerbsgründen geheim bleiben müsse, ging man im Kanzleramt auf Tauchstation. Denn für ein Gespräch mit Hesse hätte die "Wiener Zeitung" eine Freigabe von Drozdas Pressesprecher Nedeljko Bilalic gebraucht. Und der war trotz mehrfacher Anfragen bis Redaktionsschluss nicht erreichbar.