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Klar, die illegale Migration nach Europa muss gestoppt werden. Ein Marshallplan für Afrika hilft da aber gar nicht.
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Dass sich Millionen Landsleute auf den mühsamen, illegalen Weg nach Europa machen, ist für die zahllosen Despoten des afrikanischen Kontinents regelmäßig eine besonders gute Nachricht. Nicht nur, weil jene, die es schaffen, in der Folge meist Geld in ihre afrikanische Heimat schicken - vor allem hat die Massenmigration in Richtung EU dort den selbstgemachten politischen Druck auf die Regierungen massiv erhöht, "das Problem vor Ort zu lösen und die wirtschaftlichen Fluchtgründe direkt in Afrika zu beseitigen", wie das in Sonntagsreden so schön heißt.
In der Realität bedeutet das: (noch mehr) Geld nach Afrika schicken, in der Hoffnung, dass dann weniger Afrikaner gen Norden streben. Und um das den europäischen Steuerzahlern besser verkaufen zu können, ist dann regelmäßig von einem Marshallplan für Afrika die Rede, wie ihn etwa zuletzt auch der deutsche Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) gefordert hat.
Das kommt zwar dem deutschen Grundbedürfnis nach moralischer Lufthoheit über den Rest der Welt sehr zupass, ist aber ungefähr das Letzte, was Afrika braucht, um auf die Beine zu kommen. Ein Marshallplan für Afrika macht ungefähr so viel Sinn wie die Ausgabe von Gratisspirituosen in der Betty-Ford-Klinik für Alkoholkranke. Noch mehr Geld aus Europa dürfte Afrika mehr schaden als nutzen.
Der deutsche Spitzendiplomat Volker Seitz, viele Jahre selbst in Afrika stationiert, nennt dieses Paradoxon "das Gift der guten Gaben": "Der verheerende Drang, Gutes zu tun, untergräbt die Entwicklung eines kompetenten, unbestechlichen Staatsapparats und unterstützt stattdessen Regimes, die raffgierig, faul und größenwahnsinnig sind. Die Hilfe fließt in schlecht geführte Regierungsstrukturen, sie zementiert damit politische Verhältnisse, die nicht auf Wachstum und Zukunft, sondern allein auf Machterhalt und Selbstbereicherung der Potentaten ausgerichtet sind."
Zum gleichen Schluss kommt ein Dutzend angesehener Experten, die schon 2016 das "Kölner Memorandum" formuliert haben: "Eine massive Aufstockung der staatlichen Entwicklungshilfe wird nach aller Erfahrung keine wesentliche Verbesserung der Lebensverhältnisse in den afrikanischen Ländern bewirken. Vielmehr ist zu erwarten, dass große Teile der zusätzlichen Mittel in falsche Kanale fließen und der Exodus anhält."
Ein Standpunkt, der mittlerweile von nahezu allen Fachleuten geteilt wird, die mit dem afrikanischen Kontinent und seinen Problemen vertraut sind. Dass die Politik das oft ignoriert, dürfte einen einfachen Grund haben: Der Vorschlag, den armen schwarzen Kindern Geld zu schicken und sie damit davon abzuhalten, später zu uns zu kommen, scheint Empathie und Eigennutz auf perfekte Art und Weise zu kombinieren - was will man mehr? Auch hier gilt, wie so oft in der zeitgenössischen Politik: Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht.
Afrika braucht keinen Marshallplan, sondern funktionierende, rechtsstaatliche und nicht korrupte Institutionen, dann wird investiert werden und Wirtschaftswachstum den Migrationsdruck lindern. Das können freilich im Wesentlichen nur die Afrikaner selbst bewerkstelligen. Voraussetzung dafür ist politischer Wille, nicht Milliarden aus Europa.