Das beschlossene Teilverbot für Glyphosat spart die Landwirtschaft aus, auf die 90 Prozent entfallen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
In den Baumärkten wird das bezeichnenderweise als "Roundup" bekannte Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat künftig nicht mehr zu finden sein. Und auch an sensiblen Orten wie auf Kinderspielplätzen, in Parks oder bei Spitälern darf es nicht mehr gesprüht werden. In der Landwirtschaft bleibt es aber sehr wohl erlaubt - und auf diese entfallen 90 Prozent der ausgebrachten Gesamtmenge von 300 bis 350 Tonnen pro Jahr. Das Teilverbot für Glyphosat, das der Nationalrat am Donnerstag "für Private und sensible Flächen" beschlossen hat, stößt daher vor allem bei Umweltschützern auf enorme Kritik. Deren Hoffnung: Die Genehmigung für Glyphosat auf EU-Ebene läuft Ende 2022 aus. Ob sie verlängert wird, ist ungewiss.
Aktuell ist es aber noch so, dass ein nationales Totalverbot für Glyphosat nicht mit dem Unionsrecht vereinbar gewesen wäre, wie die EU-Kommission laut ÖVP-Landwirtschaftssprecher und Bauernbundpräsident Georg Strasser meinte. Selbst die Grünen sehen daher in dem Teilverbot einen ersten, richtigen Schritt - allerdings unter der Prämisse, die Verlängerung auf EU-Ebene ab 2022 zu verhindern, sagte Landwirtschaftssprecherin Olga Voglauer. Für die SPÖ ist dieser erste Schritt indes viel zu klein.
Natalie Lehner von der Umweltschutzorganisation Greenpeace kann die Sinnhaftigkeit eines Teilverbots ebenfalls nicht nachvollziehen. "Dadurch, dass man die Landwirtschaft aus dem Verbot ausklammert, bleibt ein riesengroßer blinder Fleck", sagt sie zur "Wiener Zeitung". Das Teilverbot sei eine umweltpolitisch zahnlose Lösung.
Selbst durch ein Auslaufen der Genehmigung 2022 wäre das Thema Glyphosat noch lange nicht vom Tisch. "Herbizide verschwinden nicht einfach. Sie gelangen in den Boden, ins Grundwasser und in unsere Nahrung", sagt sie, "und belasten die Umwelt langfristig." Ein Totalverbot sei daher längst überfällig, ein Teilverbot nur ein Scheinverbot.
Wege zum Totalverbot trotz beschlossenen Teilverbots gäbe es mehrere, meint Lehner. "Man könnte jedem glyphosathaltigen Produkt einzeln die Zulassung entziehen, wie das Luxemburg macht, oder Agrarförderungen an den Verzicht auf Glyphosat binden", sagt sie.
"Glyphosat schützt Boden"
Anders sieht das freilich die Landwirtschaftskammer (LK) Österreich. "Mit diesem Teilverbot ist sichergestellt, dass die Landwirtschaft für ökologisch sinnvolle Bereiche wie den Bodenschutz weiterhin ein geeignetes Instrument zur Hand hat", sagt Präsident Josef Moosbrugger.
Inwieweit ein chemisches Unkrautvernichtungsmittel den Boden schützen kann, erklärt Josef Siffert, Sprecher der LK Österreich, folgendermaßen: Glyphosat werde in der Landwirtschaft vor allem dafür verwendet, die Winterbegrünung der Felder, etwa durch den bewussten Anbau von Senf oder Ölrettich, im Frühling vor der Aussaat zu vernichten. Der Bodenschutz daran: "Wird Glyphosat komplett verboten, das gezielt ein bestimmtes, für den Stoffwechsel der meisten Pflanzen erforderliches Enzym blockiert, müsste der Landwirt im Frühling die Felder wieder ackern - und das ist für den Boden und sämtliche Lebewesen darin extrem schlecht", sagt Siffert. "Es wäre ein Rückschritt im Sinne des Bodenschutzes." Wird die Glyphosat-Lizenz auf EU-Ebene 2022 also nicht mehr verlängert, müsste man das zwar akzeptieren, "es hätte aber weitreichende Konsequenzen."
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die mithilfe von Glyphosat die Gleiskörper von Unkraut befreien, um diese stabil zu halten, sind diesbezüglich weiter. Um einen Glyphosat-Totalausstieg vorzubereiten, suchten die ÖBB seit mehreren Jahren gemeinsam mit der Deutschen Bahn und den Schweizerischen Bundesbahnen nach einem gangbaren Weg, sagt Juliane Pammer von den ÖBB. Aktuell seien diese von dem Teilverbot zwar noch nicht betroffen, die Glyphosat-Menge hätten sie aber bereits seit 2014 um zwei Drittel reduziert. In Zahlen sei das von rund zehn auf aktuell etwa drei Tonnen pro Jahr. Ein freilich geringer Anteil, wenn man mit der eingangs erwähnten Gesamtmenge von 300 bis 350 Tonnen pro Jahr vergleicht. Glyphosat-Alternativen wären jedenfalls laut Pammer zum Beispiel heißes Wasser zu spritzen oder gezielt zu mähen.
Weitere Beschlüsse
Neben dem Glyphosat-Teilverbot hat der Nationalrat am Donnerstag mit den Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos die Rahmenbedingungen für die Europäische Staatsanwaltschaft beschlossen. Diese wird befugt sein, Straftaten gegen den EU-Haushalt wie Betrug, Korruption und schweren grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen.
Und auch eine bereits geltende Regelung zur Arbeitszeit der Spitalsärzte hat der Nationalrat bis Mitte 2025 verlängert: Spitalsärzte können weiter bis zu 55 Stunden pro Woche arbeiten. Voraussetzung dafür ist, dass auch Bereitschaftszeiten inkludiert sind. Die vier darauf folgenden Jahre wird auf 52 Stunden reduziert.