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Das Grauen erlischt nicht

Von Judith Belfkih

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Mit dem Jahr 2015 endet das siebzigste Jahr nach 1945. Damit ist das Ende des Zweiten Weltkrieges 70 Jahre vergangen. Und der Tod Adolf Hitlers. Damit läuft das Urheberrecht an seinen Schriften aus. Neuauflagen von "Mein Kampf" sind im entstehen. Wissenschaftlich aufgearbeitet und reichlich kommentiert. Weniger kritische Projekte werden wohl folgen. Die Diskussion über das Ob und Wie dieser Neuauflagen ist jedenfalls entbrannt.

Hitlers Hass-Schrift ist jedoch nicht das einzige prominente Buch, das 2016 Gemeingut wird. Auch Anne Frank, deren berühmte Tagebücher als eine der wichtigsten Quellen für die Gräuel des Nazi-Regimes gelten, kam 1945 ums Leben. Auch für ihre Schriften erlischt das Urheberrecht. Zumindest theoretisch. Denn genau um diese Rechte tobt ein Streit: Annes Vater sei Mitverfasser des Buches, die Tagebücher nur Vorlage, auch er habe Rechte. Otto Frank starb 1980, daher gelte das Urheberrecht noch bis 2051. So argumentiert zumindest der Anne-Frank-Fonds, der noch bis Jahresende zweifelsfrei die Rechte an dem Buch besitzt und allen Profit in Jugendhilfe und den Kampf gegen Rassismus steckt.

Schön und gut, argumentieren jene, die die Tagebücher frei zugänglich machen wollen. Man wolle den Neuauflagen von Hitlers Schriften ein starkes Gegengewicht entgegenzusetzen haben. Ein erbittertes Gegeneinander für die gleiche Sache.

Das Traurige an beiden Diskussionen: Jene, die eine kritische Sicht auf NS-Propaganda nötig hätten, wird nichts umstimmen. Nicht die wissenschaftlichen Kommentare zu "Mein Kampf". Und auch nicht Anne Franks Tagebücher.