Hat die Krise Griechenlands mit seinem noch unerschlossenen Energiereichtum zu tun? Neues Erdöl dürfte nur wenig helfen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es ist nicht die Krise, die Griechenland zu schaffen macht, sondern die Berichterstattung über die Krise, meint Melanie. Die gebürtige Irin, die seit 15 Jahren auf der Insel Kos lebt und am kleinen Hafen von Kardamena ein Lokal betreibt, glaubt, dass die schlechten Nachrichten nur dazu dienen, um internationalen Konzernen das Eindringen in die griechische Wirtschaft zu ermöglichen. Vor allem geht es dabei ums Öl, sagt sie.
In Griechenland ist derlei oft zu hören. Und interessanterweise auch auf rechtsgestrickten Internet-Seiten in Deutschland, wo man das Ziel der Verschwörung naturgemäß anders wertet: Griechenlands Reichtum werde verschwiegen, um die reichen Länder Europas auszuplündern.
Alle Probleme durch den Energiehunger großer Staaten zu erklären, hat Tradition. Man erinnere sich nur an den vereinfachenden Slogan, mit dem Gegner der US-Politik gegen den Irak-Krieg protestierten: "No blood for oil", wurde damals weltweit gerufen.
Aber griechisches Öl? Bisher wusste man von einem Feld in der Nordägäis, das nahezu erschöpft ist, die Ausbeutung eines weiteren, Anfang des Jahrtausends entdeckten Ölfeldes erschien zunächst als unwirtschaftlich. Funde von umfangreichen Vorkommen in der Meeresregion zwischen Israel, Libanon, der Türkei und Zypern, die schon für Grenzstreitigkeiten zwischen diesen Ländern gesorgt haben, geben indes Spekulationen Auftrieb, dass auch Griechenland wesentlich rohstoffreicher sein könnte als bisher angenommen. Mit einem norwegischen Partner will nun Griechenland im Ionischen Meer und südlich von Kreta nach Öl und Gas suchen lassen. Für andere Regionen sind sogar schon Bohrungen genehmigt, für die allerdings noch internationale Partner fehlen. Das griechische Umwelt- und Energieministerium erwartet sich davon in den nächsten 15 bis 20 Jahren Einnahmen von 40 Milliarden Euro - wovon die Griechen selbst aber nur ein Drittel sehen sollen.
Stimmen diese bescheidenen Zahlen, machen sie eines deutlich: Die erwarteten Einnahmen aus dem Energiegeschäft können den griechischen Schuldenstand nur marginal verringern. Und es wird überdies viel Zeit brauchen, bis dieses Geld lukriert werden kann.
Wie die Griechen die Durststrecke überwinden sollen, bleibt unklar. Denn die Einahmequelle Tourismus hat unter der Medienberichterstattung in den Herkunftsländern der Besucher deutlich gelitten, wobei es weniger die großen All-Inclusive-Ressorts trifft als die kleinen und mittleren Betriebe. Sie selbst sei zwar durch die günstige Lage ihres "Loustros"-Restaurants an der Mole weniger betroffen, erzählt Melanie, aber in der Einkaufsstraße hinter ihrem Lokal, einen Block entfernt, gibt es massive Umsatzeinbrüche.
Für sich selbst hat die Aussteigerin schon eine Lösung gefunden: Das halbe Jahr arbeitet sie in Kardamena, die andere Hälfte verbringt sie auf ihrem Bauernhof, wo sie für den Eigenbedarf produziert - was übrig bleibt, wird verkauft. Von solchen Rückzügen aus den Städten in die Zuflucht von Autarkie und Subsistenzwirtschaft hört man inzwischen überall in Griechenland.