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Auch die vergangene Regierung trat mit dem Versprechen an, die Korruption zu beseitigen. | Papandreou hat wenig Rückhalt in der Partei. | Europa mag mit Erstaunen die griechischen Proteste und Streiks verfolgt haben. Den scheinbaren Unwillen zu sparen, wenn das Land doch finanziell am Boden liegt. Doch die Aggression der Griechen gilt ihren Politikern. Laut einer Umfrage Ende April halten knapp 65 Prozent der Bevölkerung die Politiker, das System und die Behörden für das eigentliche Problem. | Politik kämpft um das Überleben des Euro
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Der jetzige Premierminister Giorgos Papandreou verspricht, die Korruption zu bekämpfen. Doch bisher ist noch nichts geschehen. Und schon die konservative Regierung vor ihm ist 2004 und 2007 jeweils mit einem Programm zur Korruptionsbekämpfung zur Wahl angetreten.
Während die konservative Partei in der Regierung war, hat die Frau des damaligen Premierministers Konstantin Karamanlis, Natasa Pazaiti, in Rekordgeschwindigkeit ihr Medizinstudium abgeschlossen, Zwillinge bekommen und ist zur fertigen Chirurgin ausgebildet worden. Jener Mann, der die Dissertation von Frau Karamanlis "auf Rechtschreibfehler überprüft hat", konnte sich später über den Aufstieg zum Generalsekretär des Kulturministeriums freuen. Nepotismus ist normal, das griechische Volk misstraut seit langem den Versprechen der Politiker.
Im Zuge der deutschen Siemens-Affäre kam auch heraus, dass Siemens Griechenland eine eigene Tochterfirma gegründet hatte, um das Schmiergeld zu verwalten: Handys und Kühlschränke für die Proponenten beider Großparteien.
Papandreou hat zwar nichts mit der alten Pasok-Garde zu tun, er hat nur neue, junge Köpfe in seine Regierung geholt. Das bedeutet aber auch, dass er wenig Rückhalt in seiner eigenen Partei hat. Manche sagen, der US-geborene Papandreou sei gar kein Grieche, sondern nur grecophil. Papandreou hat auch versucht, mit dem System zu brechen - und hat die anderen Parteien um ihre Vorschläge gefragt, wie sie den Haushalt reformieren wollen.
Die Opposition - die konservative Partei genauso wie die kommunistische (KKE) und radikale öko-linke (Syriza) Fraktion - haben sich geweigert, alternative Vorschläge zu machen oder Papandreous Sparpläne mitzutragen. Das einzige Statement, zu dem sich die konservative Partei hinreißen hat lassen, war, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen "gegen das Volk gehen". Eine Alternative wurde nicht aufgezeigt. Die einzige Partei, die etwas aufgeschlossener auf die Sparpläne reagiert hat, war - für die Griechen überraschend - die Extrem- Rechte, die am Mittwoch auch für den Sparplan gestimmt hat.
Allen voran die konservative Partei hat schon die nächste Wahl im Auge. Denn das griechische System heißt kompliziert "verstärktes Verhältniswahlrecht", ist aber in Wahrheit ein Mehrheitswahlrecht so wie in Großbritannien: Die Partei, die gewinnt, bekommt in der Regel die Mehrheit. Koalitionen sind weder gewünscht, noch haben sie bisher funktioniert. Ein überparteilicher Konsens war noch nie an der Tagesordnung. Für Firmen ist es dadurch einfacher, die Parteien zu schmieren. Man braucht nur die jeweils korrespondierenden Verantwortlichen der beiden Großparteien bestechen, die sich an der Macht abwechseln. In Systemen wie in Österreich mit einem echten Verhältniswahlrecht funktionieren die Kleinparteien als Kontrollmechanismus.
Wenn die Regierung unter Papandreou einen Platz in der Geschichte haben will, dann nicht wegen den IWF-Hilfen oder der Finanzkrise. Ihre Aufgabe ist es, das politische System zu ändern. Und das ist eine herkulische Aufgabe. Strukturreformen sind die Voraussetzung, dass das Land nicht eines Tages wieder in die Pleite schlittert. Das altgriechische Wort "Idiot" bedeutete übrigens: "Jemand, der gleichgültig ist". Auf Deutsch und Englisch existiert dieses Wort nur noch im negativen Kontext. Nur im Neugriechischen hat das Wort einen positiven Bedeutungswandel erfahren. Laut Lexikon heißt Idiot auf Neugriechisch lediglich: "Jemand, der kein öffentliches Amt innehat."