Zum Hauptinhalt springen

Das große Buhlen um Sinan Ogans Wähler

Von Ronald Schönhuber

Politik

Der Nationalist kam bei der Präsidentschaftswahl als Drittplatzierter auf 5,2 Prozent. Ideologisch stehen sich Erdogan und Ogan durchaus nahe.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ankara/Wien. Als im Frühling 2017 das Referendum über die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei bevorstand, war Sinan Ogan einer der schärfsten Kritiker. Immer wieder wetterte der nationalistische Politiker gegen das drohende "Ein-Mann-Regime" und warnte davor, Recep Tayyip Erdogan als Staatschef mit noch weitreichenderen Machtbefugnissen auszustatten.

Dass er sich kein Blatt vor den Mund nahm, hatte für Ogan damals nachhaltige Konsequenzen. Parteichef Devlet Bahceli, der einst Ogans Trauzeuge war und sich vor dem Referendum in einer 180-Grad-Kehrtwende auf die Seite Erdogans gestellt hatte, ließ den damals 49-Jährigen aus der MHP werfen. Ogan, der 2011 erstmals als Abgeordneter der ultranationalistschen Partei ins Parlament eingezogen war, war auf einmal politisch heimatlos.

Knapp sechs Jahre später ist es nun ausgerechnet Ogan, der es mit in der Hand hält, ob Erdogan noch einmal weitere fünf Jahre als fast allmächtiger Präsident regieren kann. Denn sowohl Erdogan als auch sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu sind bei der am 28. Mai stattfindenden Stichwahl um das Präsidentenamt auf die Stimmen des drittplatzierten Ogan angewiesen, der am Sonntag auf knapp 5,2 Prozent kam.

Auf dem Papier stehen die Chancen für Erdogan dabei deutlich besser als für Kilicdaroglu. So muss der Amtsinhaber, auf den am Sonntag 49,5 Prozent der Stimmen entfielen, wohl nicht viel mehr als ein Zehntel der knapp drei Millionen Wähler Ogans überzeugen, um sich im zweiten Durchgang durchzusetzen. Und ideologisch stehen sich Erdogan und Ogan nach wie vor nahe. So spricht der studierte Betriebswirt, der bei der Präsidentschaftswahl als parteiloser Kandidat für ein Bündnis ultranationalistischer Kleinparteien angetreten ist, vor allem wertkonservative und religiöse Türken im anatolischen Hinterland an, die mit Erdogan unzufrieden sind. Im Wahlkampf warb Ogan zudem für eine harte Linie im Umgang mit den rund drei Millionen syrischen Flüchtlingen in der Türkei.

Kurden als rote Linien

Ob Ogan nach all der in den vergangenen Jahren vorgetragenen Kritik an Erdogan eine Wahlempfehlung für den Präsidenten ausspricht, ist aber ungewiss - zumal sich der potenzielle Königsmacher am Tag der Wahl noch bedeckt hielt. "Wir werden uns mit unserer Wählerbasis für unsere Entscheidung in der Stichwahl beraten", sagte Ogan am Montag. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters formulierte der Drittplatzierte vom Sonntag allerdings schon erste Bedingungen. "Wir haben bereits jetzt deutlich gemacht, dass der Kampf gegen Terrorismus und das Zurückschicken von Flüchtlingen unsere roten Linien sind", sagte Ogan. Sollte CHP-Chef Kilicdaroglu Zugeständnisse an eine prokurdische Partei machen, könnte dieser auf keinen Fall mit seiner Unterstützung rechnen. Die Kurden-Frage könnte allerdings auch für Erdogan relevant werden. So hat Ogans Parteibündnis vor den Wahlen auch die Zusammenarbeit zwischen der regierenden AKP und der islamistischen Hüda Par kritisiert, die ebenfalls prokurdisch Standpunkte einnimmt.