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Das große chinesische Selbstbewusstsein

Von Klaus Huhold

Politik

Der Nationale Volkskongress macht den Weg frei für das umstrittene Sicherheitsgesetz für Hongkong. Das ist auch Ausdruck der gestiegenen Selbstsicherheit der Kommunistischen Partei.


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Es war ein außergewöhnlicher Nationaler Volkskongress, der dieses Jahr in Peking stattfand. Das zeigte sich nicht nur optisch an den Mundschutzmasken, die die Abgeordneten, Sicherheitsleute und anwesenden Fotografen trugen. Auch politisch stand er stark im Zeichen der Corona-Krise.

So haben die fast 3000 Abgeordneten erstmals seit 1990 kein Wachstumsziel für die Wirtschaft ausgegeben. Ministerpräsident Li Keqiang betonte aber bei der Abschlusskonferenz am Donnerstag, dass die Volksrepublik ein gewisses Wachstum noch für möglich hält. Blickt man auf die gesamte Weltwirtschaft, ist das eher optimistisch. Aber Anlass dazu geben wohl auch die offiziellen Corona-Daten in China - demnach hat die Volksrepublik die Pandemie vorerst eingedämmt.

Antwort auf Corona hat Partei gestärkt

Generell hat sich in Sachen Corona einiges gedreht, seitdem Ende vergangenen Jahres die ersten Fälle einer mysteriösen Lungenkrankheit aus der chinesischen Stadt Wuhan gemeldet wurden. Brachte anfänglich die Seuche das kommunistische Regime unter Druck und gab es gar zaghafte Ansätze einer öffentlichen Diskussion über Vertuschungen der Krankheit, feiert sich China mittlerweile als Vorzeigeland bei der Bekämpfung dieser Gesundheitskrise. Die chinesische Antwort auf die Epidemie wird von Politikern, Journalisten und auch in den Sozialen Medien nun immer wieder als Beweis der Überlegenheit des autoritären chinesischen Politsystems angeführt. Und so hatte es durchaus eine gewisse Symbolik, dass genau während der Tagung des Volkskongresses, bei dem sich die Kommunistische Partei auch immer selbst feiert, die USA laut den Daten der John-Hopkins-Universität die Marke von 100.000 Corona-Toten überschritten hatten.

Es wird immer deutlicher, dass die im Westen entworfenen Theorien einer Demokratisierung der Volksrepublik, die demnach mit steigendem Wohlstand fast zwangsläufig kommen müsste, voraussichtlich nur Wunschträume waren. Nicht China wird zu Hongkong, sondern viel eher wird Hongkong zu China. Oder besser gesagt: Die Partei sorgt nun mit all dem Selbst- und nationalen Sendungsbewusstsein, das sie unter dem rund siebenjährigen Vorsitz von Xi Jinping entwickelt hat, offenbar dafür, dass der Hongkonger Demokratiebewegung immer mehr die Luft zum Atmen genommen wird.

So hat der Volkskongress den Weg für das umstrittene Sicherheitsgesetz frei gemacht. In der Großen Halle des Volkes stimmten 2878 Abgeordnete für die Regierungspläne, nur einer dagegen. Sechs Delegierte enthielten sich. Als das Ergebnis bekanntgegeben wurde, brandete langanhaltender Beifall auf. Ob die - nur teilweise frei gewählte Hongkonger Regierung - zum dem Gesetz noch konsultiert wird, ist fraglich. So oder so wird es in den nächsten Monaten in Kraft treten.

Das Gesetz soll Aktivitäten, die als Gefahr für die nationale Sicherheit betrachtet werden, "verhindern, stoppen und bestrafen". Darunter fallen Tätigkeiten, die "das Land spalten" oder die Staatsgewalt untergraben" sowie "terroristische Aktivitäten und anderes Verhalten, das die nationale Sicherheit ernsthaft gefährdet". Wann derartige Tatbestände erfüllt sind, bleibt schwammig.

Premier Li Keqiang betonte, dass das Gesetz "langfristig Stabilität und Wohlstand" sichern solle. Das Modell "Ein Land - zwei Systeme", das der britischen Kronkolonie nach der Rückgabe an China 1997 zugesichert worden war, bleibe unangetastet.

Doch genau diesen Grundsatz sehen Hongkonger Demokratieaktivisten aufgekündigt. "Sie berauben uns unserer Seelen, nehmen uns die Werte weg", sagte die China-kritische Abgeordnete aus Hongkong, Claudia Mo, der Nachrichtenagentur AFP. "Werte wie Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit." Nun werde Hongkong "nur eine chinesische Stadt wie jede andere". Dies sei "entmutigend".

Blickt man in chinesische Medien, haben viele Hongkonger allen Grund zu Furcht und Sorge. So schrieb die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, dass die neuen Gesetze Hongkong vor dem "Terrorismus" und "Chaos" der Demonstranten bewahren würden, die angeblich mit ausländischen Kräften unter einer Decke stecken, um die Volksrepublik zu zerstören.

Nichtsdestotrotz wollen die Demokratieaktivisten ihre Proteste, zu denen vor der Corona-Krise die Massen strömten, fortsetzen. Es gab auch schon die ersten kleineren Kundgebungen, gleichzeitig ist enorm viel Polizei unterwegs.

Zudem drängen Hongkonger Politiker auf internationale Unterstützung. Wenn China Hongkong seine demokratischen Rechte nimmt, "erwarten wir uns, dass sich die restliche Welt für uns einsetzt", sagt etwa Alvin Yeung von der "Civic Party".

Nächster Streitpunkt zwischen USA und China

Tatsächlich ist Hongkong bereits der nächste große Streitpunkt im Konflikt zwischen China und den USA. Die USA haben schon eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrat beantragt. Außenminister Mike Pompeo betonte zudem, Hongkong genieße nicht mehr genügend Autonomie, um eine bevorzugte Behandlung in Handelsfragen zu rechtfertigen. Wenn Hongkong die von den USA gewährten Privilegien verliert, droht es seinen Status als Finanz- und Handelsmetropole zu verlieren. Zudem wird in den USA auch über Sanktionen für einzelne chinesische Politiker nachgedacht.

Peking hat aber offenbar mit einer derartigen Reaktion gerechnet. China scheint nicht mehr daran zu glauben, dass ein Ausgleich mit den USA noch möglich ist. Oder es nimmt mittlerweile die Konfrontation mit Washington willentlich in Kauf, weil es sich stark genug dafür fühlt. "Eine langfristige Rivalität zwischen China und den USA ist unvermeidlich", verkündete bereits die KP-Zeitung "Global Times".

Auch in der EU sieht der Außenbeauftragte Josep Borrell China als "Test" für die Geopolitik der Union an. "Es ist von größter Bedeutung, dass wir uns in Bezug auf die wichtigsten Ziele einig bleiben, um die Interessen und Werte der EU gegenüber China zu wahren", schrieb er in einem Brief an die EU-Außenminister, der der APA vorliegt. Was das in Zeiten der Corona-Krise, in der viele europäische Firmen den chinesischen Markt dringender denn je brauchen, dann konkret bedeutet, bleibt aber abzuwarten.