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Das große Feilschen nimmt seinen Lauf

Von Martyna Czarnowska

Politik

Bei den Verhandlungen um das künftige EU-Budget sind schon jetzt Zwistigkeiten programmiert.


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Brüssel/Wien. Das Feilschen wird dieses Mal noch erbitterter ausfallen. Zwar sind die Verhandlungen um die mehrjährige Finanzplanung der EU immer ein zähes Ringen um Agrarsubventionen, Förderungen für die Infrastruktur und zahlreiche andere Projekte. Sie sind auch immer ein Tauziehen zwischen jenen Mitgliedstaaten, die von den Mitteln mehr denn andere profitieren, und den Nettozahlern - jenen Ländern, die mehr Geld in den EU-Haushalt fließen lassen als sie daraus erhalten. Doch befindet sich die Union in einer anderen Situation als vor einigen Jahren, als der Budgetplan für die Zeit von 2014 bis 2020 erstellt wurde.

Nun nämlich gelte es, gleich zwei Lücken zu füllen, erklärte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger bei einem Presseauftritt in Brüssel. Ein Loch in die Gemeinschaftskasse wird nämlich der EU-Austritt der Briten reißen. Die dann fehlenden Einnahmen bezifferte Oettinger mit 12 bis 14 Milliarden Euro jährlich. Das zweite Loch aber reißen Ausgaben, die in ihrer Dimension vor einigen Jahren noch nicht abzusehen waren: Kosten für den Grenzschutz, die gemeinsame Verteidigung, die Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Durch Kredite oder die Ausgabe von Anleihen will der Kommissar diese Lücken nicht füllen. "Europa soll schuldenfrei bleiben", erklärte der Deutsche. Die wegfallenden britischen Mittel will er zu 50 Prozent mit Kürzungen und zur Hälfte mit ergänzenden Einnahmen wettmachen. Die Ausgabenseite wiederum soll zu 80 Prozent mit frischem Geld und zu 20 Prozent durch Umschichtungen gestützt werden.

Daher plädiert die Kommission für eine Erhöhung der Beiträge, die die Mitgliedstaaten nach Brüssel überweisen. Bisher macht es rund ein Prozent der Wirtschaftsleistung der EU aus, was rund einer Billion Euro für sieben Jahre entspricht. Künftig sei laut Oettinger eine "maßvolle Steigerung" nötig. Mindestens 1,1 Prozent "plus X" an der zweiten Kommastelle schwebt dem Kommissar vor - also zwischen 1,11 und 1,19 Prozent.

Wer soll mehr zahlen?

Als mögliche eigene Finanzierungsquellen für die Union nannte Oettinger etwa Einnahmen aus dem Emissionshandel oder aus einer eventuellen Plastiksteuer. Von Kürzungen wiederum werden wohl die meisten Bereiche betroffen sein - außer Erasmus und Horizon, die Programme zur Förderung von Studentenmobilität sowie von Forschung und Innovation. Weniger Mittel könnte es hingegen für die Landwirtschaft und Infrastrukturprojekte geben.

Diese sind vor allem in den wirtschaftlich schwächeren Ländern, etwa in Osteuropa, gestützt worden. Wenig verwunderlich sperren sich daher Staaten wie Polen oder Ungarn gegen Kürzungen in diesem Bereich. Nettozahler wie Österreich hingegen wollen umgekehrt nicht ihre Beiträge zum gemeinsamen Haushalt erhöhen. Vor wenigen Tagen hatte das EU-Minister Gernot Blümel bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel betont, und kurze Zeit später wiederholte es Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. "Es kann nicht sein, dass immer die gleichen Nettozahler wieder stärker zur Kasse gebeten werden", sagte sie der Austria Presseagentur. Stattdessen sollten die osteuropäischen Länder höhere Beiträge leisten.

Eine andere Variante hatten manche - westeuropäische - Politiker schon zuvor ins Spiel gebracht. Der Vorschlag lautete, die Auszahlung von EU-Mitteln an Kriterien wie die Rechtsstaatlichkeit oder Einhaltung von Grundwerten zu knüpfen. Diese untersucht die EU derzeit in Polen, wohin die meisten EU-Förderungen fließen.

Auf die Möglichkeit solch finanzieller Sanktionen angesprochen, meinte Oettinger, dass die Idee aus einigen EU-Staaten und Teilen der Öffentlichkeit stamme. Die Kommission prüfe diese Option. Eine Alternative dazu wäre es, rechtskonforme Mitgliedstaaten mit neuen Mitteln zu belohnen.

Die nächsten Zwistigkeiten sind jedenfalls programmiert, denn dem Haushaltsentwurf müssen alle Regierungen zustimmen. Auch das EU-Parlament ist in die Verhandlungen eingebunden. Und die Zeit für einen Kompromiss ist begrenzt. Im Mai will die EU-Kommission ihre Vorschläge für den langjährigen Budgetplan nach 2020 vorstellen. Bis Jahresende - und damit vor den Wahlen zum EU-Parlament - soll es eine Einigung geben. Dazwischen wird das Feilschen ums Geld nicht zurückgehen.