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Das große Glück im kleinen Garten

Von Christian Mayr

Politik

Erntezeit in den Grätzelgärten: Was wurde aus der rot-grünen Idee? | Tomaten-Tratsch schützt vor Stadt-Anonymität. | "Kinder wieder in Kontakt mit Erde."


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Wien. Nur ein paar Steinwürfe von der Ringstraße entfernt, öffnet sich für den Besucher ein farbenfroh blühendes Fleckerl mitten in der Stadt: Drei Meter hohe Sonnenblumen strecken ihre Köpfe in den Himmel, darunter baumeln stachelige Gurken von einem Rankgerüst, nebenan dicke, dunkelrote Tomaten auf unter der Last ächzenden Ästen. Und überall viele Blumen: Cosmea in allen Tönen, Ringelblumen, Prunkwinden, die sich um einen kleinen Holzzaun wickeln.

Neben dem Uni-Sportplatz in der Alsergrunder Sensengasse wucherte vor wenigen Monaten noch das Unkraut in einer braunen Rindenmulch-Wüste. Mit Unterstützung des Rathauses, das seit heuer sogenannte Grätzel- und Gemeinschaftsgärten fördert (die "Wiener Zeitung" berichtete), haben die dortigen Bewohner nicht nur eine urbane Grünoase geschaffen, sondern auch einen ungenutzten Fleck zu einem Ort der Begegnung gemacht. "Der größte Erfolg am Projekt ist die erhöhte Kommunikation mit den Nachbarn", resümiert Gerald Saurugg, ein Initiator des "Sensengartens". Denn beim Tomaten-Tratsch im Garten ist die Anonymität der Großstadt aufgehoben.

Der "Sensengarten" ist laut der Online-Plattform www.gartenpolylog.org einer von bereits 25 Gemeinschaftsgärten in Wien, die sich auf elf Bezirke aufteilen. Gemäß dem Regierungsprogramm soll es pro Bezirk einen solchen, öffentlich zugänglichen Gemüsegarten geben - wobei sich die Suche nach geeigneten Flächen vor allem in den inneren Bezirken eher schwierig gestaltet. Laut Umweltstadträtin Ulli Sima sind nun aber Projekte im Landstraßer Arenbergpark und im 8. Bezirk geplant.

Probleme, ein geeignetes Fleckerl zu finden, hatten die elf City-Farmer in der Sensengasse nicht. Denn zwischen den Baukörpern des Wohnparks hat der Bauträger jede Menge Flächen mit pflegeleichten, aber wenig attraktiven Ziergewächsen hinterlassen. Allerdings galt es, zunächst die anderen 90 Wohnungseigentümer von der Garten-Idee zu überzeugen, ehe das auserkorene 55 Quadratmeter große Plätzchen in gemeinsamer Anstrengung an einem ganzen Maitag umgestaltet wurde.

Vor allem die beinharte Erde machte zu schaffen - mitunter half nur der Griff zur Spitzhacke: "Wir stießen auf so viel Lehm, dass wir eine Töpferei aufmachen hätten können", scherzt Saurugg. Schließlich wurde die von der Stadt angelieferte Bioerde zu einer fruchtbaren Mischung eingeackert; außerdem stellte das Stadtgartenamt Werkzeug gratis bereit. Das gemeinsame Arbeiten war jedenfalls das große Ereignis in der Anlage - bei dem allen voran die Kinder mit Begeisterung mitwerkten.

Keine Gemüse-Diebe

Auch jetzt, zur Erntezeit, ist der Garten für die Kleinen ein täglicher Fixpunkt: Während die einen ihre kleinen Gießkannen ausschütten, graben andere in der Erde in der Hoffnung auf reife Kartoffeln. Den eigenen Kindern den Umgang mit der Natur näher zu bringen, war auch eine der Hauptmotivationen für die vierfache Mutter Ida Pammer: "Es ist für Stadtkinder einfach fein, wenn sie mit der Erde in Kontakt kommen und sehen, wie die Sachen wachsen." Beet-Nachbar René Traum assistiert: "Man übernimmt Verantwortung für ein Stückchen Grün und gibt damit den Kindern einen Ansporn." Unter tags restauriert der 53-Jährige im Museum Kunstwerke, abends gießt er dann entspannt sein Beet und sucht nach Schnecken, die sich unter der Zucchini versteckt haben.

Apropos: Auch mitten im urbanen Raum können Nacktschnecken zur wahren Plage werden - das haben die "Sensengärtner" rasch erfahren müssen. Zu Spitzenzeiten wurden in nur einer Stunde 100 der gefräßigen Weichtiere aus den Beeten gefischt. Dafür gab es bis dato keine zweibeinigen Gemüseräuber: "Nur einmal war eine Erdbeere verschwunden", berichtet Pammer. Das sei allerdings passiert, bevor der 1,20 Meter hohe Staketenzaun aufgestellt war.

Reiche Ernte gab es vor allem bei Zucchini, Tomaten, Fisolen und Gurken - aber auch ein paar Kürbisse trotzten dem Juli-Regen. Sonst war eher das Problem, dass das Gemüse auf den einzelnen Fünf-Quadratmeter-Beeten zu sehr wucherte und der Platz zu eng wurde. Daher denken die "Sensengärtner" schon an eine Erweiterung im nächsten Jahr - auch, weil noch mehr Bewohner mitwirken wollen: "Jetzt, wo alles wächst und gedeiht, erkennen viele erst den enormen Gewinn - nicht nur rein optisch", sagt Traum.

Im Wohnbau eingeplant

Künftig sollen solche Gemeinschaftsgärten übrigens im geförderten Wohnbau verstärkt vorab eingeplant werden, heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig; ein paar Pilotprojekte seien schon in der Umsetzung. Womit sich die Bewohner ein aufwendiges Umackern von Lehmwüsten sparen würden.