SPÖ-Absage an Landeshauptmann-Kür von FPÖ-Chef Landbauer. Für ÖVP ist Mehrheit in Landesregierung entscheidend.
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Seit dem Start des Intensivwahlkampfes in Niederösterreich Anfang Jänner und seit alle Umfragen der ÖVP mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner deutliche Stimmeneinbußen und den Verlust der hauchdünnen absoluten Mehrheit im Landtag vorhersagen, hat die Diskussion um künftige Koalitionen nach der Landtagswahl am 29. Jänner Sachthemen wie Teuerung und Asyl überdeckt. SPÖ-Landeschef und Spitzenkandidat Franz Schnabl hat sich im Wahlkampffinale erstmals deutlich gegen eine Kür von FPÖ-Landesobmann Udo Landbauer positioniert. "Ich würde Udo Landbauer, wenn er die Menschenrechte in Frage stellt, nicht zum Landeshauptmann wählen." Er reagierte damit auf das Trommeln und die Warnungen der ÖVP vor einer rot-blauen oder blau-roten Koalition. Wahrscheinlichstes Szenario ist allerdings, dass Mikl-Leitners ÖVP als laut Umfragen auch künftig deutlich stärkste Partei in Niederösterreich weiter den Landeshauptmannposten einnimmt.
Schnabl und Landbauer haben beide den Anspruch den Landeshauptmann erhoben, um damit ihre Forderungen nach "Veränderung" in dem Bundesland mit knapp 1,3 Millionen Wahlberechtigten zu unterstreichen. Die jüngste Erklärung des SPÖ-Landeschefs ist speziell eine Reaktion auf eine Aussage Landbauers im "Standard", wonach er bei Menschenrechten "unterscheide zwischen Staatsbürger und Nichtstaatsbürger". Spätestens mit dieser Differenzierung würde eine Kür Landbauers mit SPÖ-Hilfe weit über Niederösterreich hinaus in der Sozialdemokratie auf massiven Widerstand stoßen und für Turbulenzen sorgen. Nicht ausgeschlossen hat Schnabl allerdings Sachkoalitionen mit allen Parteien im Landtag. Jedenfalls dienen die Spekulationen um Koalitionen und die Wahl des künftigen Landeshauptmannes nicht nur der ÖVP, sondern auch SPÖ und FPÖ zur zusätzlichen Mobilisierung im Wahlkampf.
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Die Diskussion um Rot-Blau beziehungsweise Blau-Rot und um eine etwaige Wahl des FPÖ-Chefs zum Landeshauptmann ist intensiver geworden, seit Umfragen eine gemeinsame Mehrheit im Landtag zumindest in Griffweite erscheinen lassen und es zugleich Prognosen gibt, dass die FPÖ stark zulegt und die SPÖ sogar von Platz zwei verdrängen könnte. Verfehlen allerdings SPÖ und FPÖ zusammen eine Mehrheit von 29 der insgesamt 56 Sitze im Landtag, gilt eine Koalition gegen die ÖVP als praktisch ausgeschlossen. Denn die beiden bisherigen Oppositionsparteien Grüne mit Spitzenkandidatin Helga Krismer und Neos mit Spitzenkandidatin Indra Collini, die derzeit jeweils drei Landtagsmandatare stellen, haben jeweils einer Koalition mit der FPÖ eine klare Absage erteilt. Der Unterschied bei Grün und Pink: die Grünen haben 2018 auch Mikl-Leitner nicht zur Landeshauptfrau gewählt, weil man erwartet hat, dass es keine Verbesserungen beim Klimaschutz und Demokratie gibt, so Krismers Begründung. Collini lehnt alle "Farbenspiele" ab, weil für sie fix ist, dass die ÖVP nach der Wahl am 29. Jänner weiter stärkste Partei im Land sein wird und Mikl-Leitner damit auch bei Verlusten Landeshauptfrau bleibt.
Spannung durch das Proporzsystem
Auch wenn Mikl-Leitner bei der TV-Konfrontation des ORF am Donnerstagabend Schnabl und Landbauer speziell in der Asylfrage ("Sie machen reinen Populismus und tun nichts") scharf angegriffen hat, hat sie weder eine Zusammenarbeit mit der SPÖ noch mit der FPÖ ausgeschlossen, sondern lediglich betont, dass sie den FPÖ-Obmann nicht zum Landeshauptmann machen werde. Umgekehrt hat Landbauer nochmals wie schon zuvor im Wahlkampf bekräftigt, dass er Mikl-Leitner nicht wählen werde, weil sie fünf Jahre bewiesen habe, dass sie es "nicht richtig kann". Als sicher gilt, dass die ÖVP entweder mit der SPÖ oder der FPÖ eine Mehrheit im Landtag haben wird.
Für zusätzliche Spannung und Rätselraten sorgt allerdings der Umstand, dass in Niederösterreich anders als etwa in Tirol oder Salzburg ein Proporzsystem gilt. Das bedeutet, dass jede Partei ab einer bestimmten Stimmenstärke von rund zehn Prozent automatisch mit zumindest einem Sitz in der Landesregierung vertreten ist. Derzeit hat die ÖVP sechs der neun Sitze in der Landesregierung inne, die SPÖ zwei, die FPÖ einen Landesrat. Während sich die Mikl-Leitners Landes-ÖVP bereits auf den Verlust der absoluten Mehrheit im Landtag nach der Wahl eingestellt hat, ist das erklärte Wahlziel jedenfalls das Halten der absoluten Mehrheit in der Landesregierung. Als Richtschnur, um zumindest die Mehrheit in der Landesregierung zu schaffen, gilt das Erreichen der 40-Prozent-Marke am Sonntag.
40-Prozent-Marke für ÖVP für Landesregierung entscheidend
Verliert die ÖVP zwar die absolute Mehrheit und verzeichnet deutliche Verluste, bleibt aber beim Stimmenergebnis über 40 Prozent, so gilt als wahrscheinlich, dass sie zwar auch einen Landesratsposten abgeben muss, aber mit fünf Mitgliedern in der Landesregierung noch immer die Mehrheit gegenüber SPÖ und FPÖ hätte. Als zumindest unwahrscheinlich gilt nach den Umfragen, dass Grüne oder Neos so stark zulegen, dass eine der beiden Parteien nach dem Proporzsystem in die Landesregierung einzieht.
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Schafft die ÖVP nicht einmal die 40-Prozent-Marke, was laut Prognosen möglich ist, droht der Volkspartei in Niederösterreich auch erstmals der Verlust der Mehrheit in der Landesregierung mit dann nur vier mehr Regierungsmitgliedern gegenüber SPÖ und FPÖ. Wobei dann die Frage wäre, ob bei einem solchen Szenario die im Aufwind befindliche FPÖ oder die SPÖ drei der fünf anderen Regierungssitze einnimmt.
Die Mehrheit in der Landesregierung ist nicht nur bei Beschlüssen wichtig. Sie ist gleich zu Beginn der neuen Amtsperiode mit ausschlaggebend für die Aufteilung der Kompetenzen innerhalb der Landesregierung. Die konstituierende Sitzung des neugewählten Landtages dürfte dann am 23. März stattfinden.