Die SPÖ will künftig die BürgerInnen stärker in polititsche Entscheidungen einbinden und die Tür zu einem "proporzfreien Österreich aufstoßen", wie Parteichef Alfred Gusenbauer gestern in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen drei Quereinsteigern Wolfgang Petritsch, Josef Broukal und Gertraud Knoll seine geplante "Koalition mit den BürgerInnen" präzisierte. Alle unmittelbar nach der Wahl gesetzten Maßnahmen werde er den beiden Prioritäten "neue Jobs schaffen" und "Arbeitslosigkeit senken" unterordnen.
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Die Instrumente der direkten Demokratie sollen künftig stärker zum Einsatz kommen und damit die Bevölkerung konkreter in politische Entscheidungen eingebunden werden. Mit Volksbefragungen will Gusenbauer "die Handelnden unter Druck setzen", wenn Projekte aufgrund eines politischen Stillstands zu scheitern drohen. Der österreichischen Bevölkerung attestierte er in dieser Hinsicht Reformfreudigkeit.
In Sachen Abfangjäger könnte sich der Parteichef etwa vorstellen, die BürgerInnen zu befragen. Keine Notwendigkeit sieht er darin, über die Neutralität abstimmen zu lassen. Eine Volksbefragung zur EU-Erweiterung lehnt er entschieden ab, denn die Entscheidung über eine Einigung Europas könne und dürfe nicht ein Land alleine fällen. Für Österreich gelte es, die Erweiterung so gut vorzubereiten, "dass wir die Zustimmung der Bevölkerung bekommen".
Keine Befragung der Bürger bei Volksgruppen
Auch eine Entscheidung der BürgerInnen über Volksgruppen und Minderheiten lehnt die SPÖ ab, wie Petritsch erklärte. Er plädierte bei der Gelegenheit für eine präventive Friedenspolitik und will auch in der Außen- und Europapolitik die Menschen einbinden.
Ebenso im Sozialbereich seien die notwendigen Reformen mit einer Klientelpolitik nicht möglich, betonte Knoll. Für Broukal darf es auch in der Forschung und Entwicklung nicht nach dem Prinzip speed kills, sondern gemeinsam gewinnen gehen.
Postenbesetzungsverfahren sollen künftig mit einem unabhängigen Begleitverfahren von außen durchgeführt werden, setzt sich Gusenbauer für ein "proporzfreies Österreich" ein. Für viele qualifizierte Menschen hätte das verurteilte System in der Vergangenheit dazu geführt, dass sie aus politischer Gesinnung "entfernt worden sind". Als Beispiele der angedachten Reform nannte er öffentliche Hearings für Botschafterbesetzungen und andere Spitzenfunktionen in der öffentlichen Verwaltung.
Kritik an den Forderungen der SPÖ kam erwartungsgemäß von den Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ. ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat warf dem Parteichef vor, sich auf "Leerformeln und unfinanzierbare Vorstellungen" zu beschränken. Für FPÖ-Klubchef Karl Schweitzer ist es "schlicht eine Unverschämtheit", dass Gusenbauer mehr Volksbefragungen fordert, weil die SPÖ das FPÖ-Demokratiepaket bisher immer blockiert habe.