Am 4. Dezember ist es so weit: Die neuen Pisa-Testergebnisse werden veröffentlicht. Schon jetzt kursieren Gerüchte, dass das schlechte Ergebnis von 2003, das zu einem Schock im Land geführt hatte, noch getoppt wird. Vom Abrutschen um zehn Ränge ist schon die Rede. Wie damals wird auch diesmal wieder eine heftige Auseinandersetzung um das Warum einsetzen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
In vorauseilendem Eifer geben schon jetzt Pisa-Kritiker ihre Beiträge ab. So etwa hält der Philosoph Konraud Paul Liessmann Pisa für "höchst fragwürdig" und "verzichtbar". Kritisch sieht er die Entwicklung, dass durch "vordergründig neutral erscheinende" Tests wie Pisa auch Bildungsziele definiert würden: "Wenn man solche Tests sehr ernst nimmt, wird man insgeheim die Lehrpläne so gestalten, dass sie den Vorstellungen der Pisa-Test-Konstrukteure entgegen kommen."
Liessmanns Kritik wäre absolut zuzustimmen, träte denn tatsächlich ein, dass Schülerinnen und Schüler künftig nur noch auf Pisa-Fragen getrimmt würden. Dem ist aber nicht so.
Da die Fragen nicht länderspezifisch kreiert werden, gelten für alle die gleichen Schwierigkeiten. Pisa stellt fest, wo die Schüler in einer bestimmten Altersstufe stehen. Und für Österreich gilt: Die Schüler tun sich schwer, Aufgaben, die sie in der Schule lernen, in einer Variationsform anzuwenden. Diese Erfahrung zeigt, dass es nicht um reine Wissensabfrage geht.
Bildungsexperte Michael Schratz (Fachgebiete: Bildungsmanagement, Qualitätssicherung und Schulentwicklung) sieht ein Alarmsignal in den Pisa-Ergebnissen: "In unserem System wird auf Reproduzieren von Wissen Wert gelegt. Wir geben enorm viel Geld aus für Wissensansammlung, die nach der Prüfung sofort wieder vergessen wird."
Diese Mittel müssten in die Verbesserung des Schulsystems gehen. Denn es erzeugt Angst, wenn man etwas nicht versteht. Und neue Erkenntnisse der Neurobiologie beweisen: Unter Angst kann man nicht lernen. Schratz sieht dieses problematische Lernen, das nichts mit Verstehen zu tun hat, auch durch die Aufnahmetests an den Medizin-Unis bestätigt: "Die Österreicher scheiden aus, weil sie nicht verstehen, was sie gelernt haben." Dringendste Aufgabe sei, die passive Haltung zum Lernen zu ändern.
Die neue Pisa-Studie wird auch die nun in Gang befindliche Diskussion um die Gesamtschule wieder neu entfachen: Ja, es stimmt, es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen guten Pisa-Ergebnisse und Gesamtschule. Aber in guten Gesamtschulen sind die besseren Schüler besser, als die Elite in Österreich. Das liegt daran, dass im Gesamtschulsystem viel stärker auf individuelle Schulleistungen eingegangen wird. Und: Gesamtschule ist nicht gleich Gesamtschule. Wenn es Pisa gelingt, die Debatte über bessere Unterrichtsformen anzukurbeln, hat der Test schon Wesentliches geleistet. Seite 4