Klimagipfel in Seoul: 60 Vertreter führender Staaten und internationaler Organisationen setzen auf Nachhaltigkeit.
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Der Gipfel in der südkoreanischen Hauptstadt endete mit einer gemeinsamen Verpflichtung, wie sie die Welt länger nicht erlebt hat: Der Weg aus der Pandemie, die dem Planeten nun seit eineinhalb Jahren den Takt vorgibt, müsse über Nachhaltigkeit führen: "Wir erkennen die Klimakrise als drängende globale Bedrohung an, deren Auswirkungen auch über die Umwelt hinausreichen und ökonomische, soziale, sicherheitspolitische und menschenrechtliche Herausforderungen beinhalten", heißt es in der Seouler Erklärung von Montagnacht.
Unterzeichnet haben sie mehr als 60 Vertreter führender Staaten und internationaler Organisationen, darunter die Regierungsoberhäupter von Deutschland, Großbritannien und Frankreich, hohe Vertreter aus China und den USA sowie die Generalsekretäre der Vereinten Nationen und der OECD. Das Abschlussstatement des G4P genannten Klimagipfels, der bis Anfang der Woche über digitale Verbindungen in Seoul stattfand, soll als Trittbrett für den COP-Klimagipfel Ende des Jahres gelten, an dem dann alle Staaten der Welt teilnehmen.
P4G steht für "Partnering for Green Growth and the Global Goals 2030", also die internationale Partnerschaft für grünes Wachstum und die globalen Ziele, die für 2030 gesetzt worden sind. Diese betreffen vor allem die UN-Entwicklungsziele - also maßgeblich eine Reduzierung der Armut und Ungleichheit sowie einen nachhaltigeren Umgang mit dem Planeten - und die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens von 2015, wonach die Erderwärmung bei deutlich unter zwei und möglichst bei 1,5 Grad gehalten werden soll.
Nach 2018 in Kopenhagen fand der P4G-Gipfel nun zum zweiten Mal statt und sein Ziel ist es, Lösungswege durch öffentlich-private Partnerschaften zu finden. Erreicht hat er schon auf anderer Ebene etwas: Mit der Seouler Erklärung wurde ein Text vorgelegt, der die Klimakrise ganzheitlich begreift. Anders als zu Zeiten von Donald Trump im US-amerikanischen Präsidentenamt, als man sich auf internationaler Ebene streiten musste, ob es den Klimawandel überhaupt gibt, wird das Problem nun mit seinen vielen Facetten ernstgenommen.
Der Klimawandel betrifft demnach also nicht nur die Umwelt, sondern diverse Ebenen des nicht-menschlichen und menschlichen Lebens. In der Wissenschaft ist dies schon lange Konsens. Allein durch häufiger und stärker auftretende Wetterphänomene, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur sowie des Meeresspiegels werden einige Gegenden der Welt unbewohnbar, andere werden sich nicht mehr bewirtschaften lassen.
Große Migrationsbewegungen
Nicht nur Tier- und Pflanzenarten sterben aus, auch Menschen verlieren die Lebensgrundlagen. Es könnte zu großen Migrationsbewegungen und neuen Konflikten kommen. Teilweise zeigt sich dies bereits. Die Pandemie ist gerade dabei, die globalen Ungleichheiten noch zu verschärfen. Denn es sind die reicheren Länder der Welt, die mehrheitlich ihre Bevölkerungen impfen, während die Mehrheit der Menschheit voraussichtlich noch deutlich länger mit der Pandemie zu kämpfen haben wird. Dort wird dann auch die ökonomische Erholung später beginnen.
Die Seouler Erklärung, die sich als Taktgeberin für den wichtigeren COP-Klimagipfel in Glasgow ab November versteht, will nun zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das postpandemische Aufleben der Ökonomie soll zugleich ihre klimapolitische Läuterung werden. Die Rede ist von einer "inklusiven grünen Erholung in Richtung CO2-Neutralität." Weltweit wolle man daran arbeiten, dass Kohlekraftwerke schnellstmöglich heruntergefahren und keine neuen gebaut werden, stattdessen die Förderung erneuerbare Energien steige.
"Der Staat kann und wird diese Krise nicht allein lösen", betonte allerdings John Kerry, Ex-US-Außenminister und Vertreter der USA. "Privat-öffentliche Partnerschaften sind nötig, um widerstandsfähige Gemeinschaften zu kreieren." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte zudem die Chance im Neuanfang: "Die Erholung von der Pandemie ist der richtige Moment, um unsere Gesellschaften und Ökonomien neuzudenken."
Kristalina Georgieva, Generaldirektorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), forderte von den Staaten eine CO2-Bepreisung, die so hoch sei, dass Betriebe und Staaten den Druck spürten, ihre CO2-Abdrücke schnellstmöglich zu reduzieren.
Viel konkreter wurde es in
Seoul zwar nicht. Hoffnungen auf einen neuen Ton in der Klimapolitik machte das Treffen dennoch. Einen weiteren Grund dafür kannte Chung Eui-yong, Außenminister von Südkorea: Es sei besonders wichtig, dass die USA und China, die zwei größten und derzeit vielleicht zerstrittensten Volkswirtschaften der Welt, die gemeinsame Erklärung unterschrieben. "Sie haben beide viel zu dieser internationalen Anstrengung beigetragen." Was sich auch als Aufforderung verstehen lässt, dass es jetzt nicht bei bloßen Worten bleiben kann.
Beschleunigerder Wende
In Südkorea nutzt man die internationale Aufmerksamkeit dazu, sich als Beschleuniger dieser Wende zu etablieren. Als die Pandemie ihren globalen Lauf zu nehmen begann, kündigte der Präsident Moon Jae-in des in der Virusbekämpfung erfolgreichen Landes schon im Juli an, der ökonomische Weg aus der Krise müsse über mehr Nachhaltigkeit führen.
Womöglich auch deshalb begann kurz darauf zwischen den drei großen Volkswirtschaften Asiens ein Wettlauf darum, wer der Grünste der Region ist. Im September überraschte Chinas Staatspräsident Xi Jinping die Welt, als er per Video vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York verkündete, China werde binnen 40 Jahren netto kein CO2 mehr freisetzen. Bis 2060 müssten im 1,4-Milliarden-Land also diverse Kohlekraftwerke stillgelegt und Fabriken wie Autos umgerüstet oder ausgetauscht sein. Derzeit ist China der mit Abstand größte Umweltverschmutzer, setzt fast doppelt so viel CO2 frei wie die USA.
Einen Monat nach Xis großem Versprechen folgte Yoshihide Suga, Premierminister Japans, der drittgrößten Volkswirtschaft und dem fünftgrößten Emittenten von Kohlenstoffdioxid weltweit. Sein Land werde bis 2050 CO2-neutral sein, also zehn Jahre vor China und zeitgleich mit der EU. Dafür werde man einerseits die Entwicklung von Wind-, Wasser- und Sonnenkraft sowie Wasserstoff als Energieträger fördern. Andererseits will Japan auch in Zukunft auf Atomkraft setzen. Ohnedies sei eine Wende nicht zu machen, heißt es aus Regierungskreisen in Tokio. Die regierende Konservative im Land sieht Japan als ressourcenarm an, wenngleich das Land über diverse Quellen für Erneuerbare verfügt. Kritiker sehen den großen Einfluss der Atomindustrie auf Politik als wichtigen Grund.
In Seoul will man andere Wege gehen. Auf die Ankündigungen aus Japan im Oktober konkretisierte Moon seinen Plan zur CO2-Neutralität, die bis 2050 erreicht sein solle. Allerdings will Südkorea zudem aus der Atomkraft, die derzeit rund 20 Prozent des Energiemixes ausmacht, Schritt für Schritt aussteigen. Für den COP-Klimagipfel in Glasgow hat Moon Jae-in zudem eine Erhöhung der derzeitigen Ziele in Aussicht gestellt.