Nach Großbritannien nutzen die USA und Kanada das Covid-19-Vakzin. Die EU will den Zulassungsprozess beschleunigen und auch Deutschland drängt.
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Die ersten Flugzeuge landeten in Los Angeles und Montreal. An Bord hatten sie zehntausende Dosen des Covid-19-Impfstoffes der deutschen Biotechfirma BioNTech und deren US-Partners Pfizer. Nach Großbritannien, das dieses Vakzin als weltweit erstes Land per Notfallgenehmigung zugelassen und zur Anwendung gebracht hat, begann am Montag in Nordamerika das große Impfen.
Das seien gute Nachrichten, schrieb der kanadische Premierminister Justin Trudeau auf Twitter neben das Bild eines Frachtflugzeuges. "Aber unser Kampf gegen Covid-19 ist nicht vorbei. Wir sollten jetzt mehr denn je wachsam sein." Laut Nachrichtenagentur Reuters sollen die ersten 30.000 Dosen an 14 Standorte in ganz Kanada gehen. Zuerst geimpft werden sollen die am stärksten gefährdeten Personen, einschließlich älterer Menschen in Langzeitpflegeeinrichtungen und Beschäftigte im Gesundheitswesen.
Das sollen auch die ersten Empfänger in den USA sein. Starten wird die Impfkampagne voraussichtlich im Bundesstaat Kentucky, wie Gouverneur Andy Beshear andeutete. Ebenfalls via Twitter freute er sich: "Wir sind weniger als 24 Stunden vom Anfang des Endes dieses Virus entfernt." In Louisville in Kentucky ist ein zentrales Drehkreuz des US-Logistikkonzerns UPS angesiedelt. Ein anderes wichtiges Verteilzentrum des Konkurrenten FedEx befindet sich in Memphis, Tennessee.
Dass die Vereinigten Staaten ebenso wie Großbritannien eine Notfallgenehmigung für den Impfstoff erteilt haben, war nicht zuletzt eine politische Entscheidung. Denn die Regierungen standen unter massivem Druck. In den USA haben sich mehr als 16 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert - mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Nirgends sind auch so viele daran oder damit gestorben: fast 300.000 Personen. Und Großbritannien hat nach Italien die meisten Todesopfer auf dem europäischen Kontinent zu beklagen: mehr als 64.000 Menschen.
Mittlerweile ließ auch Singapur das Vakzin von BioNTech und Pfizer zu. In Russland und China wird bereits seit einziger Zeit geimpft, allerdings mit anderen Produkten.
Mehr Daten, mehr Kontrolle
In der EU wird ebenfalls in erster Linie auf den deutsch-amerikanischen Wirkstoff gesetzt. Allerdings auf regulärem Weg. Zwar hätten auch die EU-Staaten unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit einer nationalen Notfallzulassung. Doch haben sie sich entschieden, die Prüfung auf Unionsebene abzuwarten - durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA). BioNTech und Pfizer hatten vor gut zwei Wochen einen entsprechenden Antrag gestellt.
Die Beurteilung durch die Behörde kann ein Jahr dauern. Doch wächst auch in Europa nach Reuters-Berichten der politische Druck, das Verfahren zu beschleunigen. Laut der "Bild"-Zeitung drängt konkret die Regierung in Berlin, den Impfstoff schon bis zum 23. Dezember zuzulassen. Sowohl das Kanzleramt als auch das Gesundheitsministerium würden demnach intern diese Forderung erheben.
Das EU-Zulassungsverfahren dürfte aber ohnehin rascher als sonst abgewickelt werden. Zum einen sind die Daten bereits im Oktober an die EMA geschickt worden, zum anderen hat die EU-Kommission versichert, schneller zu reagieren als vorgesehen. Sie hätte 67 Tage Zeit, um über eine EMA-Empfehlung auf Zulassung zu entscheiden. Sie will dies aber innerhalb von Stunden oder weniger Tage tun. Die Agentur selbst möchte ihre Bewertung bis 29. Dezember abschließen.
Der EU-Abgeordnete und Arzt Peter Liese verteidigt die Vorgehensweise der Europäer bei ihrer Impfstrategie. "Ich bin überzeugt, dass die EU vieles richtig gemacht hat und macht", erklärte er in einem virtuellen Pressegespräch. Der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im EU-Parlament, der EVP (Europäische Volkspartei), führt drei Gründe an, warum die Art der EU-Zulassung mehr Sicherheit biete als die Notfallgenehmigungen. Zum einen sind die Daten, die die Unternehmen vorlegen müssen, umfassender. Zum anderen müssen die Konzerne für ihr Produkt haften - was bei einer Notfallzulassung nicht der Fall sei. Zum dritten sei die Einbindung der nationalen Behörden in die EMA auch eine Möglichkeit, unterschiedliche Erfahrungen zu nutzen.
Unterdessen bereiten sich die EU-Staaten schon auf die Impfungen vor. Spanien hat angekündigt, bereits in den ersten Tagen des kommenden Jahres damit zu beginnen. Auch Österreichs Regierung rechnet mit einem Impfstart noch im Jänner.