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Das "grüne Geld" als Alternative

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

In unseren Breiten gewinnt Geldanlage nach ethischen und sozialen Kriterien immer mehr an Bedeutung. Die Zahl der Anleger ist zwar noch klein, aber stetig im Wachsen. Für gläubige Moslems ist das Thema Geldanlage schon seit 30 Jahren mit strengen Auflagen und Richtlinien verbunden. Die Aktien von Banken und Versicherungen beispielsweise sind für Muslime tabu. Dieses Jahr wurde in Deutschland ein Gesetz eingeführt, das Anlagegesellschaften wie Pensionskassen verpflichtet darzulegen, ob ethische, soziale und ökologische Belange bei der Veranlagung des Geldes berücksichtigt wurden.


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Die Idee zur ethisch und ökologischen Veranlagung des Geldes ist aus der Umwelt-, Friedens- und Bürgerrechtsbewegung entstanden. Man war es satt, gegen Umweltzerstörung, Aufrüstung, soziale Missstände und Rassendiskriminierung zu demonstrieren und diese Dinge dann aber gleichzeitig mit dem eigenen Sparbuch mitzufinanzieren. Sinnvolle Investitionsmöglichkeiten, die den Lebensraum anderer nicht zerstören oder soziales Elend, beispielsweise durch Kinderarbeit, schaffen waren gefragt, und diese sollten obendrein einen ökonomischen Nutzen bieten. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben diese Überlegungen in Europa und den USA zur Gründung von Öko-Banken, speziell auf diesen Bereich zugeschnittenen Rating-Agenturen und Öko-Fonds geführt.

In Großbritannien und den Niederlanden sind ökologische sowie ethische Anlageformen weit verbreitet. In Deutschland boomt der Markt für das "grüne Geld". In den USA stecken mittlerweile mehr als 2000 Mrd. $, das sind 10% des gesamten Anlagemarktes, in Social Investments. Eine steigende Nachfrage ist auch für Österreich zu erwarten.

"Es gibt Anleger, die sind an mehr interessiert als an Performance und Rendite", erklärt Peter Reithofer, bis vor kurzem Geschäftsführer von Tokos, einer Vermögensberatungsfirma, die sich ausschließlich dem Thema öko-soziale Anlagemöglichkeiten verschrieben hat, und Pionier auf dem Gebiet. In letzter Zeit konstatiert er überhaupt ein verändertes Anlegerverhalten: "Auch Manager, die früher den Ideen der Nachhaltigkeit nichts abgewinnen konnten, beginnen sich neu zu orientieren und fragen sich: Wer sind und was machen denn eigentlich die Unternehmen, in die ich mein Geld stecke?" Außerdem wächst das Interesse an Investments, die längerfristig gute Erfolge in Aussicht stellen.

Rechenschaft gefordert

Dieser Gesinnungswandel auch bei den sogenannten "normalen" Anlegern ist für Reithofer ein positiver Impuls, der aufgegriffen werden muss. "Der Druck geht dahin, dass sich der Kapitalmarkt zwar langsam aber doch in Richtung ethisch-soziale Unternehmenspolitik entwickelt". Die EU arbeitet an einer Richtlinie, wonach Pensionsgesellschaften verpflichtet werden alle drei Jahre über ihr Anlage-Engagement in Sachen Umweltschutz und Soziales Rechenschaft abzulegen.

Die Initiative zur Berichts-pflicht entstand auch, weil die private Pensionsvorsorge an Bedeutung gewinnt. Die Gewerkschaft aber als Vertretung jener, deren Geld Zinsen bringen soll, fordert, dass nicht nur ökonomische Kriterien zum Tragen kommen. In Deutschland wurde gleichzeitig zur Rentenreform, welche die private und betriebliche Altersvorsorge staatlich fördert, die Berichtspflicht eingeführt. "Natürlich gab es von Seiten der Industrie Widerstand", berichtet Walter Kahlenborn vom Forum Nachhaltige Geldanlagen, das Investmentgesellschaften, alternative Banken und Finanzdienstleister repräsentiert, "doch schließlich konnte man sich mit der Opposition einigen, die in der geforderten Transparenz eine Belebung für den Wettbewerb sahen." Ab 2002 werden Fonds mit solchen Rechenschaftsberichten zu kaufen sein.

Kahlenborn räumt ein, dass die Vorgaben für die Kontroll-Berichte noch äußert viele Fragen offen lassen. So müssten die Anlagegesellschaften schriftlich über ihre Investititonstätigkeit berichten, doch es gäbe bisher noch keine Sanktionen, wenn die Angaben nicht zutreffen. Der Experte für "grünes Geld" verläßt sich aber hier auf die kritische Öffentlichkeit und die Wachsamkeit der NGO's, die jedes Verfehlen sofort anprangern werden.

Insgesamt ist diese Bestimmung mit Vorsicht zu betrachten, denn die Unternehmen selbst müssen keinen verbindlichen schriftlichen Öko-Sozial-Bericht ablegen. Erich Hoffman, Geschäftsführer von Tokos, erläutert den Prozess: "Die Anlagegesellschaften werden in der Regel auf das Know-how der Rating-Agenturen zurückgreifen. Wenn die Pensionskasse mitteilt, dass sie in zertifizierte Fonds anlegt, bleibt ihr die Recherche erspart." Doch Tokos will sich nicht auf die Arbeit der renommierten Rating-Agenturen allein verlassen. Das kürzlich erschienene "Schwarzbuch Markenfirmen", das über "die Machenschaften von Weltkonzernen" Auskunft gibt, dient der Vermögensberatung als Prüfinstrument ihrer Produkte. "Wir machen uns die Arbeit, alle Fonds zu untersuchen. Finden sich unter den jeweils "Top 10" Unternehmen, die dem Buch nach nicht hineingehören, müssen wir der Sache nachgehen und eventuell uns auch von manchen Fonds trennen." Ganz können "grüne" Anleger die Verantwortung nicht abgeben. Den Rating-Agenturen muss auch auf die Finger geschaut werden. Die Ermittlung, ob ein Unternehmen als ökologisch oder sozial bewertet wird, erfolgt mittels kompliziert ausgetüftelter Fragebögen. Die Richtigkeit der Angaben muss vom Vorstand durch Unterschrift bestätigt werden. Eine Befragung der Arbeitnehmerseite gibt es zum Beispiel nicht.

Prüfung nur via Fragebögen

Richard Weberberger arbeitet für die sam-group (sustainable asset management), eine Rating-Agentur und Fondsgesellschaft mit einem der größten Ermittlungsteams in Europa: "Die Fragebögen werden ausgewertet, außerdem wird via Mediendatenbank das Unternehmen laufend geprüft." Einen Lokalaugenschein vor Ort gebe es allerdings nicht, auch würde bei Mitarbeitern oder Betriebsräten nicht gegengecheckt. Aus Sicht von Tokos befindet sich die sam-group in einem Dilemma, weil sie einerseits die Unternehmen zertifiziert und diese auch in den Fonds vertreibt. "Es gibt durchaus Nachholbedarf bei den Kontrollen der Agenturen." Druck auf eine nachhaltige Unternehmenspolitik entstünde mittlerweile vor allem durch die Fondsgesellschaften, die mit den Unternehmen selbst Kontakt aufnehmen und auf die Einhaltung der Kriterien drängen. Diese Form der Intervention durch Anleger wird mit "engagement" bezeichnet. Ein Fortschritt zeichnet sich step-by-step ab.

Prinzipiell unterscheiden die Profis zwischen drei Formen der "grünen" Anlage: Für Fonds mit absoluten Ausschlusskriterien sind bestimmte Branchen wie Atomenergie, Rüstung, Gentechnik, Chlorchemie, Flugzeug- und Autoindustrie, Kinderarbeit, Prostitution und Tierversuche tabu. "Auch positive Anforderungen wie ein langer Lebenszyklus sowie die Reparaturfähigkeit eines Produktes, minimaler Ressourcenverbrauch oder geringe Abfallmengen können gestellt werden", erklärt Reithofer. Ebenso sollte die soziale Dimension - wie behandelt die Aktiengesellschaft ihre Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden - Berücksichtigung finden.

Der "best of class"-Ansatz ist nicht so streng. Bei diesem System mit Öko-Effizienz sollen Anreize geschaffen werden, sich mehr im Umweltbereich zu engagieren. "sam nimmt alle Gruppen und greift die zehn besten heraus. Dabei schreckt man auch vor Atom- oder Autoindustrie nicht zurück", so der Experte. Die Mischform sind "best-of-class-Fonds" mit Ausschlussvorgaben.

Die Qual der Wahl liegt beim Privatanleger und seiner Weltanschauung. Er muss sich ständig auf dem Laufenden halten und prüfen, ob sein Geld von den Fondsmanagern wirklich in seinem Sinn angelegt wird.