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Das harte Brot einer grünen Politikerin

Von Heiner Boberski

Politik

Die Salzburger Grünen-Chefin Astrid Rössler hofft, dass ihre Sachpolitik im Land trotz der Krise auf Bundesebene Anerkennung findet.


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Salzburg. Die Grünen sind bei der Nationalratswahl am 15. Oktober nach 31 Jahren aus dem Nationalrat geflogen. Werner Kogler will nun nicht nur ihr Nachlassverwalter sein, sondern die Partei bis zur nächsten Bundeswahl wieder schlagkräftig machen. Als Stütze für die Bundesgrünen kann sich die Regierungsbeteiligung der Ökopartei in fünf Bundesländern - Wien, Salzburg, Kärnten, Tirol und Vorarlberg - erweisen. In Salzburg, Tirol, Kärnten und in Niederösterreich stehen im kommenden Jahr Landtagswahlen an, bei denen es darum geht, den Einfluss der Grünen auszubauen oder zumindest abzusichern.

In Salzburg hat Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Rössler das beste Ergebnis der Grünen im Land von 20,18 Prozent aus dem Jahr 2013 zu verteidigen. Bei ihrer Landesversammlung in Hallein haben die Salzburger Grünen vergangenen Samstag Rössler zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im April gewählt. Die Grünen-Chefin war die einzige Kandidatin, sie erhielt von den rund 150 Delegierten mit 95 Prozent eine breite Unterstützung für ihren Kurs. Wie sie mit diesem die Grünen wieder voranbringen will, präzisiert Rössler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

"Wiener Zeitung":Wenn man die verlorene Nationalratswahl und jetzt den Fall Peter Pilz betrachtet: Haben die Grünen sich nicht etliche Fehler vorzuwerfen?Astrid Rössler: Werner Kogler hat es bestmöglich auf den Punkt gebracht: Wir haben eine veritable Krise. Wir haben aber auch, da wir nicht im Nationalrat sind, die Chance, uns neu zu orientieren. In so einer Krise liegt immer auch die Chance, über Versäumnisse zu reflektieren, einen Wandlungsprozess durchzumachen.



Sehen Sie da schon konkrete Ansätze oder sind Sie noch in der Analysephase?

Ich glaube, die Analysephase tut uns gut. Sie ist notwendig, sie wird natürlich hauptsächlich getragen von den einzelnen Bundesländern. Wir sind im regelmäßigen Austausch, es wird in nächster Zeit gemeinsame Treffen geben, wo wir am Neuaufbau gemeinsam arbeiten.

Wie sehen Sie den Fall Pilz? Hat man in den Ländern nichts von dem mitbekommen, was ihm nun vorgeworfen wird?

Da bin ich zu weit weg. Details sind mir nie bekannt geworden. Ich kann und möchte auch nicht die Ereignisse, die sich von Tag zu Tag ändern, kommentieren.

Sie regieren in Salzburg seit 2013 mit. Mit welchen Ihrer Projekte sind Sie besonders zufrieden?

Für mich persönlich war sicher die Raumordnungsnovelle das größte Projekt, es hat auch über Salzburgs Grenzen hinaus Beachtung gefunden. Ich bedaure, dass sonst der Umweltschutz, vor allem auf Bundesebene, die letzten Jahre viel zu kurz gekommen ist. Da verlieren wir im wahrsten Sinn des Wortes viel Boden unter den Füßen. Verpflichtungen, die Österreich eingegangen ist, sind vernachlässigt worden. Ich halte ein zweites Salzburger Projekt, den "Masterplan Klima und Energie", deshalb für so wichtig, weil es damit gelungen ist, ein abteilungs- und ressortübergreifendes Projekt auf die Beine zu stellen. Auch da fehlt uns die Unterstützung des Bundes. Das dritte Projekt ist sicher der Ankauf großer Flächen im Nationalpark. Dort ist es auch gelungen, im größten Nationalpark Österreichs ein Sonderschutzgebiet, ein Wildnisgebiet, auszuweisen. Diese 6000 Hektar sind ein unglaublicher ökologischer Schatz für die nächsten Generationen, auch als wichtiges Forschungsgebiet im Bereich Klimaschutz.

Und wo sehen Sie Versäumnisse? Was ist Ihnen nicht gelungen?

Man muss natürlich mitunter vom Anspruch von 110 Prozent auf 90 zurückweichen, in den Verhandlungen mit dem betroffenen Regierungspartner, aber auch mit Interessengruppen. Im Naturschutz hätte ich mir gewünscht, dass wir im Bereich der Natura-2000-Nominierungen stärker vorankommen. Da haben wir ein Vertragsverletzungsverfahren auf EU-Ebene, das alle Bundesländer betrifft, auch Salzburg. Bei der öffentlichen Akzeptanz für Naturschutzthemen sind wir noch lange nicht auf dem Niveau, das ich mir wünsche. Es gibt ein schwieriges Projekt, die 380-Kilovolt-Leitung, die wir aufgrund der Rechtslage genehmigen mussten. Mit dem Ergebnis bin ich sehr unglücklich, da wünsche ich mir, dass es doch noch eine Möglichkeit gibt, zumindest Teile der Trasse zu verkabeln.

Wegen der 380-Kilovolt-Leitung hat ja auch die Politologin Sonja Puntscher-Riekmann, die selbst aus der grünen Bewegung kommt, heftige Kritik geübt. Wird Ihnen der Vorwurf, dass die Grünen hier umgefallen sind, bei der Landtagswahl auf den Kopf fallen?

Ich gehe schon davon aus, dass Betroffene enttäuscht sind und sich möglicherweise anders entscheiden. Auf der anderen Seite ist das Ergebnis korrekt in einem Behördenverfahren mit allen Beteiligten zustande gekommen. Man kann von mir als Politikerin, die einen Eid auf die Verfassung und die Gesetze geleistet hat, nicht erwarten, dass ich Rechtsbeugung begehe. Ich habe das rechtsstaatliche Prinzip zu respektieren, auch wenn ich das Ergebnis in diesem Fall nicht gut finde.

Ein Thema, das politisch eine große Rolle spielt, ist die Migration. Hier wirft man den Grünen eine gewisse Blauäugigkeit vor. Verlieren Sie nicht auch deshalb Wähler?

Das ist sicher ein Thema, wo wir nachschärfen müssen. Ich wehre mich aber dagegen, dass eine an Menschlichkeit und Menschenrechten orientierte Politik automatisch in die naive Ecke gedrängt wird. Es gibt Grundwerte, zu denen wir stehen, es gibt zur Frage der Rechte von anerkannten Flüchtlingen in Österreich eine EU-Rechtslage, zu der wir stehen. Im Land Salzburg gab es 2015 einen großen gemeinsamen Kraftakt, in dem es gelungen ist, viele Flüchtlinge auf der Durchreise, aber auch jene, die in Salzburg geblieben sind, gut zu versorgen.

Die Grünen haben in Salzburg 2013 vor dem Hintergrund des Finanzskandals, der ÖVP und SPÖ viele Stimmen gekostet hat, mit mehr als 20 Prozent ein sensationelles Ergebnis erzielt. Sie waren aber bei der Nationalratswahl so schwach, dass es kaum für den Wiedereinzug in den Landtag reichen würde. Was ist nun Ihr Wahlziel für April 2018?Auf eine Zahl werde ich mich sicher nicht festlegen. Der Wunsch ist, die Chancen auf eine Fortsetzung dieser Regierung zu wahren und zu verteidigen und alles gut zu kommunizieren, wofür wir stehen, was wir erreicht haben und was wir gerne weiter umsetzen wollen. Die Ausgangslage ist einerseits schwierig aufgrund des Ergebnisses der Nationalratswahl, trotzdem sehe ich eine unterschiedliche Bewertung unserer politischen Arbeit auf Bundes- und Länderebene. In Salzburg konnten wir durch drei Regierungsmitglieder in wichtigen Ressorts vieles umsetzen und die grüne Handschrift in der Regierungsarbeit sichtbar machen. Ich spüre, dass die Salzburger Bevölkerung die sachliche, konstruktive Arbeit schätzt.

Warum sollte man in Salzburg grün wählen? Andere Parteien sagen ja auch, dass ihnen Umweltpolitik wichtig ist.

Zwischen Sagen und Tun ist ein großer Unterschied. Ich staune immer wieder, welche Slogans manche Parteien sich gerade im Bereich Umwelt und Klimaschutz zu verwenden trauen, während sie dann jeden Tag das krasse Gegenteil vertreten. Zu allem, was Verkehrspolitik, Naturschutzpolitik, Klimaschutz oder die Abfallwirtschaft betrifft, höre ich täglich nur hohle Phrasen. Und wenn man nur die kleinste konkrete Maßnahme vorschlägt, wird sofort dagegen gearbeitet. Das ist das harte Brot einer grünen Politikerin. Die Flöhe findet man nur, wenn man gegen den Strich bürstet.

Mit Ihrem Koalitionspartner ÖVP kommen Sie aber zurecht?

Doch, obwohl es nicht immer einfach ist, aber das wird auch unser Koalitionspartner von uns sagen. In den fünf Jahren sind wir, und das hefte ich an die grüne Fahne, einem konstruktiven Stil treu geblieben, wir haben einander nichts über die Medien ausgerichtet. Das ist die Basis für eine gute Zusammenarbeit. Landeshauptmann Wilfried Haslauer hat das in einem Interview schön auf den Punkt gebracht: Wenn man sich den Streit erspart, bleibt viel Energie für gute Sacharbeit.

Rechnen Sie mit einer Art "Liste Pilz" in Salzburg?

Das kann ich nicht abschätzen, das ist auch noch zu weit weg.

Zur Person

Astrid Rössler,

geboren 1959 in Salzburg, ist promovierte Juristin und hat berufliche Erfahrungen als Unternehmensberaterin, Mediatorin und im Umweltmanagement. Sie ist in Salzburg seit 2009 Landtagsabgeordnete der Grünen, seit 2011 deren Landessprecherin und seit 2013 Landeshauptmann-Stellvertreterin mit den Agenden Naturschutz, Umweltschutz, Gewässerschutz, Gewerbeangelegenheiten, Raumordnung und Baurecht.