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Nach jahrzehntelangem Streit über ein Haus der Geschichte wird die Planung unter Historiker Rathkolb wieder einmal konkret - ein internationales Expertenteam soll ein kritisches, offenes Museum in der Hofburg realisieren.
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Wien. "Es ist die Ironie der Geschichte", sagt Historiker Gerhard Jagschitz zur "Wiener Zeitung". Schon kurz nach dem 2. Weltkrieg sprühte der damalige Bundespräsident Karl Renner für ein Haus der Geschichte. Aus seinem Plan wurde allerdings nur ein Schauraum in der Hofburg, der kurze Zeit später auch schon wieder aufgelöst wurde. Heute - nach jahrzehntelangem Aufgreifen und Fallenlassens dieser Idee - soll Österreichs Haus der Geschichte nun wieder genau dort landen: in der Hofburg.
In den mehr als 50 Jahren dazwischen liegen etliche Konzepte, Studien, Gehälter, eingesetzte Expertenrunden und seit dem Jahr 2000 fünf Regierungen, die dieses Vorhaben fix in ihrem Programm festhielten. Immer wieder wurde einmal mehr einmal weniger euphorisch ein Anlauf genommen, um schlussendlich nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Betrachtungen von Geschichte der großkoalitionären Parteien wieder Abstand zu nehmen. Einen letzten ernsthaften Anlauf unternahm der damalige Kanzler Alfred Gusenbauer, als er die Firma "Haas&Lordeurop" im Jahr 2008 mit einem Konzept beauftragte. Dieses landete als fertiges Konzept aufgrund vorgezogener Neuwahlen bei der Regierung Werner Faymann und damit endgültig in der Schublade. "Kein Budget", hieß es danach.
Neuer Anlauf
Kulturminister Josef Ostermayer machte vor einiger Zeit wieder einen Vorstoß, dem am Mittwoch konkrete Angaben folgten. Der von ihm beauftragte Historiker Oliver Rathkolb gab seine Expertenrunde und Details bekannt: Österreichs Haus der Geschichte soll Räumlichkeiten im 1. Stock des Corps de Logis der Hofburg erhalten. "Das sind 3000 Quadratmeter. Das geht sich sehr gut aus", sagt er zur "Wiener Zeitung". Dadurch halte sich auch der architektonische Aufwand in Grenzen. Administration und Organisation übernimmt zunächst einmal federführend die Österreichische Nationalbibliothek in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv. Langfristig wird aber laut Rathkolb eine neue rechtliche Konstruktion geplant. "Das Haus der Geschichte wird keine Sammlung der Nationalbibliothek sein", hält der Historiker fest.
Dass ein Haus der Geschichte schon in drei Jahren bereits eröffnet werden soll - nämlich zum 100-jährigen Jubiläum der Republik - hält Rathkolb für machbar. Der Terminplan sei zwar "extrem eng", dank der Vorarbeiten aber möglich. Das Haus soll "kein braves Nationalmuseum sein", sagt Rathkolb, "keine Schulbuchkonstruktion der österreichischen Identitäten", sondern im internationalen und europäischen Kontext stehen. Auch will der Historiker keine "politische Farbenlehre" betreiben, sondern eine "kritische und offene Auseinandersetzung" anstreben. Bei der Auswahl der Experten, die nun das schaffen sollen, woran andere bisher gescheitert sind, lässt Ostermayer dem Historiker freie Hand. Rathkolb, der auch im wissenschaftlichen Beirat für das derzeit entstehende Haus der europäischen Geschichte in Brüssel sitzt, zieht seine Kreise weit und hat bereits 18 von insgesamt 25 Experten an Bord geholt: darunter die Erinnerungsforscherin Aleida Assmann, der Leiter des deutschen Hauses der Geschichte in Bonn, Hans Walter Hütter, der designierte Direktor des Wien Museums, Matti Bunzl, John Boyer von der University in Chicago, der Vizepräsident der Universität in Warschau, Wlodzimierz Borodziej, und Heidemarie Uhl von der Akademie der Wissenschaften.
Viele Studien
Ostermayers Idee wird jedoch nicht von allen begrüßt. Vor allem darüber, ob die Hofburg der geeignete Ort für ein zeitgemäßes Haus der Geschichte ist, wird diskutiert. So sehen etwa die Historiker Gerhard Jagschitz und Stefan Karner die Hofburg nicht als den idealen Ort. "Ich sehe den modernen Zugang nicht", sagt Jagschitz. Für ihn ist es absurd, dass man zuerst den Ort und dann den Inhalt festlegt. "Der Inhalt gibt die Form vor und nicht umgekehrt", so der Historiker. "Ein Haus der Geschichte der Republik Österreich mit den relevanten Bezügen nach vorne ins 20. Jahrhundert sollte vermutlich nicht in einem Gebäude der Monarchie stehen", sagt Karner. Auch Museumsberaterin Claudia Haas stellt infrage, ob ein modernes Museum in einem historischen Bau überhaupt möglich sei. Doch diese Diskussion stellt sich ohnehin nicht mehr. Ort und Größe stehen fest, diese driften jedoch mit den Vorschlägen in den Konzepten der vergangenen fünfzehn Jahre weit auseinander.
Machbarkeitsstudie/Pelinka
Im Jahr 1999 verfasste Anton Pelinka eine Machbarkeitsstudie für ein "Haus der Toleranz", welches ziemlich schnell mit "Haus der Geschichte" gleichgesetzt wurde. Allerdings schrieb er, dass er und sein Team von den Bezeichnungen "Haus der Toleranz" oder "Haus der Geschichte" nicht viel halten. Eher möglich schien ihnen damals "Haus denk mal", "Denk-mal" oder "Sidonie". Pelinka geht von drei Bereichen aus: einem Ausstellungszentrum, einem Bildungszentrum und einem Forschungszentrum. Drei Optionen werden vorgeschlagen: ein Neubau mit 8500 Quadratmetern, ein Neubau mit 3000 Quadratmetern, Adaptierung eines Altbaus mit 3500 Quadratmetern.
Studie/Karner/Rauchensteiner
Im selben Jahr folgte die Studie von Stefan Karner und Manfried Rauchensteiner. In dieser Studie hat ein Haus der Geschichte 7550 Quadratmeter. "Als Zeitraum, innerhalb dessen das Projekt verwirklicht werden kann, wird mit sechs bis neun Jahren gerechnet, bei Gesamtkosten (für Gebäudeherstellung, Einrichtung und laufenden Aufwand) vom Jahr 2000 bis 2009 mit rund 500 Millionen Schilling." Zwei Standorte im 1. Bezirk am Ring und ein Neubau in der Argentinierstraße im 4. Bezirk werden genannt. "Das Haus ist der Geschichte der Republik Österreich seit 1918 gewidmet." Vier Bereiche sind geplant: das Darstellungs-Museum (allein dieser Bereich weist 3000 Quadratmeter auf), Vernetzte Forschung, Datensicherung und Service. Neben dem Ausstellungsareal wird eine "Cafeteria", ein Shop, eine Bibliothek und ein "Internet für Zeitgeschichte" vorgeschlagen.
Im Jahr 2006 gaben die damalige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer und der damalige Verteidigungsminister Günther Platter eine Arbeitsgruppe zur Erstellung eines Fahrplans in Auftrag. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Günter Düriegl bildete draufhin mit weiteren Fachleuten eine "ständige Historiker-Expertengruppe". Fazit der Gruppe: 6000 bis 9000 Quadratmeter, drei Standort-Varianten: Galerie der Forschung bei der Akademie der Wissenschaften, Künstlerhaus am Karlsplatz, und das "Objekt 4" am Gelände des Arsenals. In den Jahren darauf wurde auch immer wieder über den Christian-Broda-Platz auf der Mariahilfer Straße als möglicher Standort für ein Haus der Geschichte debattiert.
ÖVP zahlt mit
Der Kulturminister will nun das konfliktbelastete Projekt umsetzen. Dieses ist im Regierungsübereinkommen enthalten, und auch die ÖVP ist mit an Bord. Das Büro von Wissenschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bestätigt gegenüber der "Wiener Zeitung", dass man grundsätzlich zugesagt habe, sich über die Burghauptmannschaft an den Baukosten für das Haus der Geschichte zu beteiligen. Die aktuellen Planungs- und Umsetzungsschritte müsse man sich im Detail noch anschauen. Inhaltlich sieht sich die ÖVP allerdings nicht berufen. Das Museum werde durch das Kulturministerium umgesetzt, hieß es. Man werde sich nun die bereits vorhandenen Konzepte anschauen, ließ Ostermayer ausrichten. Und die Stadt hält sich aus der Angelegenheit heraus: Ein Haus der Geschichte sei Bundesangelegenheit, hieß es aus dem Büro von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. Dieser ist derzeit mit dem Zubau des Wien Museums beschäftigt.
Wer gibt Leihgaben?
Mit der Einladung Rathkolbs an Wien Museum Direktor Matti Bunzl setzt der Historiker auf gute Vernetzung. Immerhin hat das neue Haus keine eigene Sammlung, sondern muss sich Objekte anderer Museen ausleihen. Dass viele darüber nicht sehr glücklich sein werden, ist klar, doch man zeigt sich gesprächsbereit. "Ich kann mir gut vorstellen, dass das Staatsarchiv in bestimmten Fällen als Leihgeber auftritt. Ganze Bestände, und wir haben viele tausende Laufmeter davon, außer Haus zu geben, ist allerdings gänzlich unmöglich", so Wolfgang Maderthaner, Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs. Denn gespeist werden soll die Dauerausstellung laut Rathkolb vor allem aus Objekten der Nationalbibliothek und des Staatsarchivs. Für Eva Blimlinger, Historikerin und Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien, stellt sich die Frage, ob das Konzept einer Dauerausstellung überhaupt sinnvoll ist. "Bei einem Haus der Geschichte werden anderen Museen Objekte weggenommen. Sinnvoller wäre es auf audiovisuelle Medien, Interaktivität und Monumente im öffentlichen Raum Bezug zu nehmen." "Eine Heeresuniform auszustellen ist überholt", fügt Jagschitz hinzu. Man müsse sich gut überlegen, wie man Geschichte darstellen kann. Schon lange fände eine Zersplitterung der Zeitgeschichte statt. Es gebe viele gute Ausstellungen, etwa das Zeitgeschichte Museum in Ebensee in Oberösterreich oder diverse Austellungen auf der Schallaburg. Alle Bundesländer müssten gemeinsam ein Werk schaffen, in dem sich alle wiederfinden. "Es gibt nicht nur eine, sondern viele Geschichten", sagt der Historiker.
Nicht für Kinder
Der größte Wermutstropfen für viele Museologen ist jedoch die Reduzierung des geplanten Weltmuseums und der einhergehende Wegfall der angedachten Zusammenarbeit des Weltmuseums mit dem Zoom Kindermuseum. Für Blimlinger ist das "gerade in Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche fremde Kulturen und Religionen kennenlernen sollten", "katastrophal". Das Argument, dass angeblich zu wenig Geld da sei, lässt Blimlinger nicht gelten. Da liege ein Weltmuseum-Konzept da, und jetzt reduziere man es. Der Weg der damaligen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer und des damaligen Generaldirektors Wilfried Seipel würde damit zu einem Ende gebracht, das ehemalige Völkerkundemuseum stetig zu reduzieren. Statt der ursprünglichen 4550 Quadratmeter wird das Weltmuseum nun aufgrund des Hauses der Geschichte mit 3900 Quadratmeter zurecht kommen müssen. Es wurde damals als Museum für Völkerkunde dem Kunsthistorischen Museum unterstellt. KHM-Generaldirektorin Sabine Haag zeigt sich mit den Plänen Ostermayers einverstanden.
"Man kann streiten"
Ein multipolares und virtuelles Museum, welches die vielen Forschungsprojekte zu diesem Thema integriert, die es schon gibt, wünscht sich Historiker Jagschitz. "Man kann streiten, ob das der richtige Weg ist, aber jetzt wurde ein klarer Prozess in Gang gesetzt", so der Direktor des Österreichischen Staatsarchivs Maderthaner. "Ich kenne kein Konzept. Einem Museum wird Platz weggenommen. Und wie wird der Austrofaschismus dargestellt", fragt sich Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen. "Das inhaltliche Konzept wird mit einer möglichst breiten Öffentlichkeit diskutiert werden müssen", so Maderthaner.
In den nächsten Monaten will Rathkolb rund 15 Diskussionsgruppen zusammenstellen, die inhaltlichen Input liefern sollen - etwa mit Proponenten der jungen Kuratorenszene. Bis Sommer soll das erste Rohkonzept zur Architekturausschreibung vorliegen. Der Paukenschlag soll im November 2018 fallen: die Eröffnung.