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Das hebräische Aleph Beth als Urkraft der Schöpfung

Von Alexia Weiss

Politik
Irina Nakimova.
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Konzert "Mysterium der 22" am Sonntag im IKG-Gemeindezentrum.


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Wien. Für die kirgisisch-österreichische Komponistin Irina Nakimova tragen die 22 hebräischen Buchstaben eine lange Geschichte in sich: Einiges davon geben sie preis, manches behalten sie bei sich. In ihrem Werk "Mysterium der 22" für Viola und Klavier verleiht sie den Buchstaben Klang. Zu hören ist die Komposition Sonntag Abend im Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.

Die 22 Buchstaben sind strukturelle Grundlage der hebräischen Sprache, die über Jahrtausende nur Religionssprache war und erst seit der Entstehung des Staates Israel als Umgangssprache verwendet wird, betont Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. Frühere jüdische Umgangssprachen waren beziehungsweise sind Aramäisch, Griechisch, Latein, Persisch, Deutsch, Jiddisch, Arabisch, Judeo-Arabisch sowie Ladino. Sehr fromme Juden sprechen daher noch heute lieber Jiddisch, weil sie Hebräisch nur für das Gebet verwenden.

Laut Kabbala, der mystischen Tradition des Judentums, sind die 22 Letter aber auch "die Buchstaben des Ursprungs", sagt Hofmeister. "Die mystische Vorstellung ist, dass durch die Buchstaben das Universum geschaffen wurde." Er verweist auf einen ukrainischen Rabbiner, bekannt als der Maggid von Mesritsch, der die hebräischen Buchstaben im 18. Jahrhundert als "Mittel der Schöpfung" beschrieb.

Dies manifestiere sich bereits im ersten Vers der Bibel, sagt Hofmeister: "Am Anfang der Schöpfung schuf Gott den Himmel und die Erde." Das hebräische Wort für "den" laute "et", zusammengesetzt aus Aleph und Tav - dem ersten und letzten Buchstaben des hebräischen Alphabets. Daher könnte man auch lesen: "Am Anfang der Schöpfung schuf Gott Aleph Tav." Durch Sprache sei alles Weitere passiert, wenn es dann zehn Mal heißt, "Gott sprach, es werde . . .". Der Rabbiner betont: Dass Gott gesprochen hat, sei als Metapher zu verstehen. "Gott hat keinen Körper, keinen Mund, für ihn bedeutet Sprache etwas anderes als für uns."

Gläubig, nicht religiös

"Ich bin insoferne gläubig, als ich denke, dass ein Künstler schon eine besondere Beziehung zu Kräften, zu Quellen hat, zu den Urkräften, das ist wie ein intuitives Wissen", meint Nakimova. Ihr Mann, der aus der Ukraine stammende Bratschist und Komponist Julij Malakh, ist Jude. Sie selbst ist nicht konvertiert. In ihrer Kindheit spielte Religion keine große Rolle. Als sie aber mit sieben Jahren eine Schule für musikalisch hochbegabte Kinder besuchte, kam sie über zwei jüdische Klavierlehrerinnen erstmals mit dem Judentum in Kontakt.

Als Urkraft empfindet Nakimova auch das hebräische Alphabet, das sie mit ihrer Komposition "nicht illustrieren", sondern in das sie sich vertiefen wollte. Die Kraft, aber auch die Geschichte der Buchstaben soll hörbar werden, im Wissen, dass in den Buchstaben tausende Jahre Geschichte eingesperrt sind, die niemand je werde ganz erzählen können.

Rund 50 Minuten dauert ihre Komposition, die sie mit ihrem Mann aufführen wird. Das Werk beginnt mit Aleph und endet mit Aleph - denn diesem und dem Buchstaben Mem hat sie jeweils zwei Sätze gewidmet, wodurch "Mysterium der 22" aus insgesamt 24 Sätzen besteht. Atonalität ist nicht zu erwarten, denn Nakimova "mag die Harmonie".

Begleitet wird das Konzert von Erklärungen des Gemeinderabbiners zum Aleph Beth. Für ihn sind "die Tora und ihre Buchstaben die Stammzelle der Schöpfung und unserer Welt". Jeder Buchstabe trage tiefe Aspekte der Schöpfung in sich - "sowohl in ihrer Form, ihrem Klang und ihrem Zahlenwert". Jeder hebräische Buchstabe hat einen Zahlenwert: Aleph steht für eins - Tav für 400. Zahlen werden durch eine Aneinanderreihung der Buchstaben entsprechend ihrer Zahlenwerte notiert. Gerne werden auch Worte nach ihrem Zahlenwert interpretiert oder zu anderen Worten in Beziehung gesetzt.