Privatinitiative von Amerikanern wurde zu einer der größten Hilfsorganisationen. | Geschäftsführerin von Care Österreich über Strukturen, öffentliche Mittel und private Spender. | "Wiener Zeitung": Die Hilfsorganisation Care hat sich aus Paketen mit Kraftbrühe und Eipulver entwickelt, die US-Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg nach Europa geschickt haben. Gibt es noch diese Care-Pakete? | Andrea Wagner-Hager: Ja. Aber selten. Wir verteilen sie zumeist vor Ort, und zwar so kurz wie möglich, in absoluten Krisengebieten. Und der Inhalt der Pakete hat sich geändert. Jetzt gibt es themenspezifische Pakete: etwa Waschzeug oder Babynahrung.
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In Haiti oder Pakistan ist voriges Jahr alles zerstört worden. Die Menschen dort hatten nichts mehr, außer der Kleidung, die sie gerade trugen. Aber keine Töpfe, keine Leintücher. Auch in Japan wurde nach der Katastrophe so die Erstversorgung aufgenommen. Da konnten wir, bzw. die Mitarbeiter im Büro vor Ort, auf die jahrzehntelange Erfahrung mit Krisensituationen zurückgreifen. Generell machen Nahrungsmittel nur noch einen Bruchteil der Care-Pakete aus, Essen wird nur für einen kurzen, begrenzten Zeitraum geliefert, weil sich das Land oft selbst wieder versorgen kann. Und wir wollen nicht die lokale Wirtschaft zerstören.
Care macht Nothilfe in Krisenregionen. Sie selbst kommen gerade von einer Reise vom Balkan zurück, wo Care Förderprogramme für Roma-Kinder durchführt. Macht Care inzwischen alles?
Nein, nicht alles, aber vieles.
Viele Hilfsvereine konzentrieren sich allerdings nur auf ein Thema oder ein Land.
Aber in der Entwicklungsarbeit hängt eins vom anderen ab. Es ist zu kurz gegriffen, nur Brunnen zu bauen oder nur zu schauen, dass Mädchen in die Schule gehen. In unseren mittelfristigen Programmen konzentrieren wir uns auf die Themen Bildung und auch auf Klimaschutz und Nahrungsmittel. Es gibt exponierte Zonen wie Bangladesh oder Äthiopien, die mit dem Klimawandel jetzt schon einen Nahrungsmittelengpass haben. Wir kümmern uns um Menschenrechte. Und ja, wir legen den Fokus auch auf Frauen und Mädchen, denn die werden meist benachteiligt.
Wie viel Prozent der Ausgaben macht die Nothilfe bei Care noch aus?
Im Katastrophenjahr 2010 war es rund die Hälfte, normalerweise beläuft sich die Nothilfe jedoch nur auf ein Drittel des Budgets.
Die Haupt- und Gründungsmitglieder von Care sind die Organisationen in den USA, in Kanada und in Australien. Inzwischen gibt es solche Organisationen in 12 "Geber"-Staaten. In Österreich ist das Büro vor 25 Jahren gegründet worden. Insgesamt es in 87 Ländern Filialen. Care International ist eine der größten Hilfsorganisationen. Da scheint schon allein die Koordination ein Riesenaufwand zu sein.
Dadurch können wir aber weltweit die Struktur unserer Partner nützen, wie etwa in Japan.
Weiß da noch die eine Hand, was die andere tut?
Wir koordinieren uns über unsere Zentrale in Genf. Die Care-Organisation in Österreich ist vor 25 Jahren von Österreichern gegründet worden und gewachsen. So wie in anderen Ländern, wo sich die Menschen zusammengefunden haben, um etwas zu bewegen, und das in Form einer NGO machen. Care ist von der Geschichte nicht zentralistisch.
Aber es ist ein großer Verwaltungsaufwand.
Natürlich könnte man Care straffer führen. Andererseits wollen wir die lokalen Märkte auf einer lokalen Ebene ansprechen. Das ist ja in der Wirtschaft nicht anders. Daneben bekommt Care viele öffentliche Gelder. Im vergangenen Jahr 11 Prozent meines Budgets von der ADA (der Austrian Development Agency, Anm.) also von der Regierung. Da ist es auch notwendig, Ansprechpartner vor Ort zu haben.
Das Feld der Entwicklungshilfe wird immer kompetitiver. Die Förderungen werden nicht mehr einfach vergeben, sondern müssen gewonnen werden. Und dazu werden die Voraussetzungen verschärft. Seit einigen Jahren ist in Wien das Studium "Internationale Entwicklung" geschaffen worden, das auch sehr viele deutsche Studenten anzieht, da ein vergleichbares Angebot in Deutschland fehlt.
Ich begrüße, dass es jetzt eine spezifische Ausbildung gibt. Auch wenn es den Arbeitsmarkt kompetitiver macht. Ich selbst bin Ethnologin, und früher haben sich in EZA-Hilfe viele Menschen getroffen, die halt "was Internationales" machen wollten.
Kompetitiv wird die Entwicklungshilfe aber wohl auch weil es eine Unzahl von immer mehr Hilfsorganisationen gibt, die alle sehr überzeugt sind von ihrem Ansatz und ihre Spenden und ihre Medienöffentlichkeit haben wollen. Dabei öffentlich immer weniger Gelder. Aber die großen Organisationen arbeiten zum Teil auch zusammen. Und außerdem: Man macht Entwicklungshilfe ja nicht zum Selbstzweck, sondern um eine nachhaltige Besserung von Lebenssituationen herzustellen.
Frau Wagner-Hager, Sie waren früher bei "Menschen für Menschen" tätig, der Hilfsorganisation von Karl-Heinz Böhm die sich ausschließlich um Äthiopien kümmert. Diese Organisation handelt sich teilweise Kritik ein, weil sie zu den politischen Verfolgungen und Repressionen im Land schweigen, um nicht zu riskieren, dass man sie aus dem Land wirft. Was ist die Position von Care?
Da spielt zum Beispiel die Größe von Care eine Rolle. Wir sind in vielen Ländern tätig, nicht nur in einem. Da kann man mehr sagen, weil man schon aufgrund der Größe ein anderes Standing hat. Natürlich wollen wir die Missionen im Land nicht gefährden und wenn wir kritisieren, dann punktuell. Aber in dem Moment, in dem man so viele öffentliche Gelder umsetzt, hat man auch eine politische Verpflichtung. Wir haben Beraterstatus bei den Vereinten Nationen. Wenn man uns nicht respektiert, ziehen wir auch Konsequenzen. Im Irak haben wir unser Büro komplett geschlossen, nachdem unsere Länder-Direktorin dort umgebracht worden ist. Im Sudan oder in der Elfenbeinküste haben wir die Büros temporär stillgelegt und sind aber dabei, sie wieder zu öffnen.
Stichwort Politik: Die Entwicklungshilfegelder seitens der österreichischen Regierung gehen weiter zurück, Österreich ist prozentuell eines der geizigsten Länder im EU-15-Vergleich.
Es ist es wichtig, mit den staatlichen Institutionen zusammenzuarbeiten, auch in Österreich. Ich bin nicht begeistert, dass die ADA die Entwicklungshilfsgelder generell heruntergeschraubt hat. Aber ich arbeite gerne mit ihnen zusammen.
Care finanziert sich zu drei Vierteln aus öffentlichen Geldern. Um an diese Töpfe heranzukommen, muss man, wie erwähnt, Konzepte vorlegen. Da geht es dann teilweise um "unsexy" Themen. Die privaten Spender, generell Frauen über 50, reagieren aber tendenziell auf unterernährte Kinder mit großen Augen. Ist es schwierig, die Brücke zu schlagen?
In all den Projekten sind Komponenten für ein privates Fundraising dabei, die solche Gruppen interessieren, die werden dann hervorgehoben. Zum Beispiel machen wir gerade ein EU-Projekt in Bangladesh, wo wir versuchen, Frauen, in den öffentlichen Arbeitsmarkt hineinzuführen, anstatt dass diese weiterhin "schwarz" arbeiten. Das ist vielleicht nicht so "sexy", aber die Frauen haben Kinder und Familie, die miteinbezogen werden. Man darf auch nicht vergessen, dass die Mehrheit der Menschen in der südlichen Welthalbkugel unter 40 Jahren ist, wegen der geringen Lebenserwartung. Die Mailings an private Spender sind nicht konstruiert. Es werden aber Individuen im privaten Fundraising herausgestellt. Auch wenn das nicht in der Überschrift vom 70-seitigen EU-Antrag steht.
Care Österreich
Vor genau 25 Jahren - im Mai 1986 - wurde Care Österreich als achtes Mitglied der internationalen Hilfsorganisation Care gegründet, die heute in 87 Ländern im Einsatz ist.
Rund 66 Prozent erhält Care Österreich an öffentlichen Gelder der Europäischen Union, 11 Prozent kommen über die ADA (Austrian Development Agency), die das österreichische EZA-Budget verwaltet. 18 Prozent machen Spenden von privater Seite aus. Daneben versucht Care, andere Geldkanäle zu öffnen. Heute, Dienstag, wird zum 25-jährigen Jubiläum eine Sonderbriefmarke der österreichischen Post vorgestellt. Das wirkt allerdings nur öffentlichkeitswirksam und enthält keine zusätzlichen Spendengelder.
Wein und Co wird in Zusammenarbeit mit dem Weingut Graf Hardegg ab sofort "Care-Pakete" anbieten, wo 8 von rund 60 Euro pro 6er-Karton an Care fließen. Vor einem Monat ist auch die Zusammenarbeit mit Berndorf Besteck präsentiert worden. Der österreichische Künstler Christian Ludwig Attersee legt jedem der Besteck-Sets einen seiner Originaldrucke bei. 15 Prozent der Erlöse gehen an Care.