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"Frage 'Wehrpflicht ja oder nein' muss für Bevölkerung zumutbar sein." | "Wiener Zeitung": Herr Verteidigungsminister, was ist Ihr Beitrag zur Regierungsklausur? | Norbert Darabos: Themen, die abseits der Wehrpflichtproblematik zu sehen sind, wie die Frage des Dienstrechtes für Berufssoldaten. Die zentralste Frage in meinem Bereich ist aber natürlich die Zukunft des Wehrsystems, das ist aber hier nicht auf der Agenda, weil das in einem Sonderverhandlungsteam zwischen Innenministerin Mikl-Leitner, Klubobmann Kopf von ÖVP-Seite und Staatssekretär Ostermayer und mir auf SPÖ-Seite wöchentlich verhandelt wird.
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Diese Verhandlungen laufen schon ein paar Wochen. Ist ein Ende abzusehen?
Durch den Wechsel an der Spitze der ÖVP und durch die Nominierung eines neuen Verhandlungsteams mussten wir den Prozess neu aufsetzen, weil die ÖVP darum gebeten hat, sich einarbeiten zu können. Das ist kein Vorwurf, sondern ein Faktum. Aber wir haben es jetzt einmal geschafft, Einigung über die Sicherheitsstrategie zu erzielen, was die Mobilmachungsstärke von 55.000 Mann, was die Frage des Katastrophenschutzes mit 12.000 Mann und die 1500 Mann für Auslandseinsätze betrifft. Jetzt müssen wir ans Eingemachte gehen und bis zum Sommer bei der Frage "Wehrpflicht ja oder nein" zu einem Ergebnis kommen. Ob wir zu einem Konsens kommen, kann ich nicht sagen.
Das könnte auch bedeuten: Wir einigen uns nicht.
Das ist durchaus möglich.
Hieße das, die Entscheidung bis nach Neuwahlen zu vertagen?
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man, wenn man sich nicht einigt, eine Volksbefragung ansetzen soll, denn die Frage "Wehrpflicht ja oder nein" ist den Menschen zumutbar. Die Bevölkerung ist intelligent genug, diese Frage mit Ja oder Nein zu beantworten. Derzeit gibt es offensichtlich aus der ÖVP keine Signale in diese Richtung, aber ich werde versuchen, in den nächsten die Verhandlungen dazu zu nutzen, erstens für mein Modell zu werben, zweitens auch dafür zu sorgen, dass zumindest dieses Auswegszenario einer Volksbefragung nicht vom Tisch ist.
Sie sagen, bis zum Sommer. Ist das ein Ultimatum oder könnte im Herbst weiterverhandelt werden?
Das ist kein Ultimatum, aber ich glaube, dass wir in den nächsten sechs bis acht Wochen schon so weit sein müssen, dass die Fragen, die die ÖVP an mich hat, beantwortet sein werden und man dann in die Phase übergehen kann, entweder einen Konsens zu erzielen oder eine Volksbefragung anzusetzen. Aber Ultimatum gibt es keines. Ich bin auch bereit, über den Sommer zu verhandeln.
Die Frage der Wehrpflicht ist aber eine Frage von entweder oder. Man kann sich da nicht in der Mitte treffen. Dass eine Seite sich überreden lässt, ist nicht abzusehen. Was bringen da die Gespräche noch? Geht es nun darum, den Koalitionspartner zumindest zu einer Volksbefragung zu überreden?
Es geht nicht ums Überreden. Es geht um die Frage, ob man die politische Einschätzung teilt, dass das Volk - das immer wieder bemüht wird und wo man sagt, die Politik entfernt sich zu weit vom Bürger - einzubinden ist. Ich sehe da überhaupt kein Problem, weder für die Koalition, noch bezüglich der auch medial ventilierten eigenartigen Meinung, dass das Volk zu wenig Einblick in diese Frage hat. Wenn es möglich ist, in Kärnten eine Volksbefragung über Ortstafeln abzuhalten - was ich nicht goutiere, weil Ortstafeln sind ein Minderheitenrecht und über Minderheitenrechte kann man nicht abstimmen, aber das ist ein anderes Thema -, dann muss es aber auch möglich sein, in so einer zentralen Frage wie der Wehrpflicht eine Volksbefragung durchzuführen. Ich bin kein Hellseher, ich kann nicht sagen, wie die ÖVP in den nächsten Wochen und Monaten auf Argumente reagiert, aber ich bin noch immer sehr zuversichtlich, dass ein Konsens möglich ist.
Gibt es Beispiele, wo ein solcher Konsens möglich war, wo sich eine Seite bewegt hat, oder woher kommt diese Zuversicht?
Nehmen wir die Position der Landeshauptleute: die sagen, ihnen ist das Wehrsystem nicht so wichtig, ihnen ist wichtig, dass die Frage des Katastrophenschutzes, der Auslandseinsätze und der Militärkommanden geklärt ist. Wenn man auf dieser pragmatischen Basis arbeitet und ich nachweisen kann, dass das neue Modell diesen Aufgaben nachkommen kann, dann könnte ein Kompromiss möglich sein. Und unter den Landeshauptleuten sind ja auch einige aus der ÖVP. Ich will keinen Zwist in die Regierungsklausur tragen, aber ich bin ein bisschen überrascht über die Festlegung des neuen ÖVP-Parteichefs, keine Volksbefragung zuzulassen. Die Argumente haben wir noch nicht einmal ausgetauscht. Ich werde beweisen, dass das Freiwilligenheer nicht teurer ist als das jetzige System, dass es ein Mehr an Qualität bietet, dass die Miliz damit gestärkt ist - das sind Sachen, die wir in Zukunft auch in der öffentlichen Debatte zu diskutieren haben werden. Ich bin aber Optimist, dass es da auch bei der ÖVP Bewegung geben kann. Wir werden sehen.
Aus der ÖVP gibt es seit neuestem Stimmen, die eine Verlängerung des Grenzeinsatzes befürworten. Sie galten früher immer als Befürworter, sind jetzt dagegen...
Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, ich bin nur etwas konsterniert über die Vorgangsweise. Punkt eins: Ich habe das aus den Medien erfahren. Ich habe immer gekämpft für den Assistenzeinsatz. Wir haben damals noch mit Ministerin Fekter einen Plan ausgearbeitet, der vorgesehen hat, gleitend aus diesem Assistenzeinsatz herauszukommen und ihn zu beenden. Wir haben jetzt schon weniger Soldaten an der Grenze. Es gibt auch keine neuen Anforderungen an uns. Wenn es immer heißt, der Darabos hat in der Wehrpflichtdebatte den dritten vor den ersten Schritt gesetzt, dann muss ich diese Kritik in der Frage des Grenzeinsatzes zurückgeben. Der erste Schritt wäre eine Wiedereinführung der normalen Schengen-Grenzen. Erst in weiterer Folge kann man darüber nachdenken, das Bundesheer wieder an die Grenze zu schicken. Nur, es gibt keine Anforderung.
Also bleibt es dabei, dass der Grenzeinsatz mit Jahresende ausläuft?
Das ist Ministerratsbeschluss. Daran halte ich mich.
Wie geht es weiter in Sachen Hooligans?
Ich habe alle Vereinsvertreter aus Bundesliga und Erste Liga eingeladen. Wir werden dieses Thema noch einmal aufrollen. Da geht es weniger um die rechtlichen Dinge, die auch das Innen- und das Justizministerium zu bewerkstelligen haben, sondern mehr um die Frage, wie die Vereine mit ihren Fangruppen umgehen und welche Maßnahmen können wir im Konsens setzen, beispielsweise Stadionverbote, nicht nur temporäre, sondern teilweise auch lebenslange, nicht nur regional eingeschränkte, sondern österreichweite.
Das schwarze Derby oder die neue Qualität der Rowdys Wer soll da federführend sein? Sie als Sportminister?
Grundsätzlich pocht der Sport - die Verbände und Vereine - auf Autonomie. Ich möchte daher hier eher Impulsgeber sein, regeln muss das die Bundesliga gemeinsam mit dem ÖFB und den Vereinen. Die rechtlichen Dinge müssen wir natürlich auf der Ebene Justizministerium und Innenministerium andenken, wobei mir der puristische Zugang des Justizministeriums nicht sonderlich gefällt, wonach man im Strafrecht nicht mehr machen könne. Da bin ich anderer Meinung: Jede Androhung von Strafe, je härter sie ist, ist abschreckend und könnte diese Dinge hintanhalten. Aber da sind wir erst am Beginn der Debatte.
Die Sache mit den Rapid-Fans war ja nicht der erste Platzsturm, wenn man sich etwa erinnert an Austria gegen Bilbao vor eineinhalb Jahren. Wird der jetzige Fall nicht medial und politisch etwas hochgespielt?
Nein, das sehe ich nicht so. Wir haben natürlich in Österreich unter der Oberfläche einige Probleme im Fußball. Es gab Ausschreitungen und Kundgebungen, die klaren rechtsradikalen Charakter haben. Wir haben auf der zweiten, dritten Ebene Sicherheitsprobleme mit Vereinen - vor allem in Westösterreich -, wo Spiele aus Sicherheitsgründen abgesagt werden mussten. Wir haben auf europäischer Ebene Probleme, wo manche Vereine offensichtlich mit rechtsradikalen Zeichen werben, etwa mit der Nummer 88 (in rechtsradikalen Kreisen ein Symbol für "Heil Hitler", Anm.). Das sind Dinge, die man so nicht stehenlassen kann und die natürlich auch gesellschaftspolitisch zu sehen sind. Man sollte das nicht kleinreden. Der Platzsturm bei Rapid hat mich besonders schockiert, und Experten sehen das ebenso, durch die Vermummung. Das ist etwas, das auf dem Sportplatz überhaupt nichts verloren hat. Ein Sitzstreik ist nicht ok, aber den kann man noch irgendwo akzeptieren im weitesten Sinne. Aber Vermummung am Sportplatz, wo man nicht weiß, was nachher passiert, das möchte ich nicht zulassen. Das war leider eine neue Qualität bei diesem Platzsturm.