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Berlin - Am Ende riss Paul Spiegel die Geduld: Der eher als zurückhaltend bekannte Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland mochte dem öffentlichen Gezerre um das Holocaust-Plakat in Berlin nicht mehr länger zusehen. Am Freitagabend verkündete er das "Aus". Der Holocaust eignet sich für Spiegel nicht für eine Werbekampagne, auch wenn sie noch so gut gemeint ist und um Spenden für das geplante, aber nicht unumstrittene Holocaust-Mahnmal in Berlin wirbt.
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Als sich Holocaust-Überlebende über das auf dem Plakat wiedergegebene Zitat der so genannten Auschwitz-Lüge "Den Holocaust hat es nie gegeben" beschwerten und sogar Strafanzeige wegen Volksverhetzung erstatteten, war für Spiegel das Ende der Fahnenstange erreicht.
Nicht einmal mehr über die Formulierung der öffentlichen Erklärung für das "Aus" war er sich am Freitagabend mit der Sprecherin des Fördervereins, Lea Rosh, einig geworden. Mit dem Plakat wollte der Verein um Spenden für das geplante Holocaust-Mahnmal werben. Rosh sprach von einer für Mitte August geplanten Abnahme des Plakats "wie vorgesehen", Spiegel hätte es lieber heute als morgen entfernt. "Der Zentralrat ist mit irgendwelchen Entscheidungen über das Plakat nie befasst gewesen", sagte Spiegel. Schon sein Stellvertreter Michel Friedman hatte seit Tagen eine Entfernung des Plakats am Pariser Platz in unmittelbarer Nähe des Geländes für das Holocaust-Mahnmal gefordert.
Die umtriebige Publizistin Rosh, die sich seit über einem Jahrzehnt mit nicht nachlassendem Engagement mit ihrer Bürgerinitiative für ein Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa in der deutschen Hauptstadt "im Land und am Ort der Täter" einsetzt, versteht die Welt nicht mehr. "Noch nie haben wir so viel Interesse und Aufmerksamkeit und auch Spenden für das Holocaust-Mahnmal gehabt wie jetzt, seitdem das Plakat die Gemüter erregt." Dennoch war Kritikern das Kleingedruckte zu klein. Und Ironie war noch nie eine deutsche Stärke. So waren Beifall von der falschen Seite und Zorn der Betroffenen scheinbar programmiert. Und Ärger um ein Mahnmal, das noch gar nicht steht und das mit 2700 Betonstelen, wenn sie von Peter Eisenman bis 2004 für rund 25,6 Mill. Euro (52 Mill. S) errichtet worden sind, noch für genügend Gesprächsstoff sorgen dürfte.